Einbürgerung trotz unterstellter Unterstützung der PKK:
1. Die PKK verfolgt gemäß § 11 S. 1 Nr. 1 StAG einbürgerungsschädliche Ziele, nämlich die Gefährdung auswärtiger Belange der Bundesrepublik Deutschland durch die Aufrechterhaltung militärischer Kampfeinheiten im kurdischen Siedlungsgebiet der Türkei.
2. In einem Interview mit einer mutmaßlich PKK-nahen Zeitung geäußerte Sympathiebekundungen für Abdullah Öcalan, die im Kontext der Kritik an seiner Isolationshaft erfolgen, lassen nicht zwingend auf eine inhaltliche Befürwortung der einbürgerungsschädlichen Ziele der PKK schließen. Selbst wenn sich aus dem Interview eine einmalige Unterstützungshandlung zugunsten der PKK ergäbe, würde diese einen Einbürgerungsausschluss erst dann rechtfertigen, wenn damit die Erheblichkeitsschwelle überschritten wäre.
3. Aus der Unterstützung einer nicht ausdrücklich verbotenen Organisation (hier die Studierendenorganisation YXK/JXK) kann, selbst wenn diese der PKK nahestehen sollte, nicht auf die Unterstützung der einbürgerungsschädlichen Ziele der PKK geschlossen werden. Es liegt auf der Hand, dass das "Liken" von Seiten der kurdischen Studierendenbewegung auf Facebook den Schluss auf eine Unterstützung der inkriminierten Ziele der PKK nicht zulässt.
(Leitsätze der Redaktion; vorgehend: VG Bremen, Urteil vom 20.09.2021 - 4 K 2500/19 - asyl.net: M30433)
[...]
1. Die Beklagte wendet sich gegen die durch das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ausgesprochene Verpflichtung, die Klägerin in die deutsche Staatsangehörigkeit einzubürgern.
Die Klägerin, eine 1989 geborene türkische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit, beantragte am 04.12.2017 ihre Einbürgerung. Diesen Antrag lehnte das Migrationsamt der Beklagten nach Durchführung eines Sicherheitsgesprächs mit Bescheid vom 02.10.2019 ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass die Einbürgerung nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ausgeschlossen sei. Es lägen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin die Ziele und Bestrebungen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK unterstützt habe. Dabei nahm sie auf Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz unter anderem dazu Bezug, dass die Klägerin auf ihrem privaten Facebook-Account die Seiten verschiedener Regionalverbände der kurdischen Studierendenorganisation YXK/JXK, die der PKK zuzuordnen sei, mit "Gefällt mir" markiert hatte. Eine Unterstützung sah sie weiter deswegen als gegeben an, weil in der kurdischen Zeitung "Newaja Jin" im August 2018 ein Beitrag veröffentlicht worden war, in welchem die Klägerin im Rahmen eines Kurzinterviews Abdullah Öcalan als "unseren Führer" bezeichnet und weiter Kritik an dessen Haftbedingungen sowie an dem politischen Umgang Europas mit den Kurden geäußert hatte.
Auf die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte durch Urteil vom 21.09.2021 verpflichtet, die Klägerin in die deutsche Staatsangehörigkeit einzubürgern. Hiergegen hat die Beklagte die Zulassung der Berufung beantragt. [...]
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor bzw. sind nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. [...]
aa. Ausdrücklich greift die Beklagte als ernstlich zweifelhaft lediglich die Erwägung des Verwaltungsgerichts an, wonach sich aus den Äußerungen der Klägerin im August 2018 im Rahmen des Kurzinterviews mit der kurdischen Zeitung "Newaja Jin" keine tatbestandsmäßige Unterstützungshandlung ergäbe. [...]
Das Verwaltungsgericht hat - soweit durch die Beklagte angegriffen - angenommen, dass sich den getätigten Äußerungen, insbesondere der Bezeichnung Abdullah Öcalans als "unser Führer", eine gewisse Sympathie für die Organisationsstruktur der PKK und eine Identifikation mit der genannten Person entnehmen lasse. Die Äußerungen seien jedoch im Lichte der weiteren Ausführungen der Klägerin zu sehen, die sich auf eine Kritik an den Haftbedingungen Öcalans beschränke. Damit werde einem politisch und menschenrechtlich begründbaren Standpunkt Ausdruck verliehen, der weit über die Organisations- und Unterstützungskreise der PKK hinaus vertreten werde. [...]
Diese Würdigung des Verwaltungsgerichts beanstandet die Beklagte erfolglos. [...]
Das Verwaltungsgericht hat durchaus in Rechnung gestellt, dass die Klägerin mit ihren Äußerungen Sympathien gegenüber Öcalan bekundet hat. Es hat lediglich aus dem Kontext der Äußerung - nämlich das Rekurrieren auf die Isolationshaft Öcalans und mögliche Menschenrechtsverletzungen während der Haft - angenommen, dass daraus noch nicht auf eine inhaltliche Befürwortung auch der nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG einbürgerungsschädlichen Ziele der Organisation zu schließen sei. Das stellt eine vertretbare Würdigung der Äußerungen dar.
Einzelne Unterstützungshandlungen zugunsten einer Organisation hindern als tatsächliche Anhaltspunkte die Einbürgerung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zudem nur und erst dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet sind, eine dauernde Identifikation des Ausländers oder der Ausländerin mit den unzulässigen Bestrebungen dieser Organisation zu indizieren [...]. Selbst wenn sich aus dem kurzen Interview der Klägerin in einem PKK-nahen Presseerzeugnis eine einmalige Unterstützungshandlung zugunsten der PKK ergäbe, würde diese den Einbürgerungsausschluss erst dann rechtfertigen, wenn damit die Erheblichkeitsschwelle überschritten wurde. Dies liegt angesichts des Kontextes der Äußerung, die sich jedenfalls mit der Kritik an den Haftbedingungen Öcalans und der aus Sicht der Klägerin unzureichenden Unterstützung der in der Türkei lebenden Kurden durch die europäischen Staaten auf zulässige, von der Meinungsfreiheit ohne weiteres gedeckte Standpunkte bezieht, nicht auf der Hand. [...]
bb. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung folgen schließlich auch nicht aus dem bei wohlwollender Auslegung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, juris Rn. 25 m.w.N.) auch dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzuordnenden Einwand der Beklagten, die Klägerin habe durch die "Gefällt mir"-Markierungen der Seiten verschiedener Regionalverbände der YXK/JXK Unterstützungshandlungen zugunsten der PKK vorgenommen. [...]
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass das passive Abonnieren bzw. "Liken" der Facebook-Seite der YXK/JXK, die selbst weder als Nachfolge- noch als Unterorganisation der PKK verboten sei, nicht als tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG zu werten seien, da es insoweit erkennbar an einem hinreichend konkreten Bezug zu den inkriminierten Bestrebungen der PKK fehle. Die kurdische Studierendenorganisation der YXK/JXK werde in Berichten der Landesämter und des Bundesamtes für Verfassungsschutz zwar als eine der PKK nahestehende "Massenorganisation" bezeichnet, deren Bedeutung auch der in der mündlichen Verhandlung vernommene Zeuge verdeutlicht habe. Die genannten Organisationen würden nach Angaben des Zeugen jedoch auch rein kulturelle Veranstaltungen und soziale Angebote durchführen. Vor dem Hintergrund ihrer gemischten Zwecksetzung könne von einer etwaigen Unterstützung der YXK/JXK nicht zugleich und ohne Weiteres auf eine Unterstützung der inkriminierten Bestrebungen der PKK geschlossen werden. [...]
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass aus der Unterstützung einer nicht ausdrücklich verbotenen Organisation, selbst wenn sie der PKK nahesteht, nicht automatisch auf eine Unterstützung der einbürgerungsschädlichen Ziele der PKK, namentlich die Gefährdung auswärtiger Belange der Bundesrepublik Deutschland durch die Aufrechterhaltung militärischer Kampfeinheiten im kurdischen Siedlungsgebiet der Türkei, geschlossen werden kann (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 18.05.2022 - 2 LC 334/20, juris Rn. 88 betreffend die Unterstützung der syrischen PYD). In diesem Fall bedarf es vielmehr der einzelfallbezogenen Würdigung von Bedeutungsgehalt und Reichweite der jeweiligen Unterstützungshandlungen unter Auswertung der Kenntnis- und Motivlage der Einbürgerungsbewerberin (OVG Bremen, Urt. v. 18.05.2022- 2 LC 334/20, a.a.O.). Es liegt auf der Hand, dass das "Liken" von Seiten der kurdischen Studierendenbewegung für sich betrachtet den Schluss auf eine Unterstützung der inkriminierten Ziele der PKK nicht zulässt. [...]