VG München

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Zitieren als:
VG München, Urteil vom 23.02.2022 - M 22 K 17.46944 - asyl.net: M30998
https://www.asyl.net/rsdb/m30998
Leitsatz:

Anerkannten droht in Litauen keine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 4 GR-Charta:

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die 2021 verabschiedeten Gesetzesverschärfungen für Schutzsuchende in Litauen auch Personen betreffen, denen bereits internationaler Schutz zuerkannt worden ist. Auch die im Vergleich zu Deutschland geringere finanzielle Unterstützung Anerkannter rechtfertigt nicht die Annahme einer drohenden unmenschlichen Behandlung entgegen Art. 4 GR-Charta.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Litauen, internationaler Schutz in EU-Staat,
Normen: AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, GR-Charta Art. 4, EMRK Art. 3
Auszüge:

[...]

2.3. Im Hinblick auf die vorstehend dargestellte Auskunftslage und unter Anwendung der vorgenannten Maßstäbe konnte sich das Gericht nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit verschaffen, dass der Kläger in Litauen grundsätzlich wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen mit beachtlicher, also überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein würde [...].

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass insbesondere die finanzielle Unterstützung in Litauen geringer ausfällt als in Deutschland. Zu berücksichtigen sind an dieser Stelle jedoch die in Litauen im Vergleich zu Deutschland niedrigeren Lebenshaltungskosten. Im Übrigen würde selbst eine fehlende oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten in deutlich eingeschränktem Umfang bestehende Existenzsicherung grundsätzlich noch nicht die Annahme einer Art. 4 GRC widersprechenden Behandlung rechtfertigen [...]. Von einer dem jungen, gesunden und arbeitsfähigen Kläger im Litauen drohenden Situation extremer materieller Not (insbesondere Obdachlosigkeit und Hunger) im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist angesichts der ihm zustehenden Hilfeleistungen insoweit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auszugehen.

Das Gericht übersieht dabei nicht die als Reaktion auf die jüngsten Entwicklungen an der belarussisch-litauischen Grenze erfolgten Änderungen des litauischen Asylrechts im Juli und August 2021 [...].

Am 2. Juli 2021 erklärte der litauische Staat eine "außergewöhnliche Situation durch den Massenzustrom von Ausländern" und verschärfte seine Gesetze zur Freizügigkeit bestimmter Gruppen von Asylsuchenden weitgehend. [...]

Anhaltspunkte dafür, dass von diesen Regelungen zur Einschränkung der Freizügigkeit, die als faktische Inhaftierung der Betroffenen angesehen wird, auch bereits anerkannte international Schutzsuchende erfasst wären, lassen sich den derzeit vorliegenden Erkenntnissen nicht entnehmen. [...]