Anweisung zur Eheschließung zweier anerkannter Flüchtlinge aus Eritrea trotz fehlender Identitätsdokumente:
"1. Im Unterschied zur Beurkundung anderer Personenstandsfälle, wie Geburt oder Sterbefall, ist es im Falle der Eheschließung nicht ausreichend, Personenstandsdaten der Betroffenen unter Hinzufügung von Zweifelszusätzen zu beurkunden. (Rn.8)
2. Können die Ehewilligen ihre Identität nicht durch öffentliche Urkunden nachweisen oder ist ihnen die Beschaffung von Urkunden nicht zuzumuten, gebietet es letztlich die grundrechtlich über Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit, dass erforderliche Nachweise auch durch eidesstattliche Versicherungen der Betroffenen bzw. dritter Personen geführt werden können [...]. (Rn.8)
3. Im gerichtlichen Verfahren nach § 49 Abs. 1 PStG kommt darüber hinaus auch die Durchführung einer förmlichen Beweisaufnahme in Betracht, welches die eidliche Vernehmung von Zeugen zur Identifizierung der Beteiligten eröffnet. (Rn.8)
4. Einem anerkannten Flüchtling mit dem Status nach § 3 AsylG ist es nicht zuzumuten, Ausweispapiere zum Nachweis seiner Identität von der diplomatischen Vertretung seines Heimatstaates zu besorgen. Anders als bei geflüchteten Ausländern, denen lediglich subsidiärer Schutz nach § 4 AsylG gewährt wird, der nicht notwendig eine staatliche Verfolgung voraussetzt, kommt eine individuelle Zumutbarkeitsprüfung wegen der Rechtsfolgen von § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG bei Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen nach § 3 AsylG von vornherein nicht in Betracht. (Rn.13)"
(Amtliche Leitsätze)
[...]
8 Der Nachweis des Personenstandes zur Klärung der Identität der Anmeldenden ist dabei selbstverständliche Voraussetzung für die Prüfung der Eheerfordernisse. Der Personenstand, der zur Identifikation einer Person erforderlich ist, umfasst dabei den Vor- und Familiennamen der Person sowie den Ort und Tag ihrer Geburt (Gaaz, a.a.O., § 12 RN 31). Ein eindeutiger Nachweis dieser Personenstandsdaten ist zur Vermeidung von Falschbeurkundungen im Rahmen der Eheschließung erforderlich (Gaaz, a.a.O., § 12 RN 30). Insoweit ist es im Unterschied zur Beurkundung anderer Personenstandsfälle, wie Geburt oder Sterbefall, nicht ausreichend, im Rahmen der Eheschließung Personenstandsdaten der Betroffenen unter Hinzufügung von Zweifelszusätzen wie "Identität nicht nachgewiesen" bzw. "beruht auf eigenen Angaben" zu beurkunden. Eine Rechtsgrundlage hierfür, wie sie mit §§ 35 und 40 PStV für Geburts- und Sterbefälle vorliegt, fehlt insoweit für den Personenstandsfall der Eheschließung. Begründet wird dies mit der Erwägung, dass es sich bei Geburts- und Sterbefälle um nachträglich zu beurkundende Personenstandsfälle handelt, während im Unterschied hierzu die Eheschließung zusätzlich der Mitwirkung des Standesamtes erfordert, die der Gesetzgeber von der Erfüllung der Mitwirkungspflichten der Eheschließenden abhängig gemacht hat, die im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Unterlagen und Nachweise beizubringen haben (OLG Frankfurt, a.a.O., RN 15). Besteht diese Möglichkeit nicht oder ist eine Beschaffung von urkundlichen Nachweisen den Betroffenen nicht zumutbar, gebietet es aber letztlich die grundrechtlich über Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Eheschließungsfreiheit, dass die erforderlichen Nachweise auch durch eidesstattliche Versicherungen der Betroffenen bzw. dritter Personen geführt werden können (OLG Düsseldorf, StAZ 2018, 284, zit. aus juris RN 23; OLG Frankfurt, a.a.O., RN 14). Zur Verfügung stehende Aufklärungsmöglichkeiten, welche Aufschluss über die Richtigkeit dieser Personenangaben geben können, haben das Standesamt bzw. das im Verfahren nach § 49 Abs. 1 PStG befasste Gericht dabei auszuschöpfen. Diese sind gehalten, sich einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen, wozu neben der Einholung der eidesstattlichen Versicherung auch die persönliche Anhörung der Betroffenen und die Beiziehung der Ausländerakten in Betracht zu ziehen sind (vgl. BGH, MDR 2017, 823, zit. aus juris, RN 24). Im gerichtlichen Verfahren nach § 49 Abs. 1 PStG kommt darüber hinaus die Durchführung einer förmlichen Beweisaufnahme nach § 30 Abs. 1 FamFG, § 51 Abs. 1 S. 1 PStG in Betracht, wodurch auch die eidliche Vernehmung von Zeugen gemäß § 391 ZPO eröffnet ist.
9 Unter Beachtung dieser Grundsätze hat sich der Senat letztlich durch die Vernehmung zweier Zeugen, welche die Beteiligte zu 2) unter Eid als ihre Schwester identifizierten und deren Personendaten bestätigten, von der Identität der Antragstellerin überzeugt. Der primär zu führende Urkundenbeweis ist nicht möglich. Die vorliegenden Urkunden sind zum Nachweis der Identität der Antragstellerin nicht geeignet; die Beschaffung geeigneter Urkunden ist den Antragstellern auch nicht zuzumuten.
10 So haben Standesamt und Amtsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Identität der Beteiligten zu 2) mittels der vorgelegten Urkunden nicht festgestellt werden kann. Ihre in der Bundesrepublik ausgestellten Ausweispapiere (Reiseausweis und Aufenthaltstitel) enthalten den Zweifelszusatz "Die Personendaten beruhen auf den eigenen Angaben der Antragstellerin" und sind daher zum urkundlichen Nachweis der Identität i.S.v. § 9 Abs. 1 PStG nicht geeignet. Zum urkundlichen Nachweis ihrer Identität hat die Antragstellerin ferner eine angeblich von den Behörden ihres Heimatlandes ausgestellte und mit Lichtbild versehene Geburtsurkunde vorgelegt. Diesen Nachweis hatte das Amtsgericht unter Berufung auf eine deutsche Verwaltungsvorschrift bereits deshalb nicht als ausreichend erachtet, da die Identität einer Person nur mittels Ausweis nachgewiesen könne. Hieran ist richtig, dass deutsche Personenstandsurkunden keine Identitätsmerkmale einer Person ausweisen, es sich namentlich nicht um amtliche Lichtbildausweise handelt. Deswegen kann allein die Vorlage einer Geburtsurkunde, der grundsätzlich aufgrund ihrer nach § 54 Abs. 1 und 2 PStG gesetzlich zugeschriebenen Beweiskraft ein höherer Beweiswert als Ausweisdokumenten zukommt, nicht ausreichen, die Identität des Eheschließenden zweifelsfrei zu klären. Hierzu bedarf es zusätzlich der Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises. In diesem Punkte unterscheidet sich jedoch die von der Antragstellerin vorgelegte Geburtsurkunde von denjenigen, wie sie in Deutschland nach §§ 55, 59 PStG ausgestellt werden. Die von ihr vorgelegte Urkunde verfügt zusätzlich über ein Lichtbild, welches abgestempelt und auf diese Weise fest mit der Urkunde verbunden worden ist. Damit erweckt die von der Antragstellerin vorgelegte Geburtsurkunde durchaus den Anschein eines amtlichen Lichtbilddokumentes, welches im Gegensatz zu deutschen Geburtsurkunden auch geeignet wäre, die Identität des Inhabers nachzuweisen.
11 Gleichwohl ist die vorgelegte Urkunde im Ergebnis nicht geeignet, den nach § 12 Abs. 2 S. 1 PStG erforderlichen Nachweis zu führen. Die Echtheit dieses Dokumentes lässt sich nicht nachweisen; vielmehr bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die vorgelegte Urkunde von einer zuständigen Stelle des eritreischen Staates ausgestellt worden ist. [...]
12 Auch die Angaben der vom Senat persönlich angehörten Antragsteller zur Herkunft der Urkunde können die Zweifel an der Echtheit dieses Dokumentes nicht ausräumen, da diese selber an deren Beschaffung nicht unmittelbar beteiligt waren. So erklärten die Antragsteller bereits vor der vom Senat veranlassten kriminaltechnischen Untersuchung der Urkunde, dass sie diese über die noch in Eritrea wohnende Mutter der Antragstellerin besorgt hätten. Sie hätten sich bereits im Jahre 2017 an das Standesamt mit ihrem Heiratswunsch gewandt, wo ihnen gesagt worden sei, dass eine entsprechende Urkunde benötigt würde. Hierauf hätten sie die Mutter der Antragstellerin gebeten, diese Urkunde zu besorgen. Diese sei ihnen sodann auf dem Postweg nach Deutschland geschickt worden. Dieses hätte insgesamt einen Zeitraum von drei Monaten beansprucht.
13 Entgegen der vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung ist es der Antragstellerin auch nicht zuzumuten, einen urkundlichen Nachweis über ihre Identität durch Vorlage eines Ausweispapieres ihres Heimatstaates zu führen, den sie sich über die in Deutschland ansässige Auslandsvertretung des Staates Eritrea besorgen könnte. Der Antragstellerin ist mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 08.08.2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Sie ist damit anerkannter Flüchtling nach § 3 AsylG. Diesen Status würde sie verlieren, wenn sie Kontakt zu ihrem Heimatstaat suchen würde, um sich ein Ausweisdokument ausstellen zu lassen. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erlischt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer freiwillig durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt. Insoweit unterscheidet sich der Status der Antragstellerin von demjenigen anderer geflüchteter Ausländer - häufig auch eritreischer Staatsbürger -, denen in der Bundesrepublik lediglich subsidiärer Schutz nach § 4 AsylG gewährt wird. § 72 AsylG greift für diesen Personenkreis nicht, da die Gewährung subsidiären Schutzes nicht notwendig eine staatliche Verfolgung voraussetzt. Bei Personen mit diesem Schutzstatus ist daher individuell zu prüfen, ob ihnen eine Kontaktaufnahme mit den Auslandsvertretungen ihres Heimatstaates zugemutet werden kann (vgl. OVG NRW, NVwZ-RR 2016, 678, RN 6; BayVGH NVwZ-RR 2019, 484, RN 10ff; HessOVG InfAuslR 2020, 131, RN 8; jw. zit. aus juris). Bei Asylberechtigten nach Art. 16a GG oder anerkannten Flüchtlingen nach § 3 AsylG - wie der Antragstellerin - kommt dieses dagegen von vornherein nicht in Betracht.
14 Letztlich verbleibt der Antragstellerin daher nur, ihre Identität durch eigene Angaben und mithilfe der Aussagen Dritter zur Überzeugung des Standesamtes bzw. des an seiner Stelle im Verfahren nach § 49 Abs. 1 PStG berufenen Gerichts nachzuweisen. Dieser Nachweis ist ihr mithilfe der beeideten Aussagen ihres Bruders DD und ihres Halbbruders EE gelungen, welche die Identität der Antragstellerin bestätigten. [...]