VG Gelsenkirchen

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Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 11.05.2022 - 18a K 759/22.A - asyl.net: M30920
https://www.asyl.net/rsdb/m30920
Leitsatz:

Kosten des Verfahrens sind nach Ablauf der Überstellungsfrist regelmäßig dem BAMF aufzuerlegen:

"Erledigendes Ereignis hinsichtlich eines Dublin-Bescheids mit Abschiebungsanordnung bei Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO und sich anschließender Bescheid­aufhebung ist nicht der Ablauf der Überstellungsfrist als solcher, sondern die anschließende Bescheid­aufhebung.

Wird ein ablehnender Dublin-Bescheid nach Ablauf der Überstellungsfrist durch die Beklagte aufgehoben, entspricht es regelmäßig der Billigkeit, ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Überstellungsfrist, Fristablauf, Erledigung, Verfahrenskosten, Anwaltsgebühren, Ablauf der Überstellungsfrist, Erledigung der Hauptsache, Aufhebungsbescheid,
Normen: VO 604/2013 Art. 29 Abs. 2 S. 1, VwGO § 161 Abs. 2 S. 1, VwGO § 92 Abs. 3
Auszüge:

[...]

Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne die Erledigung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 2017 – 1 C 9.16 –, juris, Rn. 7).

a) Hiervon ausgehend entspricht es billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. [...]

Erledigendes Ereignis ist vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten nicht das mit Ablauf des 22. April 2022 eingetretene Ende der sechsmonatigen Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), sondern die nachfolgend mit Schriftsatz vom 25. April 2022 durch sie erfolgte Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 1. Februar 2022.

Denn die unter Anordnung der Abschiebung erfolgte Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig wegen anderweitig bestehender internationaler Zuständigkeit und die zugehörige Abschiebungsanordnung werden nach Ablauf der Überstellungsfrist zwar rechtswidrig. [...]

Im Zeitpunkt der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides wäre die Beklagte demnach voraussichtlich unterlegen gewesen. [...]

b) Für die getroffene Billigkeitsentscheidung spricht weiter, dass die Gründe für die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids in der Sphäre der Beklagten lagen. Die sechsmonatige Überstellungsfrist ist abgelaufen, ohne dass die Klägerin nach Spanien überstellt worden wäre. Die Klägerin hat sich ihrer Abschiebung nach Spanien auch nicht durch Flucht oder Untertauchen entzogen. Damit ist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens auf die Beklagte übergegangen und der streitgegenständliche Bescheid insoweit rechtswidrig geworden. [...]

d) Entgegen der vom Bundesamt in dessen Schriftsatz vom 25. April 2022 geäußerten Auffassung war auch dieses und nicht die Ausländerbehörde und die Polizei für die Abschiebung der Klägerin zuständig. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass insbesondere den Ausländerbehörden im Rahmen des Erlasses und Vollzugs von Abschiebungsanordnungen nach § 34a AsylG keine eigenen Prüfungs- und  Entscheidungskompetenzen zugewiesen sind. Zwar unterstützen die örtlich zuständigen Ausländer- und Polizeibehörden das Bundesamt in den Fällen des § 34a Abs. 1 AsylG bei der Durchführung von Abschiebungen, diese werden insofern aber nur im Wege der Amtshilfe tätig (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Februar 2019 – 11 S 401/19 –, juris, Rn. 9; sowie VG Aachen, Beschluss vom 19. Februar 2021 – 4 L 108/21 –, juris, Rn. 10; VG Ansbach, Beschluss vom 21. April 2021 – AN 17 20.50062 –, juris, Rn. 5). [...]