Für das Staatsangehörigkeitsrecht Äthiopiens sind die dortigen Rechtsnormen und nicht die Rechtspraxis entscheidend:
"1. Das Gericht hält an der Rechtsauffassung, dass eine Rechtspraxis, die im Widerspruch zu den gültigen Rechtsnormen des jeweiligen Staates stünde, für das Gericht als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit nicht verbindlich ist, fest (a. A. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juni 2020 - 19 A 1420/19.A -, juris, Rn. 40 ff.).
2. Die normativen Bestimmungen des Staatsangehörigkeitsrechts der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien sowie des Staates Eritrea sind einer Auslegung nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck zugänglich."
(Amtliche Leitsätze; Zulassung der Berufung gegen das Urteil: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.05.2021 - 19 A 177/21.A - asyl.net: M29951; entgegen: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.06.2020 - 19 A 1420/19.A - asyl.net: M28656)
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1. Der Kläger besitzt im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG) die äthiopische Staatsangehörigkeit.
Die Frage, welche Staatsangehörigkeit eine Person innehat, bestimmt sich nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des in Frage kommenden Staates, denn Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit werden grundsätzlich durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geregelt (vgl. zur Problematik der Bestimmung der Staatsangehörigkeit ausführlich VG Münster, Urteil vom 5. März 2019 – 11 K 3094/16.A –, juris, Rn. 28 ff.; VG Münster, Urteil vom 22. Juli 2015 – 9 K 3488/13.A –, juris, Rn. 26 ff.; vgl. im Übrigen zur Würdigung (echter) äthiopischer und/oder eritreischer amtlicher Ausweispapiere bzw. Personenstandsurkunden, auf denen die Staatsangehörigkeit vermerkt ist, VG Münster, Urteil vom 11. Februar 2020 – 9 K 1564/17.A –, n.v.).
Im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit findet der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung Anwendung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dementsprechend existiert eine Beweisregel des Inhalts, dass der Nachweis der Staatsangehörigkeit eines Staates nur durch Vorlage entsprechender Papiere dieses Staates geführt werden kann, nicht (vgl. VG Münster, Urteil vom 22. Juli 2015 – 9 K 3488/13.A –, juris, Rn. 28 f., m. w. N.). [...]
Voraussetzung der Verpflichtung des Gerichts, über die ausländischen Rechtsnormen als solche hinaus auch deren Umsetzung in der Rechtspraxis des jeweiligen Staates zu berücksichtigen, muss jedoch sein, dass die ausländische Rechtspraxis eine zumindest vertretbare Konkretisierung bzw. Auslegung der jeweiligen Rechtsnormen vornimmt. Eine Rechtspraxis, die im Widerspruch zu den gültigen Rechtsnormen des jeweiligen Staates stünde, wäre für das Gericht als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit dahingegen gerade nicht verbindlich. Außerhalb des geltenden Rechts liegende Umstände können nämlich keinen Einfluss haben auf die sich nach objektiven normativen Regelungen richtende Staatsangehörigkeit einer Person. Im Falle eines Widerspruchs der staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtspraxis zu den staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtsnormen in dem jeweiligen ausländischen Staat sind für das erkennende Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit daher nur die Rechtsnormen maßgeblich (vgl. VG Münster, Urteil vom 22. Juli 2015 – 9 K 3488/13.A –, juris, Rn. 36 f., m. w. N.).
Das Gericht hält an der soeben dargestellten Rechtsauffassung, dass eine Rechtspraxis, die im Widerspruch zu den gültigen Rechtsnormen des jeweiligen Staates stünde, für das Gericht als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit nicht verbindlich ist (a. A. insoweit OVG NRW, Beschluss vom 29. Juni 2020 – 19 A 1420/19.A –, juris, Rn. 40 ff.), fest. Die normativen Bestimmungen des Staatsangehörigkeitsrechts der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien sowie des Staates Eritrea sind einer Auslegung nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck zugänglich. [...]