VG München

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Zitieren als:
VG München, Urteil vom 24.03.2022 - M 13 K 18.31589 - asyl.net: M30999
https://www.asyl.net/rsdb/m30999
Leitsatz:

Kein Schutzstatus für junge, gesunde Frau aus Äthiopien:

Einer Zwangsheirat und Genitalverstümmelung auf Veranlassung des Vaters kann sich die Klägerin entziehen, wenn sie ihren Wohnsitz nach Addis Abeba verlagert. Addis Abeba stellt insofern eine inländische Fluchtalternative dar.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Äthiopien, Zwangsehe, Genitalverstümmelung, interne Fluchtalternative, Frauen, geschlechtsspezifische Verfolgung,
Normen: AsylG § 3, AsylG § 4, AufenthG § 60 Abs. 5, AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

(2) Denn jedenfalls ist die von ihrem Vater ausgehende Gefahr eine wenn überhaupt nur lokal bestehende, auf ihren Heimatort und dessen Umgebung begrenzte Bedrohung, derer sich die Klägerin durch Verlagerung ihres Wohnsitzes in andere Landesteile, etwa nach Addis Abeba, entziehen kann. [...]

(b) Was die Gefahr einer Zwangsverheiratung durch ihren Vater sowie einer in diesem Zusammenhang erfolgender Beschneidung betrifft, besteht diese Gefahr überhaupt nur, soweit die Klägerin wieder in ihren Heimatort und zu ihrem Vater und damit in dessen Abhängigkeit bzw. Gewalt zurückkehrt.

Wie bereits die Vergangenheit gezeigt hat, konnte die Klägerin dieser Gefahr allein dadurch entgegen, dass sie sich in Addis Abeba (damals bei ihrem Onkel) niedergelassen hat (welchen sie aus anderen (nämlich wirtschaftlichen) Gründen wieder verlassen musste).

(c) Und auch was die Gefahr einer Beschneidung allgemein (jenseits des eigenen Vaters) betrifft, kann sich die Klägerin dieser ausweislich der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen über den Staat Äthiopien jedenfalls durch Verlagerung ihres Wohnsitzes nach Addis Abeba entziehen. [...]

Des Weiteren bestehen zu Gunsten der Klägerin auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG, EMRK oder nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. [...]

Insbesondere besteht vorliegend – selbst wenn Vater des Sohnes der Klägerin nicht mit nach Äthiopien zurückkehren sollte - nicht die Gefahr, dass die Klägerin nicht in der Lage sein wird, nach einer Rückkehr nach Äthiopien für sich und ihren Sohn das Existenzminimum zu decken – sogleich unter a. sowie b. jeweils unter (1.) [...]

(a) Die Klägerin verfügt über eine dreijährige Schulausbildung in Äthiopien und hat in Deutschland den Hauptschulabschluss erworben. Zudem hat sie in Äthiopien Erfahrung in der Landwirtschaft sowie in Dubai als Haushälterin gesammelt.

Sie spricht neben ihrer Muttersprache Amharisch noch Arabisch sowie Deutsch, was sie im Falle einer Rückkehr ebenfalls gewinnbringend auf dem Arbeitsmarkt einsetzen kann, etwa in der Tourismusindustrie oder als Dolmetscherin / Mitarbeiterin für westliche Hilfsorganisationen oder die deutsche Auslandsvertretung.

Auch ist sie gesund und arbeitsfähig. [...]

(c) Des Weiteren ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin und ihr Sohn im Falle einer freiwilligen Rückkehr auf umfangreiche Leistungen diverser Rückkehrerprogramme zurückgreifen können (https://www.returningformgermany.de/de/programmes; abgerufen am 14.2.2022): [...]

(f) Zudem ist davon auszugehen, dass der Vater des Sohnes der Klägerin diesen und die Mutter zumindest finanziell von Deutschland aus unterstützt. [...]