EuGH

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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 31.03.2022 - C-231/21 IA gg. Österreich - asyl.net: M31031
https://www.asyl.net/rsdb/m31031
Leitsatz:

Unterbringung in Psychiatrie begründet keine Verlängerung der Überstellungsfrist in Dublinverfahren:

Die Überstellungsfrist im Dublinverfahren kann gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf bis zu ein Jahr verlängert werden, wenn eine Person inhaftiert ist und deshalb nicht überstellt werden kann, wobei Inhaftierung das Verbüßen einer Freiheitsstrafe oder Untersuchungshaft in einem Strafverfahren bedeutet. Eine gerichtliche Unterbringung in der Psychiatrie ist dagegen keine Inhaftierung im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO, sodass die Überstellungsfrist deshalb nicht verlängert werden kann.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Überstellungsfrist, Unterbringung, psychiatrisches Krankenhaus, Haft,
Normen: VO 604/2013 Art. 29 Abs. 2
Auszüge:

[...]

48 Bei nach wie vor wörtlicher Auslegung von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der Dublin-III-Verordnung ergibt sich aus der gewöhnlichen Bedeutung des Begriffs "Inhaftierung" oder "Haftstrafe", die, wie in Rn. 45 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, der großen Mehrheit der Sprachfassungen dieser Bestimmung zu entnehmen ist, dass darunter im Wesentlichen eine Freiheitsstrafe zu verstehen ist, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgrund der Begehung einer Straftat verhängt wird, hinsichtlich deren der Betroffene schuldig gesprochen oder verdächtigt wird.

49 Genauer gesagt bezeichnet dieser Begriff in seiner gewöhnlichen Bedeutung eine Freiheitsstrafe, die in der Regel in einem Gefängnis zu verbüßen ist und die von einem Gericht verhängt wird, sofern es am Ende eines Strafverfahrens feststellt, dass sich eine Person strafbar gemacht hat. Außerdem erfasst dieser Begriff nach seiner gewöhnlichen Bedeutung auch die gegen eine Person, die der Begehung einer Straftat verdächtigt wird, verhängte Untersuchungshaft, die grundsätzlich durch eine gerichtliche Entscheidung im Rahmen eines Strafverfahrens angeordnet wird.

50 Angesichts dieser gewöhnlichen Bedeutung kann die zwangsweise Unterbringung einer Person in einer psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses, die gerichtlich genehmigt wurde, weil die Person an einer psychischen Erkrankung leidet, aufgrund deren sie für sich selbst oder die Gesellschaft besonders gefährlich ist, nicht als "Inhaftierung" im Sinne von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der Dublin-III-Verordnung eingestuft werden. [...]