Ablehnung eines Antrags auf Zulassung der Berufung hinsichtlich der Gruppenverfolgung von LSBTI-Personen in Namibia:
Den im Rahmen des Antrags auf Zulassung der Berufung vorgelegten Berichten lässt sich entnehmen, dass LSBTI- und insbesondere Trans-Personen in Namibia gegenüber heterosexuellen Personen nicht gleichgestellt sind und im gesellschaftlichen Leben diskriminiert werden. Es kommt auch zu Polizeigewalt gegen sie. Die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte lässt sich den Berichten jedoch nicht entnehmen.
(Leitsätze der Redaktion; siehe auch: VG Bremen, Urteil vom 28.01.2022 - 2 K 975/20 - asyl.net: M30442)
[...]
1 Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Der von ihr geltend gemachten Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht ausreichend dargelegt im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG bzw. liegt nicht vor. [...]
3 Die Klägerin möchte als erste grundsätzlich bedeutsame Frage die Tatsachenfrage geklärt wissen,
4 "ob LGBT*-Personen, insb. trans*idente Frauen, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der LGBT*-Personen oder der der trans*identen Weiblichkeiten oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung/Geschlechtsidentität durch nichtstaatliche Akteur*innen wie die namibische Bevölkerung ausgesetzt sind und gegen die sie zu schützen der namibische Staat nicht hinreichend willens oder in der Lage ist bzw. gegen die kein interner Schutz zur Verfügung steht."
5 Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil eine Gruppenverfolgung von Transfrauen, Transgender oder Transsexuellen in Namibia abgelehnt. [...]
6 Der Klägerin ist es nicht gelungen, diese Bewertung des Verwaltungsgerichts anhand neuerer Erkenntnismittel in Frage zu stellen. Zwar hat die Klägerin auf zahlreiche Erkenntnismittel verwiesen, die teilweise nicht vom Verwaltungsgericht angeführt worden sind [...]. Allerdings hat die Klägerin nicht aufgezeigt, inwiefern diese Erkenntnismittel die Annahme stützen, dass eine für die Annahme einer Gruppenverfolgung ausreichende Verfolgungsdichte von "LGBT*-Personen", insb. "trans*identen Frauen", gegeben ist. Den von der Klägerin vorgelegten Berichten lässt sich entnehmen, dass homosexuelle, transsexuelle und transidente Personen in Namibia heterosexuellen Personen nicht gleichgestellt und im gesellschaftlichen Leben zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Auch wird von Polizeigewalt berichtet. Allerdings kann den von der Klägerin angeführten Berichten nicht die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte entnommen werden. [...]
9 Für ebenfalls grundsätzlich bedeutsam hält die Klägerin die weiteren Fragen,
10 "1. ob eine Menschenrechtsverletzung im Sinne des § 3a AsylG oder Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK vorliegt, wenn eine Personenstandsänderung im Herkunftsland für eine Person trotz Transgeschlechtlichkeit nicht erreichbar ist,
11 2. ob die für eine begehrte geschlechtliche Personenstandsänderung vorausgesetzte geschlechtsangleichende Operation eine Menschenrechtsverletzung im Sinne des § 3a AsylG oder Art. 3 EMRK darstellt."
12 Der ersten der beiden Fragen kommt deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie nicht allgemein fallübergreifend geklärt werden kann. Dies gilt auch, wenn man die Frage – wie von der Klägerin gemäß ihren weiteren Ausführungen auch beabsichtigt – nicht auf jedes erdenkliche Herkunftsland, sondern allein auf die Situation in Namibia bezieht. [...]
16 Danach kann eine Personenstandsänderung in Namibia immer dann unproblematisch durchgesetzt werden, wenn eine geschlechtsangleichende Operation durchgeführt worden ist. Ob auch andere Methoden – etwa eine rein hormonelle Geschlechtsangleichung – ebenfalls als "change of sex" anerkannt werden, lässt sich dem angeführten Erkenntnismittel nicht entnehmen, ist aber auch nicht auszuschließen. Ob eine transgeschlechtliche Person willens ist und über ausreichende finanzielle Mittel und Kontakte verfügt, um einen in den Augen der namibischen Behörden ausreichenden "change of sex" durchzuführen und damit eine Personenstandsänderung durchzusetzen, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die keiner allgemeinen Klärung zugänglich ist. [...]
18 Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 ff. AsylG – wie auch des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG und eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG – setzt voraus, dass dem Asylsuchenden eine Rechtsgutverletzung von erheblichem Gewicht bei der Rückkehr in das Herkunftsland konkret droht. Der faktische Zwang zur Durchführung einer geschlechtsangleichenden Operation als Voraussetzung einer begehrten geschlechtlichen Personenstandsänderung würde die Klägerin allerdings bei ihrer Rückkehr nach Namibia nicht konkret mit einer erheblichen Rechtsgutverletzung bedrohen, weil sie selbst diese Operation gerade wünscht. [...]
20 Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts und dem Vortrag der Klägerin im Gerichtsverfahren ergibt sich eindeutig, dass es dem Wunsch der Klägerin entspricht, eine operative Geschlechtsangleichung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass die Klägerin sich für eine Einreise nach Deutschland mit einem Visum entschieden habe, um in ein Land zu gelangen, in dem Geschlechtsangleichungen und zugehörige Behandlungen von der Krankenkasse abgedeckt werden können. [...]