OLG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.11.2021 - 20 W 305/20 - asyl.net: M30585
https://www.asyl.net/rsdb/m30585
Leitsatz:

Anweisung zur Beurkundung der Geburt:

"Ist die Vaterschaftsanerkennung eines deutschen Mannes betreffend das Kind einer ghanaischen Mutter notariell beurkundet worden, kann das Standesamt die Eintragung in das Geburtenregister nicht mit der Begründung verweigern, es bestehe der Verdacht der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft"

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Geburtsurkunde, Vaterschaftsanerkennung, Rechtsmissbrauch, missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft, notarielle Beurkundung, Geburtenregister, Standesamt,
Normen: BGB § 1592 Nr. 2, BGB § 1598 Abs. 1, BGB § 1597a Abs. 3, AufenthG § 85a,
Auszüge:

[...]

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden.

Der Kindesvater der Betroffenen ist aufgrund des vorgelegten notariell beurkundeten Vaterschaftsanerkenntnisses vom 30.08.2019 nach § 1592 Nr. 2 BGB als deren Vater anzusehen und deshalb als solcher - hierauf bezogen sich ausweislich des Vorlageschreibens des Standesamts vom 15.11.2019, Seite 4 (Bl. 5 d. A.) dessen Zweifel - in das Geburtenregister einzutragen, woraus sich die Anordnung im angefochtenen Beschluss rechtfertigt.

Das Amtsgericht durfte sich insoweit zur Begründung auf den zitierten Beschluss des Senats vom 19.09.2019, 20 W 311/18 (veröffentlicht etwa bei juris; vgl. hierzu auch Stockmann, jurisPR-FamR 14/2020 Anm. 5; Staudinger/Seibl/Fischinger/Hengstberger, BGB, 2021, § 134 Rz. 298c; Hessischer Verwaltungsgerichtshof InfAuslR 2021, 278, Tz. 27 bei juris) beziehen, der sich auf einen vergleichbaren Sachverhalt bezieht und der von der Betroffenen in der ersten Instanz vorgelegt worden war. Standesamt und Standesamtsaufsicht ist dieser Beschluss bekannt, wie sich aus dem Schreiben des Standesamts vom 12.06.2020 (Bl. 91 d. A.) ergibt. Beide Behörden waren im Übrigen an jenem Verfahren beteiligt. Der Senat hält an der in jenem Beschluss dargelegten Rechtsauffassung fest.

Der Senat hat dort ausgeführt, dass gemäß § 1598 Abs. 1 BGB die Anerkennung der Vaterschaft nur dann unwirksam ist, wenn sie den Erfordernissen nach § 1594 Abs. 2 bis 4 und der §§ 1595 bis 1597 BGB nicht genügt oder entgegen § 1597a Abs. 3 BGB während der Aussetzung der Beurkundung vor einer anderen beurkundenden Behörde gemäß § 1597a Abs. 2 S. 1 BGB erfolgt ist. Bei § 1598 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine Spezialregelung, durch welche die Gründe, die zu einer Unwirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung führen können, abschließend auf die dort ausdrücklich genannten Gründe bzw. Rechtsverletzungen beschränkt werden. Mit dieser Regelung soll im Interesse der rechtspolitisch erwünschten baldigen und endgültigen Klarstellung des Status des Kindes und einer diesbezüglichen Rechtssicherheit die Anwendbarkeit aller anderen allgemeinen Unwirksamkeitsgründe ausgeschlossen werden. Damit sind insbesondere die Regelungen des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln nach §§ 116 bis 119 und 123 BGB sowie wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB oder einer Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nicht anwendbar (vgl. dazu die Nachweise im zitierten Beschluss, Tz. 17 bei juris).

Unwirksamkeitsgründe nach den in § 1598 Abs. 1 BGB ausdrücklich aufgeführten Vorschriften waren jedoch dort und sind auch im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Zwar ist in § 1597a Abs. 1 BGB bestimmt, dass die Vaterschaft nicht gezielt gerade zu dem Zweck anerkannt werden darf, die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes, des Anerkennenden oder der Mutter zu schaffen, auch nicht, um die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes durch den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 S. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu schaffen (missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft).

Ob - wie in jenem Fall - auch vorliegend konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer derartigen missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft vorliegen, ist im gegebenen Zusammenhang aus Rechtsgründen jedoch unerheblich.

Der Senat hat in jenem Beschluss zur Begründung ausgeführt (Tz. 21 bei juris), dass der Gesetzgeber mit der durch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20.07.2017 (BGBl. I S. 2780) eingeführten Neuregelung des § 1597a BGB auf die vorausgegangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2013 reagiert hat, mit welcher die durch das Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13.03.2008 (BGBl. I S. 313) mit Wirkung zum 01.06.2008 neu eingeführte Regelung eines behördlichen Rechts zur Anfechtung eines Vaterschaftsanerkenntnisses in § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB a.F. für verfassungswidrig und nichtig erklärt worden war. Dabei hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 1597a BGB bewusst einen präventiven Ansatz gewählt, um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen bereits im Vorfeld mithilfe einer Missbrauchskontrolle durch die Ausländerbehörde zu verhindern; damit soll erreicht werden, dass die daran anknüpfenden statusrechtlichen Folgen erst gar nicht zur Entstehung gelangen (vgl. BT-Drucks. 18/12415 S. 1/16). Zu diesem Zweck wurde deshalb eine Verpflichtung der mit der Beurkundung von Vaterschaftsanerkenntnissen befassten Behörden und Notare zur Aussetzung des Beurkundungsverfahrens eingeführt, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft im Sinne des § 1597a Abs. 1 BGB bestehen, für deren Vorliegen zugleich - allerdings nicht abschließend - enumerativ in § 1597 Abs. 2 S. 2 Nr. 1-5 BGB typische Anzeichen aufgelistet werden. Zugleich ist das Bestehen konkreter Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft nach Anhörung des Anerkennenden und der Mutter der nach § 85a AufenthaltsG zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, welche sodann nach § 1597a Abs. 3 S. 4 BGB festzustellen hat, ob eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft in diesem Sinne vorliegt und eine Beurkundung deshalb zu unterbleiben hat. Ist diese Entscheidung der Ausländerbehörde unanfechtbar, so ist die Beurkundung abzulehnen.

Über das präventive Aussetzungsverfahren hinausgehende Rechtsfolgen hat der Gesetzgeber aber gerade nicht vorgesehen. Insbesondere wird in der Spezialregelung des § 1598 Abs. 1 BGB bei der Aufzählung der Unwirksamkeitsgründe nur auf die Absätze 3 und 4 des § 1597a BGB verwiesen, nicht jedoch auf dessen Absatz 1. Zudem wurde ein zusätzliches Verfahren zur Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung im Sinne des § 1597a Abs. 1 BGB durch das Standesamt bei der Eintragung des Vaters in das Geburtenregister nicht vorgesehen. Dabei ist der  Gesetzesbegründung eindeutig zu entnehmen, dass es sich hierbei nicht um ein bloßes Versehen des Gesetzgebers gehandelt haben kann. Denn in der Begründung zur entsprechenden Änderung des § 1598 BGB im Entwurf des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht ist ausdrücklich erläutert, dass die Unwirksamkeit in diesem Zusammenhang auf die Fälle der Verletzung der Verfahrensvorschriften der Abs. 3 und 4 des § 1597a BGB beschränkt sein soll. Wörtlich ist dort weiter ausgeführt: "Hat dagegen die Ausländerbehörde oder die Auslandsvertretung festgestellt, dass eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung oder Zustimmung nicht vorliegt oder hat die beurkundende Behörde oder die Urkundsperson keine konkreten Anhaltspunkte für einen Missbrauch festgestellt und ist deshalb die Beurkundung vorgenommen worden, so bleiben die Anerkennung und die Zustimmung auch dann wirksam, wenn später konkrete Anhaltspunkte dafür bekannt werden, dass sie entgegen Abs. 1 missbräuchlich gewesen sein könnten." Nach der derzeit bestehenden Gesetzeslage bleiben die Vaterschaftsanerkennung und die hierzu erteilte Zustimmung somit auch dann wirksam, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft gemäß § 1597a Abs. 1 BGB erst nach Vornahme der Beurkundung zu Tage treten oder der diesbezügliche Sachverhalt vom Standesamt anders als durch die Urkundsperson beurteilt wird (vgl. dazu die Nachweise bei Senat, a.a.O., Tz. 22 bei juris). Das zweistufige Verfahren vor der Urkundsperson und der Ausländerbehörde betrifft ausschließlich den Zeitraum vor der Eintragung im Geburtenregister (vgl. auch Grziwotz DNotZ 2019, 692, 694).

Allerdings ist auf die mangelnde Effektivität der derzeit bestehenden gesetzlichen Regelung zur Verhinderung von Vaterschaftsanerkenntnissen zum Zwecke der Erreichung aufenthaltsrechtlich motivierter Ziele bereits in Literatur und Rechtsprechung mehrfach mit überzeugenden Argumenten hingewiesen worden (vgl. auch insoweit die Nachweise bei Senat, a.a.O., Tz. 23 bei juris; weitere Nachweise bei Stockmann, a.a.O.; Grziwotz DNotZ 2019, 692). Gleichwohl ist nach der bestehenden Gesetzeslage die im vorliegenden Fall bereits erfolgte, formell ordnungsgemäß beurkundete und nach § 1598 Abs. 1 BGB nicht unwirksame Anerkennung der Vaterschaft vom Standesamt in das Geburtenregister einzutragen, so dass auf die vorliegende Zweifelsvorlage eine entsprechende Anweisung zu erfolgen hatte.

Der Senat hält auch für die vorliegende Sachverhaltsgestaltung an diesen begründenden Ausführungen des Beschlusses vom 19.09.2019 fest. Die Beschwerde setzt sich - wie die Betroffene im Beschwerdeverfahren  zu Recht rügt - mit dieser Begründung denn auch in keiner Weise auseinander, so dass es insoweit einer weitergehenden Begründung des Senats hier nicht bedarf. Soweit Standesamt und Standesamtsaufsicht in erster Instanz einen wesentlichen Unterschied zur Sachverhaltsgestaltung des Beschlusses vom 19.09.2019 darin gesehen haben, dass vorliegend der Notar gegen seine Verpflichtung zur Prüfung gemäß § 1597a  BGB verstoßen habe - seinerzeit hatte die Notarin im Wesentlichen erklärt, sich an den Vorgang nicht erinnern zu können (Tz. 4 bei juris) -, rechtfertigt dies zur Überzeugung des Senats keine andere Beurteilung. Zum einen hat der Notar ausweislich seines Schreibens vom 31.10.2019 die ihm vorliegenden Unterlagen (Reisepass, Seite 1) und ihm gegenüber gemachten Angaben (Seite 2) durchaus insoweit einer Prüfung unterzogen, als daraus der Schluss auf einen Verdacht einer rechtsmissbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft nicht erhärtet oder bestätigt wurden. Zum anderen ist in Kommentierung des zitierten Senatsbeschlusses zu Recht darauf hingewiesen worden, dass seitens des Deutschen Notarinstituts (vgl. DNotI-Report 2017,153) zwar vorgeschlagen werde, die Beteiligten zu Erklärungen betreffend die in § 1597a Abs. 2 Satz 2 BGB aufgelisteten Fallgestaltungen zu veranlassen, das Gesetz der Urkundsperson aber keine Verpflichtung auferlegt, den Sachverhalt zu ermitteln oder entsprechende Nachfragen zu stellen (vgl. Stockmann, a.a.O.). Die auch hieraus zu entnehmende mangelnde Effektivität der derzeit bestehenden gesetzlichen Regelung zur Verhinderung von Vaterschaftsanerkenntnissen zum Zwecke der Erreichung aufenthaltsrechtlich motivierter Ziele ändert aus den oben genannten Gründen an der rechtlichen Würdigung mithin nichts. [...]