Keine Arbeitserlaubnis für drittsaatsangehörige Person, die aus der Ukraine geflohen ist:
1. Die Regelung des § 81 Abs. 5a S. 2 AufenthG, wonach in eine Fiktionsbescheinigung die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit gemäß § 81 Abs. 5a S. 2 AufenthG aufzunehmen ist, findet weder direkt noch analog auf Personen Anwendung, die eine Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz nach § 24 AufenthG beantragt haben.
2. Ein Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis ergibt sich vorliegend auch nicht direkt aus Art. 12 der Richtlinie zum Vorübergehenden Schutz (RL 2001/55/EG), da der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, dass er nicht sicher und dauerhaft in sein Herkunftsland (Nigeria) oder seine Herkunftsregion zurückkehren kann.
(Leitsätze der Redaktion)
M31064, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.10.2022 - 11 S 1467/22
Keine Arbeitserlaubnis für drittsaatsangehörige Person, die aus der Ukraine geflohen ist:
1. Die Regelung des § 81 Abs. 5a S. 2 AufenthG, wonach in eine Fiktionsbescheinigung die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit gemäß § 81 Abs. 5a S. 2 AufenthG aufzunehmen ist, findet weder direkt noch analog auf Personen Anwendung, die eine Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz nach § 24 AufenthG beantragt haben.
2. Ein Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis ergibt sich vorliegend auch nicht direkt aus Art. 12 der Richtlinie zum Vorübergehenden Schutz(RL 2001/55/EG), da der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, dass er nicht sicher und dauerhaft in sein Herkunftsland (Nigeria) oder seine Herkunftsregion zurückkehren kann.
(Leitsätze der Redaktion)
Schlagwörter: Drittstaatsangehörige, Ukraine, Arbeitserlaubnis, Fiktionsbescheinigung, Massenzustromrichtlinie, Student, Nigeria,
Normen: AufenthG § 81 Abs. 5a S. 2, AufenthG § 81 Abs. 5a S. 1, AufenthG § 81 Abs. 1, AufenthG § 24 Abs. 1, RL 2001/55/EG Art. 12,
Auszüge:
[…]
Im Übrigen ist die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen. Insoweit kann offenbleiben, ob die Beschwerde zulässig ist (dazu unter 1.). Denn sie ist jedenfalls unbegründet (dazu unter 2.).
a) Hinsichtlich des nach dem Begehren des Antragstellers in die Fiktionsbescheinigung aufzunehmenden Vermerks "Erwerbstätigkeit erlaubt" hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ihm der geltend gemachte Anordnungsanspruch zusteht.
aa) Soweit § 81 Abs. 5a Satz 2 AufenthG bestimmt, dass in die Fiktionsbescheinigung die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach § 81 Abs. 5a Satz 1 AufenthG aufzunehmen ist, wonach in den Fällen des § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 des Aufenthaltsgesetzes beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als erlaubt gilt, sind diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt. Die von dem Antragsteller beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG ist schon keine nach Kapitel 2 Abschnitt 3 (§§ 16 ff. AufenthG - Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung) oder Abschnitt 4 (§§ 18 ff. AufenthG - Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit), sondern unterfällt Abschnitt 5 (§§ 22 ff . - Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen). Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts scheidet eine direkte Anwendung dieser Vorschrift aus.
Aber auch eine analoge Anwendung des § 81 Abs. 5a AufenthG erscheint ausgeschlossen (ebenfalls zweifelnd Klaus/Fausel/Tonn, UKuR 2022, 111 <114, Rn. 25>). Dies käme nur dann in Betracht, wenn eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorlägen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10 .2021 - 10 C 5.20 - juris Rn. 57). Vorliegend dürfte es schon an einer planwidrigen Regelungslücke fehlen (so auch Klaus, InfAuslR 2022, 313 <317>). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen. […]
Es spricht viel dafür, dass es sich bei § 81 Abs. 5a AufenthG um eine abschließende und damit nicht analogiefähige Sonderregelung handelt. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Ausnahme von dem in § 4a Abs. 1 AufenthG verankerten Grundsatz geschaffen, dass ein Ausländer (erst) dann eine Erwerbstätigkeit ausüben darf, wenn er einen Aufenthaltstitel besitzt. […]
Darüber hinaus dürfte es an einer vergleichbaren Interessenlage mangeln (so auch bereits VG Aachen, Beschluss vom 26.08.2022 - 8 L 527/22 - juris Rn. 45 ff.). Mit der Regelung des § 81 Abs. 5a AufenthG sollte für den Ausländer die Möglichkeit geschaffen werden, bereits in der Zeit zwischen Veranlassung der Ausstellung und der Ausgabe des elektronischen Aufenthaltstitels die angestrebte Erwerbstätigkeit aufzunehmen (BT-Drucks. 19/24007, S. 22). […] Die Vorschrift knüpft also an den Zeitpunkt an, zu dem sich die Ausländerbehörde bereits dazu entschlossen hat, den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis positiv zu bescheiden. Hiermit ist die Situation des Antragstellers nicht vergleichbar. […] In Situationen, in denen – wie hier – noch keine (zumal positive) Entscheidung über einen gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gefällt wurde, entsteht bereits nicht der vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 81 Abs. 5a AufenthG in den Blick genommene Schwebezeitraum, in dem bereits eine Erwerbstätigkeit gestattet werden soll (zutreffend bereits VG Aachen, Beschluss vom 26.08.2022 - 8 L 527/22 - juris Rn. 47).
Soweit das Bundesministerium des Innern und für Heimat in seinen Länderschreiben zur Umsetzung des oben angesprochenen Durchführungsbeschlusses des Rates (vgl. zuletzt Schreiben vom 05.09.2022 in der Fassung vom 20.09.2022 <dort S. 16>) offenbar von einer Analogiefähigkeit des § 81 Abs. 5a AufenthG ausgeht, handelt es sich um bloße Anwendungshinweise, die weder für die Antragsgegnerin noch für das Gericht Bindungswirkung entfalten. […]
bb) Auch aus dem Unionsrecht kann der Antragsteller nichts für sich herleiten. Dabei kann offenbleiben, ob sich unmittelbar aus Art. 12 der Massenzustromrichtlinie ein Anspruch auf eine - wie auch immer geartete - Bescheinigung über eine Erlaubnis der Erwerbstätigkeit ableiten lässt. Denn dies setzte jedenfalls voraus, dass die Ausübung der Erwerbstätigkeit unmittelbar kraft Unionsrechts erlaubt ist. Dass dies hier der Fall ist, hat der Antragsteller indes nicht glaubhaft gemacht.
Nach Art. 12 der Massenzustromrichtlinie gestatten die Mitgliedstaaten Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, für einen Zeitraum, der den des vorübergehenden Schutzes nicht übersteigt, die Ausübung einer abhängigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit. […]
Mit Art. 1 des Durchführungsbeschlusses hat der Rat der Europäischen Union das Bestehen eines Massenzustroms von Vertriebenen in die Union festgestellt, die infolge eines bewaffneten Konflikts die Ukraine verlassen mussten. Art. 2 des Durchführungsbeschlusses regelt, für welche Personen der vorübergehende Schutz gilt. […] Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Antragsteller keiner der bis hierhin genannten Personengruppen angehört.
Uneinigkeit besteht hingegen in Bezug auf die Frage, ob er zu einer weiteren, in Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses genannten Personengruppe zu zählen ist. Danach können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 7 der Massenzustromrichtlinie diesen Beschluss auch auf andere Personen, insbesondere Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine anwenden, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhielten und nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können. Es bestehen belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland von dieser Öffnungsklausel Gebrauch gemacht hat. […] Allerdings lassen sich den seit Inkrafttreten des Durchführungsbeschlusses ergangenen Länderschreiben des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, zuletzt vom 05.09.2022 in der Fassung vom 20.09.2022, Hinweise dazu entnehmen, dass die Bundesrepublik Deutschland auch der in Art. 2 Abs. 3 des Durchführungsbeschlusses genannten Personengruppe vorübergehenden Schutz gewährt. Auf S. 6 des genannten Länderschreibens vom 05.09.2022 in der Fassung vom 20.09.2022 heißt es:
"[…] Vorübergehenden Schutz nach § 24 AufenthG erhalten nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, wenn diese sich am 24. Februar 2022 nachweislich rechtmäßig, und nicht nur zu einem vorübergehenden Kurzaufenthalt, in der Ukraine aufgehalten haben und sie nicht sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können." […]
Dass der Antragsteller zu diesem Personenkreis gehört, er infolgedessen vorübergehenden Schutz im Sinne der Massenzustromrichtlinie genießt und ihm daher möglicherweise in unmittelbarer Anwendung des Art. 12 der Massenzustromrichtlinie die Erwerbstätigkeit gestattet ist, hat er indes nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat er durch Vorlage seines nigerianischen Reisepasses sowie des bis 30.10.2023 befristeten ukrainischen Aufenthaltstitels hinreichend glaubhaft gemacht, Staatsangehöriger eines anderen Drittlandes als der Ukraine zu sein, der sich rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten hat. Es fehlt aber an der Glaubhaftmachung, dass er nicht sicher und dauerhaft nach Nigeria bzw. in seine Herkunftsregion zurückkehren kann. […]
Was genau unter dem Begriff der sicheren und dauerhaften Rückkehr zu verstehen ist, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung. Denn der Antragsteller hat nicht einmal dargelegt, nicht sicher und dauerhaft nach Nigeria bzw. in seine Herkunftsregion zurückkehren zu können. […]
Soweit der Antragsteller schließlich die Aufnahme eines Hinweises auf die Antragstellung nach § 24 AufenthG in die Fiktionsbescheinigung begehrt, sind die Voraussetzungen für eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ebenfalls nicht gegeben. […]