VG Magdeburg

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Zitieren als:
VG Magdeburg, Urteil vom 25.08.2022 - 5 A 52/22 MD - asyl.net: M31044
https://www.asyl.net/rsdb/m31044
Leitsatz:

Anspruch auf Herausgabe im Asylverfahren vorgelegter Dokumente:

Es besteht ein Herausgabeanspruch aus § 21 Abs. 5 AsylG bezüglich im Asylverfahren vorgelegter Dokumente, wenn diese nicht mehr benötigt werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Dokumente echt oder unecht sind.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Asylverfahren, Mitwirkungspflicht, Dokumente, gefälschte Dokumente, Herausgabeanspruch
Normen: AsylG § 21 Abs. 5
Auszüge:

[...]

Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, das Herausgabebegehren sei allgemein oder jedenfalls dann mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen, wenn die Herausgabe an den Ausländer durch Verwaltungsakt abgelehnt worden sei (vgl. hierzu NKAuslR/Anke Clodius, 2. Aufl. 2016, AsylVfG § 65 Rn. 7; Epple, GK-AsyVfG 129 November 2020, § 21 Rn. 98; BeckOK AuslR/Haderlein, 33. Ed. 1.4.2022, AsylG § 21 Rn. 8. Vgl. zu § 65 Abs. 1 AsylG auch Funke-Kaiser, GK AsylVfG 135 Januar 2022, § 65 Rn. 30; BeckOK AuslR/Neundorf, 33. Ed. 1.7.2021, AsylG § 65 Rn. 5; Bergmann/Dienelt/Bergmann, 13. Aufl. 2020, AsylG § 65 Rn. 10), schließt sich die Kammer dieser Auffassung nicht an. Denn der Erlass eines Verwaltungsaktes durch die Behörde ist nur dann erforderlich, wenn ein bewilligender Verwaltungsakt rechtliche Voraussetzung für den nachfolgenden Realakt der Herausgabe ist. Das ist hier nicht der Fall. Eine Rechtspflicht zur (positiven) Entscheidung über die Herausgabe durch Verwaltungsakt ist im AsylG nicht angelegt. Einer vorherigen Entscheidung durch Verwaltungsakt bedarf es auch nicht unter Rechtsschutzgesichtspunkten. Denn § 113 Abs. 4 VwGO erfasst gerade Konstellationen wie die vorliegende. Nach dieser Norm ist, wenn neben der Aufhebung eines Verwaltungsaktes eine Leistung verlangt werden kann, im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig. Als besondere Ausprägung der Stufenklage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 113 Rn. 172) ermöglicht diese Norm gerade die Verurteilung der Behörde zur Vornahme eines durch einen Verwaltungsakt abgelehnten Realaktes (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O. Rn. 172) und erfasst so auch Konstellationen, in denen die Behörde die ablehnende Entscheidung - anders als vorliegend - durch Verwaltungsakt getroffen hat. [...]

2. Die Klage ist begründet, da der Kläger einen Anspruch auf Herausgabe der Heiratsurkunde zur Registernummer … mit der Seriennummer … und der Tazkira mit der Seriennummer ... aus § 21 Abs. 5 i. V. m. Abs. 1 AsylG hat. Nach dieser Norm sind die nach § 15 Abs. 2 Nr. 4 und 5 AsylG in Verwahrung genommenen Unterlagen dem Ausländer wieder auszuhändigen, wenn sie für die weitere Durchführung des Asylverfahrens oder für aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht mehr benötigt werden. Die Vorschrift ist - anders als die Spezialvorschrift des § 65 AsylG - auch nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens anwendbar (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 15 E 2848/12 -, juris Rn. 6). [...]

Nach seinem Wortlaut unterscheidet § 21 Abs. 5 AsylG nicht zwischen echten und unechten Urkunden. Zieht man im Wege der systematischen Auslegung der Regelung des § 21 Abs. 5 AsylG den § 15 Abs. 2 Nr. 5 AsylG heran, welcher die ursprüngliche Aushändigungspflicht des Ausländers betrifft, lässt sich feststellen, dass dieser auch die Pflicht zur Aushändigung unechter Urkunden umfasst. Zwar liegt es im Ausgangspunkt nahe, dass nur echte Urkunden dazu geeignet, sind, die Identität und Staatszugehörigkeit eines Asylantragstellers (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zu belegen und vorrangig echte Urkunden für das Asylverfahren von Bedeutung sind. Weil die Echtheit von Urkunden im Zeitpunkt der Aushändigung durch den Asylantragsteller an die Behörde aber nicht stets verlässlich feststellbar ist, ist es für die ordnungsgemäße Durchführung des Asylverfahrens notwendig, die Aushändigungspflicht auf alle im Besitz des Ausländers befindlichen Urkunden zu erstrecken. Denn die in § 15 AsylG normierte Mitwirkungspflicht des Ausländers soll gerade eine umfassende Sachverhaltsaufklärung durch das Bundesamt sicherstellen. Im Gesetz findet sich demgegenüber keine Grundlage für die Annahme, dass die nach § 15 Abs. 2 Nr. 5 AsylG bestehende Aushändigungs- und Überlassungspflicht des Ausländers sachlich weiter reichen sollte, als sein nach Abschluss des Asylverfahrens bestehender Aushändigungsanspruch. Gegen eine dahingehende Annahme spricht vielmehr, dass § 21 Abs. 5 AsylG den § 15 Abs. 2 Nr. 5 AsylG ohne weitere Einschränkung in Bezug nimmt. [...]