OLG Oldenburg

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Zitieren als:
OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.01.2020 - 12 W 63/19 (PS) - asyl.net: M30582
https://www.asyl.net/rsdb/m30582
Leitsatz:

Anweisung zur Eintragung des Vaters in das Geburtenregister:

1. Die Eintragung der Vaterschaft in das Geburtsregister aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung ist ausgeschlossen, wenn die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt mit einem anderen Mann verheiratet war. 

2. Allein der fehlende Identitätsnachweis der Kindesmutter ist nicht ausreichend, um die Rechtswirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung anzuzweifeln. Anderes gilt jedoch dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet war (vorliegend verneint).

3. Eine Eheschließung, bei der die Erklärung der Braut gegen ihren Willen durch eine Erklärung eines Stellvertreters bzw. Vormundes ersetzt wird, verstößt gegen deutschen ordre public.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Vaterschaftsanerkennung, Geburtsurkunde, Beschwerde, Oberlandesgericht, Geburtenbuch, Geburtenregister, Identitätsfeststellung, ordre public, Zwangsehe, Stellvertreterehe, Handschuhehe,
Normen: FamFG § 58, PsTG § 27 Abs. 1 S. 1, BGB § 1594, EGBGB Art. 11, EGBGB Art. 6,
Auszüge:

[...]

8 Die nach § 51 Abs. 1 S. 1 PStG, § 58 Abs. 1 FamFG in der Hauptsache statthafte Beschwerde der Antragsteller ist ebenfalls zulässig und begründet. Auf Grundlage der am 28.03.2018 beurkundeten Anerkennung ist der Antragsteller zu 2) als Vater des am ... 2018 geborenen Sohnes der Antragstellerin zu 1) im Geburtenbuch einzutragen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 27 Abs. 1 S. 1 PStG. Hiernach ist eine nach der Geburt erfolgte Vaterschaftsanerkennung beim bereits abgeschlossenen Geburteneintrag zu beurkunden.

9 Die Vaterschaftsanerkennung ist formal wirksam. Die Antragstellerin zu 1) hat ihr als Mutter des Kindes gemäß § 1595 BGB zugestimmt. Anerkennung und Zustimmung sind auch nach § 1597 Abs. 1 BGB vor dem Jugendamt des Landkreises (…) öffentlich beurkundet worden. Zweifel an der formalen Wirksamkeit haben sich erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens ergeben, da der Antragsteller zu 2) nunmehr einen anderen Namen führt, als denjenigen, unter dem er die Vaterschaft anerkannt hat. Insoweit hat aber bereits die Urkunde des Jugendamtes festgehalten, dass die Identität des Anerkennenden nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Die Person des Erklärenden blieb jedoch durch die Vorlage der Aufenthaltsgestattung, bei der es sich gemäß § 64 AsylG um ein Ausweisersatzpapier handelt, identifizierbar. Nach Einsicht in die den Antragsteller zu 2) betreffenden Ausländerakte steht insoweit zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich bei dem Anerkennenden um den Antragsteller handelt, der nunmehr den Namen führt, der sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde ergibt, welche die Botschaft Somalias in Berlin am 12.11.2018 ausgestellt hat. So folgt aus der Ausländerakte, dass dem Antragsteller die anlässlich der Beurkundung des Anerkenntnisses am 28.03.2018 vorgelegte Aufenthaltsgestattung vom Landkreis (…) am 31.01.2018 ausgestellt worden war. Die Namensführung des Antragstellers wurde auch im Ausländerverfahren erst nach Vorlage der Geburtsurkunde vom 12.11.2018 geändert. Seitdem werden dem Antragsteller Aufenthaltsgestattungen unter seiner jetzigen Namensführung ausgestellt, ohne dass diese noch die Einschränkung vermerken, dass die Identität des Inhabers ungeklärt sei. Mit dieser Gestattung, die dem Antragsteller ausweislich der beigezogenen Ausländerakte am 05.09.2019 ausgestellt worden war, hat sich dieser im Anhörungstermin vom 26.11.2019 vor dem Senat ausgewiesen.

10 Das Anerkenntnis ist auch materiell wirksam. Seiner Wirksamkeit steht insbesondere nicht die Sperrwirkung nach § 1594 Abs. 2 BGB entgegenstehen, wonach die Anerkennung solange als nicht wirksam zu behandeln ist, wie die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Tragfähige Anhaltspunkte für eine derartige verdrängende Vaterschaft eines anderen Mannes lassen sich vorliegend nicht feststellen.

11 Die Vaterschaft zu dem in Deutschland lebenden Kind beurteilt sich gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB dabei nach deutschem Recht. Hiernach besteht gemäß § 1592 BGB eine Vaterschaft des Mannes, mit dem die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet ist. Bei Eintragung einer Vaterschaft aufgrund Anerkenntnisses muss daher grundsätzlich ausgeschlossen sein, dass die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt mit einem anderen Mann verheiratet war. Bestehen entsprechende Zweifel darf der Standesbeamte eine Eintragung des anerkennenden Vaters nicht vornehmen. Allein der Umstand, dass die Identität der Kindesmutter vorliegend nicht nachgewiesen ist, berechtigt allerdings noch nicht zu derartigen Zweifeln. Generell stellt sich hier das Problem des Negativbeweises. Selbst bei einem Deutschen, dessen Identität mit Urkunden nachgewiesen werden kann, ist nicht auszuschließen, dass er im Ausland eine wirksame Ehe eingegangen ist, die nicht zur Kenntnis deutscher Behörden gelangte (vgl. OLGR Hamm, 2006, 689, zit. aus juris RN 23). Noch weniger vermag eine Person mit einer Herkunft aus Ländern, die über ein weniger gut funktionierendes Personenstandswesen verfügen, einen derartigen Negativbeweis zu führen. Dies gilt selbst dann, wenn die Identität dieser Person im Übrigen nachgewiesen wäre. Allein der fehlende Identitätsnachweis ist daher nicht ausreichend, die Rechtswirksamkeit einer den sonstigen Erfordernissen genügenden Vaterschaftsanerkennung anzuzweifeln und mit dieser Begründung dem Kind die abstammungsrechtliche Zuordnung zum Anerkennenden vorzuenthalten. Die Sperrwirkung des § 1594 Abs. 2 BGB soll verhindern, dass das Kind – und sei es auch nur vorübergehend – zwei Väter im Rechtssinne hat. Ohne konkrete Kenntnisse, dass ein solcher Fall vorliegt, geht es aber nicht an, die Frage der Rechtswirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung als ungeklärt zu behandeln und im Geburtenbuch – womöglich auf Dauer – einen Zustand zu dokumentieren, wonach das Kind im Rechtssinne überhaupt keinen Vater hat (vgl. OLG München StAZ 2005, 360, zit. aus juris RN 11; OLG Hamm, a.a.O., RN 23; OLG Karlsruhe StAZ 2014, 210, zit. aus juris RN 21ff; Berkl, Personenstandsrecht, RN 492; Gaaz in Gaaz/Bornhofen, PStG (4. Aufl.) § 21 RN 59).

12 Anderes gilt jedoch, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Kindesmutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet war (vgl. OLG München, FGPrax 2008, 208, zit. aus juris RN 13ff; OLG Hamm, a.a.O., RN 24ff; Berkl, a.a.O.). Entsprechende Zweifel sind etwa berechtigt, wenn konkrete Umstände das bewusste Verschweigen einer zum Zeitpunkt der Geburt bestehenden Ehe möglich erscheinen lassen (OLG München, a.a.O., RN 13), etwa weil das Vaterschaftsanerkenntnis (insbesondere durch einen deutschen Staatsangehörigen) der wesentliche Anknüpfungspunkt für den aufenthaltsrechtlichen Status der Kindesmutter ist (OLG Hamm, a.a.O., RN 27), oder weil der Antragsteller ihm mögliche und zumutbare Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität der Kindesmutter unterlässt (vgl. VG Köln StAZ 2017, 183, zit. aus juris RN 52).

13 Vorliegend bestand sicherlich Anlass, an der Ledigkeit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt zu zweifeln. Insoweit weisen Standesamt und Amtsgericht zutreffend darauf hin, dass die Kindesmutter selber im Rahmen ihrer Anhörung im Asylverfahren erklärt hat, in ihrem Heimatland mit einem älteren Mann verheiratet worden zu sein, und dass sie diese Ehe als wesentlichen Fluchtgrund angegeben hat. Diese Zweifel allein berechtigen jedoch nicht dazu, die von den Antragstellern begehrte Eintragung zu versagen. Im Rahmen der dem Standesbeamten auferlegten Aufklärungspflicht gegeben sie vielmehr Anlass zu Ermittlungsmaßnahmen, ob diese Zweifel ausgeräumt werden können (vgl. OLG München, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O., RN 24). Naheliegende – und damit gebotene – Ermittlungsmaßnahmen sind in diesem Zusammenhang die persönliche Anhörung der Betroffenen sowie die Beiziehung von Anhörungsprotokollen aus dem ausländerrechtlichen Verfahren (OLG Hamm a.a.O., RN 28). Vorliegend ist eine persönliche Anhörung der Betroffenen vollständig unterblieben; der ausländerrechtliche Verwaltungsvorgang ist zwar beigezogen worden, aber nur selektiv berücksichtigt worden. So hat die Antragstellerin im Rahmen ihrer Anhörung im Asylverfahren nicht nur angegeben, mit einem anderen Mann in ihrer Heimat verheiratet worden zu sein, sondern – gestützt auf die Aussage eines islamischen Rechtsgelehrten - auch erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit dieser Eheschließung geäußert. Die Frage der Wirksamkeit der Eheschließung – auch nach ausländischem Recht – ist aber eine Rechtsfrage, welche das Standesamt bzw. das Gericht im Verfahren nach § 49 Abs. 1 PStG zu prüfen haben.

14 Dabei lassen schon die von der Antragstellerin im Rahmen ihrer Anhörung im Asylverfahren geschilderten Umstände ihrer angeblichen Eheschließung an deren Rechtswirksamkeit zweifeln. So hatte die Antragstellerin bereits im Asylverfahren ausgeführt, dass ihr Onkel sie nach vorangegangenem Streit in der Familie über die von ihm gewünschte Heirat mit einem älteren Mann eines morgens aufgefordert habe, ihre Sachen zu packen. Er habe sie zu dem Haus des Mannes gebracht und dort erklärt, sie solle von heute an bei diesem Mann bleiben. Sie sei jetzt dessen Frau. Das gleiche habe auch der Mann zu ihr gesagt, der sie daraufhin am Fuß gefesselt und in ein Zimmer eingesperrt habe. Auf Grundlage dieser Aussage ist nicht erkennbar, wie eine wirksame Eheschließung erfolgt sein soll. So wird die Ehe nach islamischen Recht typischerweise mittels eines Vertrages geschlossen, bei dem die wechselseitigen Erklärungen vor zwei Zeugen abgegeben werden (vgl. Rohe, StAZ 2006, 93 (95)).

15 Zur Aufklärung dieser Frage, hat der Senat die Antragstellerin zu 1) angehört. Diese erklärte erneut, dass die Verheiratung in ihrem Heimatland gegen ihren Willen erfolgt und von ihrem Onkel betrieben worden sei. Dabei stellte die Antragstellerin klar, dass es sich bei dem Onkel tatsächlich nicht um einen Bruder eines Elternteils ihrerseits handele, sondern um den zweiten Ehemann ihrer Mutter, mithin um ihren Stiefvater. Dieser werde in ihrem Heimatland aus Respekt aber ebenfalls als Onkel bezeichnet. Erneut führte sie aus, dass dieser Onkel sie im April 2016 zu dem Mann gebracht und erklärt habe, dass dieser nun ihr Mann sei und sie nicht wiederzukommen brauche. Auch der Mann habe erklärt, dass sie jetzt seine Frau sei und ihm gehöre. Dieser habe sie in seinem Haus eingeschlossen. Erst nach drei Monaten sei es ihr gelungen zu fliehen. Sie habe dann mit der Unterstützung ihrer Mutter und insbesondere der finanziellen Hilfe ihrer Tante, die in ihrem Heimatland ein Geschäft mit dem Verkauf von Lebensmittel und Kleidung betreibe, zunächst nach Äthiopien fliehen können, wo sie für eine Familie gearbeitet habe. Dort habe sie andere Somalier kennengelernt, mit denen sie schließlich weiter nach Europa gereist sei. Auf die Frage, unter welchen Umständen in ihrem Falle überhaupt eine Trauung stattgefunden habe, erklärte die Antragstellerin, dass sie selber an einer Vermählung nicht teilgenommen habe. Ihres Wissens habe ihr Onkel die notwendige Erklärung vor zwei Zeugen abgegeben. Sie selber sei hierbei aber nicht anwesend gewesen und könne auch nicht sagen, wann genau die Vermählung mit dem Mann vereinbart worden sei.

16 In Anbetracht dieser von der Antragstellerin geschilderten Umstände, an deren Richtigkeit der Senat keinen Anlass hat zu zweifeln, ist keine wirksame Ehe zwischen der Antragstellerin und ihrem angeblichen Ehegatten zustande gekommen. Dabei bedarf es keiner Aufklärung, ob diese Vermählung, die der Stiefvater der Antragstellerin als ihr Vormund bzw. Stellvertreter geschlossen hätte, nach dem Heimatrecht der Antragstellerin als wirksam angesehen wird. Die Annahme einer wirksamen Eheschließung, bei der die Erklärung der Braut gegen ihren Willen durch eine Erklärung eines Stellvertreters bzw. Vormundes ersetzt wird, verstößt eklatant gegen fundamentale Grundsätze des deutschen Rechts und damit gegen deutschen ordre public. Eine etwaige Rechtsnorm ihres Heimatlandes, welche eine wirksame Eheschließung der Antragstellerin auch unter diesen Umständen bejahen würde, wäre daher nach Art. 6 EGBGB nicht anzuwenden. Eine derartige Stellvertretung "im Willen", bei der einer dritten Person die Entscheidung über das "Ob" der Eheschließung und die Auswahl des Ehepartners überlassen bleibt, verstößt gegen die Menschenwürde sowie die Grundrechte auf Eheschließungsfreiheit und auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Sie ist nach wohl einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur als zweiseitiges Ehehindernis aufzufassen, welches ohne weiteres zur Nichtehe führt, und deutlich abzugrenzen von der so genannten "Handschuhehe". Letztere ist lediglich eine besondere Form der Botenschaft, bei der eine Mittelsperson die vom Vertretenen vorgegebene Konsenserklärung vor dem Trauungsorgan abzugeben hat, ohne eigene Entscheidungsfreiheit über die Partnerwahl. Die Zulässigkeit einer derartigen Stellvertretung "in der Erklärung", ist eine Frage der im Rahmen einer Eheschließung einzuhaltenden Form, die sich gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB nach dem Heimatrecht der Verlobten bzw. dem Recht des Staates beurteilt, in dem die Eheschließung vorgenommen wird (vgl. BayObLGZ 2000, 335, hier zit. aus juris RN 9; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2011, 725, juris RN 7; KG Berlin, KG-Report 2004, 326 (327), LG Kassel, StAZ 1990, 169 (171); MüKo/v.Hein, EGBGB (7. Aufl.) Art. 6 RN 258; Rohe, StAZ 2006, 93 (97f)); Staudinger/Voltz, EGBGB (2013) Art. 6, RN 173).

17 Demgegenüber hat vorliegend allein der Stiefvater der Antragstellerin die Entscheidung zur Eheschließung getroffen und dabei gegen ihren Willen einen Ehepartner für sie ausgewählt. Die dermaßen unter Zwang zustande gekommene Verbindung ist keine Ehe i.S. deutscher Rechtsnormen. Diese Nichtehe kann keine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB vermitteln (vgl. Staudinger/Rauscher, BGB (2011) § 1592 RN 27). Sie hat daher auch auf die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung des Antragstellers zu 2) keinen Einfluss. Eine verdrängende Vaterschaft i.S.v. § 1594 Abs. 2 BGB besteht nicht. [...]