Nur vorläufige Haftanordnung bei Wunsch nach anwaltlichem Beistand:
Erklärt eine betroffene Person während der persönlichen Anhörung, dar anwaltlichen Rat in Anspruch nehmen zu wollen, ohne eine*n Rechtsanwalt*Rechtsanwältin benennen zu können, muss das Gericht Gelegenheit geben, entsprechenden anwaltlichen Beistand zu finden und darf die Haft nur vorläufig im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 427 FamFG anordnen.
(Leitsätze der Redaktion)
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Die Verfahrensweise des Amtsgerichts hat den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt.
a) Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2014 - V ZB 32/14, InfAuslR 2014, 442 Rn. 8; vom 12. November 2019 - XIII ZB 34/19, juris Rn. 7; vom 6. Oktober 2020 - XIII ZB 21/19, juris Rn. 14). Erklärt der Betroffene im Verlauf der persönlichen Anhörung, einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen zu wollen, so muss das Gericht - falls dieser keinen Bevollmächtigten benennt - ihm für die Suche eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts Gelegenheit geben und darf die Haft im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG nur vorläufig anordnen, wobei die Abschiebung aus der nur vorläufig angeordneten Haft gleichwohl erfolgen darf (BGH, Beschluss vom 25. April 2022, XIII ZB 34/21, Rn. 7 f., m.w.N.). Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung die gewünschte Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten, führt das ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft; es kommt in diesem Fall nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. April 2017 - V ZB 59/16, InfAuslR 2017, 292 Rn. 7; vom 12. November 2019 - XIII ZB 34/19, juris Rn. 7; vom 25. April 2022 - XIII ZB 50/21, juris Rn. 6). '
b) Diesen Maßstäben ist die Verfahrensweise des Amtsgerichts nicht gerecht geworden. Der bis dahin anwaltlich nicht vertretene Betroffene hatte ausweislich des Verhandlungsprotokolls ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, einen Anwalt sprechen zu wollen. Das Amtsgericht hat den Betroffenen sodann darauf hingewiesen, dass die Bestellung eines Rechtsanwalts durch das Gericht nicht gesetzlich vorgesehen sei, den Wunsch des Betroffenen als Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe ausgelegt und diesen Antrag zurückgewiesen. Angesichts des eindeutigen Erklärungsinhalts durfte das Amtsgericht die Erklärung des Betroffenen nicht ohne weitere und erkennbare Aufklärung seines wirklichen Willens lediglich als Antrag auf Verfahrenskostenhilfe verstehen. [...]