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VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.04.2022 - A 12 S 3565/21 - asyl.net: M30608
https://www.asyl.net/rsdb/m30608
Leitsatz:

Gegenvorstellung nach Ablehnung eines Beweisantrages im Asylverfahren Voraussetzung für Gehörsrüge:

"Eine Gegenvorstellung gegen die Ablehnung eines Beweisantrages ist jedenfalls dann zumutbar und erforderlich, wenn der - anwaltlich vertretene - Prozessbeteiligte erkennt, dass das Gericht seinen Beweisantrag als unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag ablehnt mit der Begründung, für den Wahrheitsgehalt der Beweistatsache spreche nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit. In diesen Fällen muss der anwaltlich vertretene Kläger bei Ablehnung eines Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung nach Abgabe der Begründung - zu Protokoll - Gegenvorstellung erheben und bezogen auf die vom Verwaltungsgericht mitgeteilte Ablehnungsbegründung die aus seiner Sicht maßgebenden Gründe für die Prozessordnungswidrigkeit der Beweisablehnung konkret aufzeigen."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Asylverfahrensrecht, Beweisantrag, Gegenvorstellung, mündliche Verhandlung, Berufungszulassungsantrag, rechtliches Gehör,
Normen: AsylG § 78 Abs. 4 Satz 4, AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, VwGO § 138 Nr. 3, GG Art. 103 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die Gehörsrüge scheitert jedenfalls daran, dass der Kläger keine Gegenvorstellung erhoben hat. Wie bereits ausgeführt, ist Voraussetzung einer begründeten Gehörsrüge die (erfolglose) Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs kann sich nicht berufen, wer die im konkreten Fall gegebenen prozessualen Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, nicht genutzt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.08.2008 - 1 B 3.08 -, juris Rn. 9). [...]

In diesem Sinne ist eine Gegenvorstellung gegen die Ablehnung eines Beweisantrages aber jedenfalls dann zumutbar und erforderlich, wenn der - anwaltlich vertretene - Prozessbeteiligte erkennt, dass das Gericht seinen Beweisantrag als unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag ablehnt mit der - wie hier der Sache nach geschehen - Begründung, für den Wahrheitsgehalt der Beweistatsache spreche nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit. In diesen Fällen muss der - wie hier - anwaltlich vertretene Kläger bei Ablehnung eines Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung nach Abgabe der Begründung - zu Protokoll - Gegenvorstellung erheben und bezogen auf die vom Verwaltungsgericht mitgeteilte Ablehnungsbegründung die aus seiner Sicht maßgebenden Gründe für die Prozessordnungswidrigkeit der Beweisablehnung konkret aufzeigen. [...]

Entgegen der Behauptung des Klägers ist insbesondere nicht ersichtlich, dass eine Gegenvorstellung vorliegend entbehrlich gewesen wäre. Der Kläger trägt insoweit vor, einer Gegenvorstellung gegen die Ablehnung der Beweisanträge habe es unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht bedurft. Er habe die zum Beweis gestellten Tatsachen bereits frühzeitig mit Schriftsatz vom 22.10.2018 in das Verfahren eingeführt. Das Verwaltungsgericht habe ausreichend Zeit gehabt, sich mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen und die Ausübung seiner richterlichen Aufklärungspflicht zu prüfen. Die Beweisanträge hätten dem Verwaltungsgericht dieses Vorbringen in Erinnerung gerufen. [...]

Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Zwar mag der Kläger die unter Beweis gestellten Tatsachen frühzeitig, nämlich mit Schriftsatz vom 22.10.2018, in das Verfahren eingeführt haben. Da der Eingang dieses Schriftsatzes im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aber bereits mehrere Jahre zurücklag, erscheint es nicht von vorneherein aussichtslos, auf diese Umstände nochmals ausdrücklich hinzuweisen, insbesondere wenn aus Sicht des Klägers erkennbar wird, dass die eher kurzgefassten Beweisanträge nicht die erhoffte Erinnerungsfunktion gehabt haben. [...]