LG Göttingen

Merkliste
Zitieren als:
LG Göttingen, Beschluss vom 26.09.2022 - 4 T 9/22 - asyl.net: M30953
https://www.asyl.net/rsdb/m30953
Leitsatz:

Zurückverweisung an Amtsgericht wegen Verletzung rechtlichen Gehörs:

Wird mit Einlegung der Haftbeschwerde ausdrücklich Akteneinsicht beantragt und eine Begründung der Beschwerde nach Akteneinsicht angekündigt, ist zunächst Akteneinsicht zu gewähren und - ggf. unter Fristsetzung - Gelegenheit zur Begründung der Beschwerde zu geben. Lehnt das Amtsgericht die Beschwerde hingegen mit Verweis auf die fehlende Begründung schon vorher ab, führt sie das Beschwerdeverfahren ad absurdum und verletzt Betroffene in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Akteneinsicht, Beschwerde, Begründungserfordernis, Beschwerdebegründung, rechtliches Gehör,
Normen: FamFG § 68, AufenthG § 62, GG Art. 103 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die Sache war zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Abhilfeverfahrens an das Amtsgericht zurückzugeben, weil der Nichtabhilfebeschluss vom 16.09.2022 an einem schweren Mangel leidet.

Bei schweren Mängeln des Nichtabhilfeverfahrens kann die Sache an das Erstgericht zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens zurückgegeben werden (Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG - Freiwillige Gerichtsbarkeit, 12. Auflage 2019, § 68 Rn. 3; OLG München, a.a.O., Rn. 7, juris). Der Nichtabhilfebeschuss leidet unter einem schweren Mangel, weil er unter Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen ergangen ist.

Der Bevollmächtigte der Betroffenen hatte mit Einlegung der Beschwerde ausdrücklich Akteneinsicht beantragt und die Begründung der Beschwerde nach Akteneinsicht angekündigt, sodass ihm zunächst Akteneinsicht zu gewähren und Gelegenheit zur Begründung der Beschwerde zu geben war, bevor das Amtsgericht unter Berücksichtigung der zu erwartenden Beschwerdebegründung über die Abhilfe entscheiden durfte. [...]

Unterbleibt die Begründung der Nichtabhilfeentscheidung wie hier unter Hinweis auf das (bisherige) Fehlen einer Begründung der Beschwerde, obwohl eine solche zu angekündigt ist, wird das Abhiifeverfahren ad absurdum geführt. Dem Beschleunigungsgebot hat kann das Amtsgericht durch unverzügliche Gewährung der Akteneinsicht und das Setzen einer kurzen Begründungsfrist Rechnung tragen. Die vorliegende Vorgehensweise des Amtsgerichts führt stattdessen zu einer "Überbeschleunigung" und hat eine Verkürzung des Abhilfeverfahrens zulasten der Betroffenen zwingend zur Folge. [...]