LG Traunstein

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Zitieren als:
LG Traunstein, Beschluss vom 21.02.2022 - 4 T 4/22 - asyl.net: M30456
https://www.asyl.net/rsdb/m30456
Leitsatz:

Verstoß gegen Grundrecht auf Benachrichtigung bei Freiheitsentziehung:

1. Gemäß Art. 104 Abs. 4 GG hat eine festgehaltene Person ein subjektives Recht darauf, dass vor jeder gerichtlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung unverzüglich eine angehörige Person oder eine Person des Vertrauens benachrichtigt wird. Umstritten ist, ob Betroffene auf dieses Recht verzichten können.

2. Ein Antrag, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass dieses Recht verletzt wurde, ist statthaft.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Familienangehörige, Benachrichtigung, Telefonat, Person des Vertrauens, Feststellungsantrag,
Normen: GG Art. 104 Abs. 4 GG,
Auszüge:

[...]

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Art. 104 Abs. 4 GG verleiht dem Festgehaltenen ein subjektives Recht darauf, dass ein Angehöriger oder eine Vertrauensperson unverzüglich von der Freiheitsentziehung benachrichtigt wird. Liegt eine entsprechende Verletzung des Art. 104 Abs. 4 GG durch Unterlassen der Benachrichtigung vor, ist dies im Entscheidungstenor festzustellen; eine weitere Rechtsfolge ist nicht auszusprechen (BVerfG, Beschl. v. 14.05.2020 - 2 BvR 2345/16). [...]

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts Laufen vom 22.02.2020 verletzt die Betroffene in ihrem Grundrecht aus Art. 104 Abs. 4 GG.

Danach ist von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Umstritten ist, ob ein Verzicht des Betroffenen auf die Benachrichtigung möglich ist (z.B. Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 104, Rn. 26; BeckOK, GG, 49. Edition, Art. 104, Rn. 18, jeweils m. w. N.). Hierauf kommt es in der vorliegenden Fallkonstellation jedoch nicht an.

Denn ein erklärter Verzicht der Betroffenen ist nicht ersichtlich. Diese hat auf entsprechende Nachfrage, ob ein Angehöriger/eine Vertrauensperson von der Anordnung benachrichtigt werden soll, geäußert, sie bitte um ein Telefonat mit ihrem Bruder. [...]