VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 20.06.2022 - 10 CS 22.716 - asyl.net: M31027
https://www.asyl.net/rsdb/m31027
Leitsatz:

Online-Eheschließung vor Standesbeamt*innen in den USA unwirksam:

1. Die Online-Trauung zweier Personen in Deutschland mittels Bild-/Ton-Übertragung vor Standesbeamt*innen in den USA ist gemäß Art. 13 Abs. 4 S. 1 EGBGB formunwirksam, weil eine Ehe im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form gemäß § 1310 Abs. 1 S. 1, § 1311 S. 1 BGB geschlossen werden kann. Der Ort der Eheschließung liegt im Inland und nicht wegen der Bild-/Ton-Übertragung in den USA.

2. Die vom BGH entwickelte Rechtsprechung zu sog. Handschuhehen (Trauung durch Stellvertretende in einem anderen Land) gemäß Art. 11 Abs. 3 EGBGB, findet keine Anwendung, weil die Trauung nicht mittels Stellvertretung erfolgt. 

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Eheschließung, Online-Eheschließung, Online-Trauung, Utah, USA, Vereinigte Staaten von Amerika, Wirksamkeit der Eheschließung,
Normen: AufenthG § 28 Abs. 1 Nr. 1, AufenthG § 30 Abs. 1, EGBGB Art. 13 Abs. 4 S. 1, BGB § 1310 Abs. 1 S. 1, BGB § 1311 S. 1
Auszüge:

[...]

5 Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die beantragte Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts. [...]

7 Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aus mehreren selbständig tragenden Gründen verneint. Die durch Online-Trauung vor einem Standesbeamten in U. durchgeführte Eheschließung sei gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB formunwirksam, da der maßgebliche Eheschließungsort im Bundesgebiet und damit "im Inland" liege und die Ehe deshalb nur in der in Deutschland vorgeschriebenen Form (§§ 1310 Abs. 1 Satz 1,1311 Satz 1 BGB) geschlossen werden könne; entscheidend sei insofern die Abgabe der maßgeblichen Willenserklärungen der Eheschließenden im Bundesgebiet (so im Übrigen zuletzt auch OLG Köln, B.v. 8.3.2022 - 26 Wx 3/22 - juris Rn. 9 f.). Die Rüge der Antragstellerseite, dies stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit 1958 und insbesondere auch dessen Beschlusses vom 29. September 2021 (XII ZB 309/21), wonach "in Fällen wie dem vorliegenden das Ortsrecht der Trauungsperson Anwendung finde" greift nicht durch. Denn die angeführte Rechtsprechung des BGH betrifft den hier gerade nicht vorliegenden Fall der Eheschließung im Ausland im Wege doppelter bzw. beidseitiger Stellvertretung (sog. Handschuhehe), für den Art. 11 Abs. 3 EGBGB ausdrücklich bestimmt, dass es (entscheidend) auf den Aufenthaltsort des Vertreters bzw. der Vertreter im Zeitpunkt der Abgabe seiner/ihrer Erklärung ankommt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Konstellation einer sogenannten Handschuhehe im Fall der Online-Trauung des Antragstellers nicht vorliegt.

8 Weiter hat das Verwaltungsgericht selbständig tragend festgestellt, einer Anerkennung dieser Online-Trauung stehe selbst bei der Annahme ihrer Formwirksamkeit der ordre-public-Vorbehalt des Art. 6 EGBGB entgegen, weil in dieser Konstellation ein in Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB zum Ausdruck kommender wesentlicher Grundsatz des deutschen Eherechts, wonach eine Ehe im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form, d.h. nach § 1310 Abs. 1 Satz 1, § 1311 Satz 1 BGB höchstpersönlich bei gleichzeitiger Anwesenheit vor einem Standesbeamten, geschlossen werden kann, verletzt. Dem hält die Antragstellerseite entgegen, der Bundesgerichtshof habe in der bereits zitierten Entscheidung vom 29. September 2021 (XII ZB 309/21) selbst eine Handschuhehe für wirksam erachtet, soweit diese nicht gegen den ordre public verstoße, was zum Beispiel der Fall sei, wenn die Ehe gegen den Willen einer zu trauenden Person geschlossen worden sei. Letzteres sei im Fall des Antragstellers offensichtlich nicht der Fall, sodass von einer wirksamen Eheschließung auszugehen sei. Damit wird die Bewertung des Verwaltungsgerichts aber nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Denn das Verwaltungsgericht hat sich nicht darauf beschränkt, die Unvereinbarkeit der ausländischen Rechtsordnung (mögliche Online-Trauung in U.) mit den Grundsätzen des deutschen Rechts festzustellen, sondern weiter begründet, weshalb das konkrete Ergebnis der Anwendung dieses Rechts aus der Sicht des deutschen Eherechts zu missbilligen sei (zu diesen Anforderungen vgl. auch BGH, B.v. 29.9.2021 - XII ZB 309/21 - juris Rn. 32 f.). Dazu verhält sich die Beschwerdebegründung jedoch nicht. [...]