Hausordnung in Erstaufnahmeeinrichtung unwirksam:
"[...] 4) Zimmer in einer Erstaufnahmeeinrichtung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 AsylG sind regelmäßig eine Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG.
5) Die besondere Unterbringungsstruktur in der Erstaufnahmeeinrichtung dürfte allerdings für die Notwendigkeit von Einschränkungen im Gewährleistungsgehalt des Grundrechtsschutzes aus Art. 13 GG beim Betreten von Zimmern der Bewohner sprechen, wie sie - unter einem anderen Blickwinkel - von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Geschäftsräumen angenommen werden.
6) Unabhängig von der Frage, ob die Bewohnerzimmer den (vollen) Schutz des Art. 13 GG genießen, bedarf es einer besonderen gesetzlichen Vorschrift, die Zweck und Grenzen des mit dem Betreten der Zimmer einhergehenden Grundrechtseingriffs hinreichend präzise festlegt. Eine solche wäre selbst dann erforderlich, wenn die Zimmer "lediglich" dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unterfielen.
7) Die Generalklausel des § 6 Abs. 3 Satz 2 FlüAG oder Regelungen in einer von dem Einrichtungsleiter erlassenen Hausordnung genügen den Vorgaben des Gesetzesvorbehalts in diesem grundrechtssensiblen Bereich nicht."
(Amtliche Leitsätze)
Siehe auch:
[...]
Hiernach können die Antragsteller zu 2 und 5 ein berechtigtes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Ungültigkeit der zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Regelungen der § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung geltend machen. Es liegt eine kurze Zeitspanne vor (aa.), in der ein von der Hausordnung betroffener Bewohner, der - wie die Antragsteller zu 2 und 5 - aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt, typischerweise kaum eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache über den geltend gemachten schwerwiegenden Grundrechtseingriff durch die Abwendung der angegriffenen Regelungen erlangen kann (bb.). [...]
bb. Die Antragsteller zu 2 und 5 können sich durch die ihnen gegenüber angewandten Regelungen in § 11 Abs. 3, § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung durch die Einrichtungsleitung und deren Beauftragte auch auf einen direkten und gewichtigen Grundrechtseingriff, möglicherweise in ihr Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG oder aber in die durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Privatsphäre und zwar in der Form, die einem Eingriff in das spezielle Freiheitsrecht des Art. 13 Abs. 1 GG nahe kommt, berufen und haben diesen auch geltend gemacht. Die in diesen Regelungen näher ausgestalteten Befugnisse der Einrichtungsleitung, der Beschäftigten des Regierungspräsidiums, des Sicherheitsdienstes und der Alltagsbetreuung zur jederzeit möglichen Kontrolle und zum Betreten der Zimmer der Bewohner nach Aufforderung eines Bewohners bzw. zu einem vorher angekündigten Termin (§ 11 Abs. 3 <i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 der Hausordnung>) bzw. zum Öffnen und Betreten des Zimmers zur Abwendung einer drohenden Gefahr (§ 11 Abs. 4 der Hausordnung) aus eher als niederschwellig zu bewertenden Gründen (s. § 11 Abs. 3 der Hausordnung "Belegungs-, Zimmer- und Hygienekontrollen usw." und § 11 Abs. 4 der Hausordnung "Behebung baulicher, technischer oder hygienischer Mängel und Verweisung unbefugter Personen aus der Einrichtung") sind geeignet, durch das durch sie gestattete Betreten des den Bewohnern zur Verfügung gestellten und letztlich auch verpflichtend zu bewohnenden (Rückzugs-)Raums, in dem sich zugleich die Schlafstätte befindet, die Privatsphäre der Antragsteller in erheblichen Maße zu beeinträchtigen. Die Antragsteller zu 2 und 5 waren - und haben dies auch geltend gemacht - der Anwendung dieser Regelungen auf sich unausweichlich und während der gesamten Dauer ihres Aufenthalts ausgesetzt, ohne dass sie sich ihnen durch die Wohnsitznahme an einem anderen Ort hätten entziehen können. Die eingeräumten Befugnisse waren von hinreichender grundrechtsbelastender Wirkung und vermitteln ihnen ein schutzwürdiges Interesse an der von ihnen begehrten Feststellung. Dass die Regelungen von dem Antragsgegner und seinen Beauftragten in der LEA Freiburg zur Anwendung gekommen und die Antragsteller zu 2 und 5 diesen ausgesetzt gewesen sind, steht zwischen den Beteiligten außer Frage; der Antragsgegner sieht sie auch als dringend erforderlich an. Auf den konkret ausgestalteten Vollzug der Regelungen in der Alltagspraxis in der LEA Freiburg, der im Einzelnen streitig ist (vgl. hierzu etwa die Einlassung des Antragstellers zu 5 in der mündlichen Verhandlung und die abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen beider Seiten im vorangegangenen Eilverfahren 12 S 921/21, GAS 48 ff. und 136 ff. <Antragsteller> sowie GAS 102 f. bzw. die dienstliche Äußerung im hiesigen Verfahren GAS 302 ff. <Antragsgegner>), kommt es im vorliegenden Normenkontrollverfahren nicht an. [...]
II. Der auf Feststellung der Unwirksamkeit gerichtete Normenkontrollantrag der Antragsteller zu 2 und 5 gegen § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der von dem Einrichtungsleiter der LEA Freiburg erlassenen Hausordnung in der Fassung vom 01.01.2020 ist, soweit er zulässig ist, auch begründet. Diese Vorschriften sind rechtswidrig gewesen. Sie verstoßen gegen höherrangiges Recht (dazu 1.). Dies hat zur Folge, dass der Senat auf den Antrag der Antragsteller zu 2 und 5 die bereits außer Kraft gesetzten Regelungen der Hausordnung insoweit für unwirksam zu erklären hat. Der Normenkontrollantrag führt zur Feststellung der Teilnichtigkeit dieser Hausordnung (dazu 2.).
1. Die Bestimmungen in § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung haben zwar Regelungen vorgesehen, die der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der LEA Freiburg dienen sollten. Sie haben insoweit den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 2 FlüAG bzw. den gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen über das Hausrecht der Verwaltungsbehörde für den öffentlichen Bereich entsprochen (a.). § 6 Abs. 3 Satz 2 FlüAG bzw. die gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätze über das Hausrecht konnten mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes die Bestimmungen in § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung allerdings nicht tragen. Die normativen Vorgaben für diese Regelungen, mit denen ein grundrechtssensibler Bereich ausgestaltet werden sollte, sind hierfür unzureichend gewesen (b.). [...]
b. § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung sind allerdings materiell rechtswidrig, weil sie mit Blick auf die Regelungen in § 6 Abs. 3 Satz 2 FlüAG bzw. den gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen über das Hausrecht auf keiner hinreichend bestimmten normativen Grundlage fußen und dem Vorbehalt des Gesetzes insoweit nicht genügt ist. Sie wären angesichts der mit ihnen verbundenen Grundrechtsrelevanz für die von der Anwendung der Regelungen betroffenen Bewohner selbst in einem Gesetz zu regeln gewesen. [...]
bb. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe genügen die Bestimmungen in § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung - ausgehend von dem zunächst nach allgemeinen Regeln zu bestimmenden Regelungsinhalt (dazu <1.>) - aufgrund der mit dem Betreten von Rückzugsorten einhergehenden speziellen grundrechtlichen Dimension nicht den Anforderungen, die der Vorbehalt des Gesetzes an sie stellt (dazu <2.>). [...]
Nach § 11 Abs. 3 der Hausordnung in der Fassung vom 01.01.2020 dürfen die den Bewohnern zugewiesenen Zimmer nach Aufforderung oder zu vorher angekündigten Terminen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung (als Regelbeispiele sind Belegungs-, Zimmer- und Hygienekontrollen aufgeführt) von der Einrichtungsleitung und deren Beauftragten betreten werden. Unter Beauftragten sind - unter Rückgriff auf die Begriffsfestlegungen in § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 1 und 2 der Hausordnung - der Sicherheitsdienst und die Alltagsbetreuung zu verstehen. § 11 Abs. 3 der Hausordnung ist weiter so zu verstehen, dass die Aufforderung zum Betreten des Zimmers von Seiten zumindest eines Bewohners des (mit bis zu drei Personen belegbaren) Zimmers ausgehen muss. Denn würde allein die Aufforderung durch die Einrichtungsleitung und deren Beauftragte genügen, ergäbe die in der Vorschrift normierte Alternative ("zu vorher angekündigten Terminen") keinen Sinn. Hiervon geht auch der Antragsgegner aus, da er nach dem bei den Akten befindlichen "Argumentationspapier der Regierungspräsidien zum Wohnbegriff in Erstaufnahmeeinrichtungen vom 23.07.2019" die Zulässigkeit des Betretens der Zimmer von der Zustimmung eines Bewohners abhängig macht (vgl. S. 5 und S. 77 der Behördenakte).
Die Regelungen sind auf Tatbestandsseite allein durch den aufgeführten Zweck (Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung) und auf der Rechtsfolgenseite durch das eingeräumte Ermessen begrenzt. Beim Betreten geht es lediglich um eine reine "Kenntnisnahme" unvermeidlich sichtbarer Umstände in dem jeweiligen Zimmer. Jede darüberhinausgehende Informationsgewinnung, insbesondere sobald eine zielgerichtete Suche stattfindet, ist nicht mehr unter dem Begriff des "Betretens" zu verstehen. Das "Betreten" ist sonach lediglich die reine Kenntnisnahme oberflächlich erkennbarer Tatsachen. Insbesondere sind das Ergreifen und die Umsetzung von Kontrollmaßnahmen, die über das bloße "Kontrollieren" (vgl. insoweit die angeführten Regelbeispiele) und damit einen Abgleich der vorgefundenen Situation mit der Hausordnung hinausgehen, von § 11 Abs. 3 der Hausordnung nicht erfasst. Die Vorschrift ermächtigt ausweislich ihres Wortlauts und mangels näherer Ausgestaltung eines Vollstreckungsverfahrens nicht zu Durchsuchungen der Zimmer. Unter Durchsuchung ist "das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung nicht von sich aus offen legen oder herausgeben will" zu verstehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.04.1979 - 1 BvR 994/76 -, juris Rn. 26). Die Durchsuchung erschöpft sich nicht in einem Betreten der Wohnung, sondern umfasst als zweites Element die Vornahme von Handlungen in den Räumen zur Ermittlung eines Sachverhalts, die der Betroffene geheimhalten möchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.05.1987 - 1 BvR 1113/85 -, juris Rn. 26). [...]
(2.) Unabhängig davon, ob die den Bewohnern zugewiesenen Zimmer i.S.d. § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung, die als Wohnung i.S.d. Art. 13 Abs. 1 GG einzuordnen sind, dem vollen Schutz des Art. 13 GG unterliegen, hätten die Regelungen einer speziellen gesetzlichen Grundlage bedurft (dazu <a.>). Selbst wenn sie nicht dem Schutz des Art. 13 GG unterlägen, haben § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung jedenfalls zu gewichtigen Eingriffen in die durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG besonders geschützte Lebens- und Privatsphäre der Bewohner ermächtigt und es wäre aus diesem Grund eine spezielle Regelung in einem Gesetz von Nöten gewesen (dazu <b.>).
(a.) Die Zimmer der Bewohner i.S.d. § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung unterfallen dem Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG (dazu <aa.>). Die besondere Unterbringungsstruktur in einer Erstaufnahmeeinrichtung dürfte zwar dafür sprechen, dass der besondere Schrankenvorbehalt des Art. 13 Abs. 7 GG, der im vorliegenden Fall nicht gewahrt ist (dazu <bb.>), nicht unbesehen greifen kann, und Einschränkungen im Gewährleistungsgehalt des Grundrechtsschutzes, wie sie bei Geschäftsräumen - wenn auch unter einem anderen Blickwinkel - von dem Bundesverfassungsgericht angenommen werden, bestehen können. Die verfahrensgegenständlichen Regelungen hätten allerdings auch dann einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedurft (dazu <cc.>) [...].
Ausgehend hiervon sind die jeweiligen Bewohnerzimmer der LEA Freiburg als Wohnung i.S.d. Art. 13 Abs. 1 GG zu qualifizieren.
Die Zimmer, in denen überwiegend bis zu drei Personen, aber auch Einzelpersonen und Familien untergebracht sein können, werden den Bewohnern für die Dauer ihres vorübergehenden, verpflichtenden Aufenthalts in der Einrichtung jeweils individuell zugewiesen und zur Nutzung als Rückzugsort und Schlafstätte im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnisses zur Verfügung gestellt. Sie sind angesichts ihrer räumlichen Ausgestaltung mit einem Bett, einem abschließbaren Schrank sowie einem Tisch mit einer entsprechend der Zahl der Betten verfügbaren Anzahl von Stühlen ohne weiteres zur Entfaltung der Privatsphäre geeignet. Dass die Zimmer nicht abschließbar gewesen sind, da es für sie kein in Funktion gesetztes automatisches Türschließsystem gegeben hat (vgl. hierzu § 8 Abs. 6 der Hausordnung), kann an der Einordnung nichts ändern, da die Zimmertür von den Bewohnern der Zimmer zumindest geschlossen und der Raum dadurch nach außen erkennbar abgegrenzt werden konnte. Die vorgefundene räumliche Privatsphäre wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass in den überwiegenden Fällen ein Zimmer mit bis zu drei Personen, die regelmäßig unverbunden und sich vorher unbekannt sein werden, belegt werden kann. Ungeachtet dessen, dass nicht davon auszugehen ist, die Entfaltung der Privatheit werde durch eine Unterbringung in Mehrbettzimmern auf Dauer aufgegeben (vgl. nur die Rechtsprechung zu Obdachlosenunterkünften: OVG Berlin, Beschluss vom 08.02.1989 - 6 S 150/88 -, NVwZ-RR 1990, 194; VG Augsburg, Beschluss vom 20.10.2005 - Au 6 S 05.773 -, juris Rn. 23), sind bei der Bestimmung des Grundrechtsschutzes der von § 11 Abs. 3 und 4 der Hausordnung angesprochenen Zimmer sämtliche zur Unterbringung von Geflüchteten vorgesehenen Räumlichkeiten der LEA Freiburg in den Blick zu nehmen, da die Regelungen für alle Zimmer gleichermaßen gelten sollten. Dass sich in einem Familienzimmer bzw. einem Einzelzimmer - wie es sie in geringer Anzahl auch in der LEA Freiburg gibt - die individuelle Persönlichkeit in tatsächlicher Hinsicht räumlich entfalten kann, dürfte außer Frage stehen. [...]
(bb.) Weder § 6 Abs. 3 Satz 2 FlüAG noch § 11 Abs. 3 und Abs. 4 der Hausordnung sind von dem Schrankenvorbehalt des Art. 13 Abs. 7 GG gedeckt. [...]
(cc.) Die besondere Unterbringungsstruktur in der LEA dürfte allerdings für die Notwendigkeit von Einschränkungen im Gewährleistungsgehalt des Grundrechtsschutzes aus Art. 13 GG beim Betreten von Zimmern der Bewohner sprechen, wie sie von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Geschäftsräumen - wenn auch unter einem anderen Blickwinkel - angenommen (vgl. zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und zur dogmatischen Verortung Kluckert in: BeckOK, GG, Art. 13 Rn. 6.1 ff. m.w.N. <Stand: 15.11.2021>) und von dem Bundesgerichtshof bei Krankenzimmern aus Überwachungs- und Kontrollgründen erwogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 10.08.2005 - 1 StR 140/05 -, juris Rn. 19). Denn der Wirkbereich des Aufenthalts einer Person in einem Zimmer in einer Sammelunterkunft wie der LEA Freiburg "nach außen", insbesondere in Bezug auf Ordnungs- und Sicherheitsinteressen der Einrichtung im Allgemeinen und der Bewohner im Besonderen, aber auch der Schutzbedarf des einzelnen Bewohners aufgrund der Wirkungen "von außen", ist bei einer Unterbringung in einer Sammelunterkunft, wie einer auf die spezielle Ankunftssituation ausgerichteten Erstaufnahmeeinrichtung, ungleich größer als bei der Unterbringung in einer Privatwohnung. In der LEA Freiburg werden Schutzsuchende aus unterschiedlichen Ländern mit den unterschiedlichsten Schicksalen und Hintergründen (etwa in kultureller, ethnischer, politischer, religiöser oder sexueller Hinsicht) unmittelbar nach ihrer Ankunft im Bundesgebiet gesammelt untergebracht, was dazu führen dürfte, dass die Privatheit des "Raums" und damit des jeweiligen Bewohnerzimmers gemindert ist und diesen Zimmern bei der Zuweisung durch die dafür zuständige Stelle von vorneherein eine Begrenzung der Privatheit immanent sein wird. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Geschäftsräumen dürfte dies dafür sprechen, dass die Einrichtungsleitung aufgrund der ihr obliegenden Schutz- und Fürsorgeverpflichtung auch unterhalb der Gefahrenschwelle des Art. 13 Abs. 7 GG Zimmer zu gesetzlich festgelegten Zwecken wird betreten können dürfen, um ein störungsfreies und sicheres Zusammenleben in der Einrichtung gewährleisten zu können. Nicht nur die von dem Antragsgegner angeführten Gründe, sondern gerade auch die Einlassung des Antragstellers zu 5 in der mündlichen Verhandlung hat gezeigt, dass es Situationen und Gründe geben kann, in denen es geboten erscheint, dass ein Bewohner die Möglichkeit hat, auch ohne die Zustimmung der übrigen Bewohner des Zimmers die Einrichtungsleitung zum Betreten des Raums aufzufordern, um auf die Einhaltung der Regeln in dem ihm zugewiesenen Zimmer dringen zu können.
Letztlich braucht dies allerdings nicht abschließend entschieden zu werden. Denn auch in diesen Fällen bedarf es nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einer - hier nicht vorliegenden - besonderen gesetzlichen Vorschrift, die u.a. zum Betreten der Räume ermächtigt, welche einem erlaubten Zweck dienen sowie zur Zweckerreichung erforderlich sein muss. Die Vorschrift hat danach zudem den Zweck, Gegenstand und Umfang der Kontrolle deutlich erkennen zu lassen, und wird insbesondere differenzierende Regelungen hinsichtlich der Tageszeit, zu der die Zimmer betreten werden können, vorzusehen haben (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 13.10.1971 - 1 BvR 280/66 -, juris Rn. 53 ff.).
(b.) Selbst für den Fall der Annahme, die Zimmer der Bewohner der LEA unterfielen nicht dem Schutz des Art. 13 GG, haben § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung jedenfalls zu gewichtigen Eingriffen in die durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG besonders geschützte Lebens- und Privatsphäre ermächtigt und es wäre aus diesem Grund eine spezielle Regelung in einem Gesetz von Nöten gewesen. [...]
Die Generalklausel des § 6 Abs. 3 Satz 2 FlüAG lässt ausgehend hiervon die Voraussetzungen, den Umfang und die Grenzen für die mit den Betretensregelungen einhergehenden intensiven und nicht nur kurzfristig, sondern für die gesamte Dauer der Unterbringung wirkenden Eingriffe in die Privatsphäre der Bewohner nicht ausreichend erkennen. Das Eindringen staatlicher Organe und ihrer Gehilfen bedeutet regelmäßig einen schweren Eingriff in die persönliche Lebenssphäre des Betreffenden und stört das Recht, "in Ruhe gelassen zu werden”. Zwar hat der Gesetzgeber zumindest allgemeine hausrechtliche Befugnisse gesetzlich kodifiziert. Er hat die Regelungen allerdings angesichts der erheblichen Grundrechtsrelevanz des Betretens der Zimmer der Bewohner der LEA, das in seiner Intensität dem Eingriff in das spezielle Freiheitsgrundrecht des Art. 13 Abs. 1 GG jedenfalls nahekommt, nicht hinreichend bereichsspezifisch ausgestaltet, sondern eine Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses im Wesentlichen der Exekutive in Gestalt von Regelungen in einer bloßen Nutzungsordnung, die er verpflichtend vorgeschrieben hat, überlassen.
Hierbei hat er nicht hinreichend berücksichtigt, dass das den Bewohnern zugewiesene Zimmer, selbst wenn sie es sich mit bis zu zwei weiteren, ihnen zuvor nicht bekannten Personen teilen müssen, die einzige verbleibende Möglichkeit ist, sich - für die vorübergehende, allerdings auch verpflichtende Dauer ihrer Zuweisung - auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung eine gewisse Privatsphäre zu schaffen und ungestört zu sein. Ein grundsätzlich zu jeder Zeit ausübbares Betretensrecht des Zimmers seitens der Einrichtungsleitung und ihrer Beauftragten aus den geregelten, eher als niederschwellig zu bewertenden Gründen kann die Privatsphäre - auch wenn ein Betreten des Zimmers etwa aufgrund bestehender Fürsorge- und Schutzverpflichtungen gegenüber den übrigen Bewohnern der Einrichtung bzw. des jeweiligen Zimmers an sich gerechtfertigt sein mag - empfindlich stören. Den betroffenen Bewohnern ist es auch nicht möglich, den Wirkungen dieses Eingriffs auszuweichen, da sie zur Wohnsitznahme und damit zum Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung verpflichtet sind.
Soweit die Antragsgegnerseite zur Begründung ihrer, die Privatsphäre beschränkenden Regelungen in § 11 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 und § 11 Abs. 4 der Hausordnung vorbringt, mit ihnen sollte dem speziellen Konfliktpotential Rechnung getragen werden, das sich aufgrund der unterschiedlichen Hintergründe sowie aus der speziellen Ankunftssituation der Schutzsuchenden aber auch mit Blick auf Gefahren und Einflüsse von außen ergeben kann, zeigen diese Ausführungen zugleich, dass sich Schutzgüter und Grundrechtspositionen verschiedener Grundrechtsträger auf verschiedenen Ebenen gegenüberstehen, die durch die Regelungen miteinander in Ausgleich gebracht werden sollen. Die - allerdings in Form von rein behördlichen Vorschriften - getroffenen Betretensregelungen führen vor Augen, dass der Antragsgegner selbst auch Bedarf für den Erlass spezifischer und ausgleichender Bestimmungen gesehen hat. Solche originär von der Exekutive erlassenen Vorschriften genügen einem (verfassungsrechtlich abgesicherten) Mindestregime prozeduraler und Publizität sichernder Bestimmungen nicht (vgl. zuletzt etwa BVerwG, Urteil vom 07.07.2021 - 2 C 2.21 -, juris Rn. 24 ff., und vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 -, juris Rn. 16; vgl. zum Grad der Flexibilisierungsmöglichkeiten auch Saurer, Verwaltungsvorschriften und Gesetzesvorbehalt, DÖV 2005, 587 <593>). Die Betretensregelungen der Hausordnung beschränken sich auch nicht auf eine alternativlose Konkretisierung der positivrechtlich verankerten Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 2 FlüAG, sondern dienen der Ausgestaltung eines speziellen, grundrechtssensiblen Bereichs, indem sie die eigenen Handlungsspielräume - etwa durch die Einführung einer Eingriffsschwelle in § 11 Abs. 4 der Hausordnung ("Gefahr") - selbst begrenzen und mögliche konfligierende Interessen ausgleichen wollen. Die Frage des Gesetzesvorbehalts unterliegt insoweit, zumal die Freiheitssphäre der Bewohner der Einrichtung betroffen ist, auch mit Blick auf das spezifische Benutzungsverhältnis keinen verfassungsdogmatischen Modifikationen. Denn ohne entsprechende Ermächtigungsgrundlage dürfen grundrechtsbeschränkende Maßnahmen der Verwaltung zur Absicherung der Einrichtungszwecke nicht ergriffen werden (vgl. zum Anstaltsverhältnis etwa auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.02.1993 - 10 S 101/93 -, juris Rn. 6 m.w.N.; Urteil vom 24.06.2002 - 1 S 2785/00 -, juris Rn. 38).
Sind die normativen Vorgaben für die Regelungen in § 11 Abs. 3 und Abs. 4 der Hausordnung unzureichend, so ist aus diesem Grund auch die Vorschrift in § 4 Abs. 1 Satz 5 Spiegelstrich 3 der Hausordnung, mit der das Recht zur Durchführung gemeinsamer Zimmerkontrollen in der Regel zusätzlich auf die Alltagsbetreuung und den Sicherheitsdienst übertragen worden ist, nicht hinreichend rechtlich abgesichert. Ob die Aufgabenwahrnehmung durch private Dienstleister in einem grundrechtssensiblen Bereich nicht zuletzt aus Gründen der demokratischen Legitimation einer gesetzlichen Absicherung bedarf bzw. ob die privaten Dienstleister durch die Übertragung der Befugnisse zur Kontrolle der Zimmer - bereits unter Praktikabilitätsgesichtspunkten - letztlich doch mit eigenen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet hoheitlich tätig werden und damit faktisch - ohne eine hierfür erforderliche hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage - beliehen werden sollten (vgl. etwa § 155 Abs. 1 Satz 2 StVollzG <Verwaltungshelfer>, zu den Grenzen eines solchen Einsatzes: Gramm, Schranken der Personalprivatisierung bei der inneren Sicherheit, VerwArch 90, 329 ff. <349> oder § 16a LuftSiG <Beleihung>; zur Thematik insgesamt auch Gramm a.a.O., VerwArch 90, 329 ff.; Sellmann, Privatisierung mit oder ohne gesetzliche Ermächtigung, NVwZ 2008, 817 <820 f.>; zu § 29 GewO Meßerschmidt in: BeckOK GewO, § 29 Rn. 9 <Stand: 06/2021>), was jedenfalls bei einem Tätigwerden ohne Begleitung durch die Einrichtungsleitung bzw. - je nach Ausgestaltung - außerhalb deren üblichen Dienstzeiten naheliegt, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen. [...]