Eilrechtsschutz gegen Asylantragsablehnung als "offensichtlich unbegründet" für homosexuellen Mann aus dem Senegal:
1. Homosexuelle bilden gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG im Senegal eine soziale Gruppe, weil sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werden.
2. LSBTI-Personen sind im Senegal in der Öffentlichkeit und im familiären Rahmen Diskriminierungen ausgesetzt, die von verbalen Anfeindungen und Drohungen bis hin zu körperlicher Gewalt reichen. Zudem sind gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen strafbar und kommt es zu Strafverfolgung.
3. Dem Antragsteller droht deshalb aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung, so dass die durch § 29a Abs. 1, Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage II AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung im Senegal als "sicheren Herkunftsstaat" erschüttert ist.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Gemessen daran hat der Antrag hier Erfolg, denn das Gericht hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der unter Ziffer 5 des Bescheides vom 22. April 2022 verfügten Ausreise und der enthaltenen Abschiebungsandrohung. [...]
1. Es bestehen ernstliche Zweifel hinsichtlich der Entscheidung des Bundesamts, den geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abzulehnen, da der Antragsteller behauptet, homosexuell zu sein und gleichgeschlechtliche Handlungen im Senegal strafbar sind und auch verfolgt werden und Homophobie in der Gesellschaft weit verbreitet Ist.
Nach Art. 16a Abs. 3 und 4 GG i. V. m. § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die vom Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Dies gelingt dem Antragsteller. [...]
Der Antragsteller hat die durch § 29a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung durch den schlüssigen Vortrag von Verfolgungstatsachen erschüttern können.
Homosexualität stellt einen anerkannten Verfolgungsgrund gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar. Homosexuelle bilden im Senegal eine "soziale Gruppe", weil sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werden. Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen wird unzweifelhaft deutlich, dass LGBTI-Personen Im Senegal aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in der Öffentlichkeit und im familiären Rahmen Diskriminierungen ausgesetzt sind, die von verbalen Anfeindungen und Drohungen bis hin zu körperlicher Gewalt reichen. Zudem sind gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen nach Art. 319 Abs. 3 SenStGB strafbar (Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des§ 29a AsylG vom 4. Mai 2021, Seite 14).
Dem Antragsteller droht aufgrund seiner behaupteten Zugehörigkeit zu dieser Gruppe voraussichtlich auch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung. [...]
Allein der Umstand, dass der Antragsteller nach seinem Vortrag homosexuell ist, begründet noch nicht die Annahme, ihm drohe abweichend von der allgemeinen politischen Lage im Senegal politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 GG, § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG. [...] Dagegen ist eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind und die im Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird, als unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung zu betrachten und stellt somit eine Verfolgungshandlung dar (EuGH, a.a.O.).
Nach Art. 319 Abs. 3 SenStGB sind gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen im Senegal strafbar. [...]
Wie oben bereits ausgeführt ist Homophobie in der senegalesischen Gesellschaft verbreitet, weshalb LGBTI-Personen in der Öffentlichkeit und im familiären Rahmen Diskriminierungen in Form von Anfeindungen und Drohungen bis hin zu körperlicher Gewalt ausgesetzt sind. [...]
Der Antragsteller kann auch nicht darauf verwiesen werden, aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der weit verbreiteten Vorbehalte in der Bevölkerung seine sexuelle Orientierung zu verbergen, um Verfolgungshandlungen seitens des Staates oder der Gesellschaft zu entgehen. [...]
Es ist auch nicht ersichtlich, dass hinsichtlich der Situation Homosexueller im Senegal regionale Unterschiede bestehen, sodass ein interner Schutz nach § 3e AsylG ausscheidet. [...]