Zum Verhältnis von Abschiebungshaft und Asylantragstellung:
Wird eine zunächst erlassene Sicherungshaft zum Zwecke der Abschiebung ins Herkunftsland durch Rücknahme des Haftantrags aufgehoben, weil zwischenzeitlich ein Asylantrag gestellt wurde und nunmehr eine andere Ausländerbehörde zuständig ist, so befindet sich der Betroffene für eine juristische Sekunde nicht in Haft. Damit liegen die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Haft nach § 14 Abs. 3 AsylG nicht mehr vor. Der Asylantrag löst damit die Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG aus und weitere Haft kann nicht angeordnet werden.
(Leitsätze der Redaktion)
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Die BPolI Selb beabsichtigte zunächst, den Betroffenen, der die russische Staatsangehörigkeit besitzt, aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach Russland abzuschieben und hat am 25.11.2021 beantragt, gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 17.02.2021 unter Anordnung der sofortigen Wirksamkeit anzuordnen. Daraufhin wurde mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom 25.11.2021 Sicherungshaft bis 17.02.2022 angeordnet. [...]
Aufgrund der Asylantragstellung des Betroffenen und der nunmehr beabsichtigten Rücküberstellung des Betroffenen nach Polen im Rahmen des Dublin-Verfahrens hat die nunmehr zuständige Ausländerbehörde, die Regierung von Oberfranken mit Schriftsatz vom 20.01.2022, eingegangen bei Gericht per Telefax am 21.01.2022, 10:56 Uhr beantragt, die Haft zur Sicherung der Überstellung bis 11.03.2022 anzuordnen. [...]
Zwar ist die ursprüngliche Haftanordnung am 25.11.2021 ergangen, weil der Betroffene in sein Heimatland abgeschoben werden sollte, so dass der am 29.12.2021 gestellte Asylantrag gem. § 14 Abs. 3 Nr. 5 AsylG die Haftanordnung nicht gehindert hat.
Allerdings ging der am 29.12.2021 gestellte Antrag mittlerweile dem BAMF zu (spätestens am 14.01.2022, wie die Anfrage des BAMF an Polen zeigt) und der Betroffenen befand sich für eine juristische Sekunde nicht in Haft, da die Bundespolizeiinspektion Selb den Haftantrag am 21.01.2022 zurückgenommen hat. Somit lagen die Voraussetzungen zur Unbeachtlichkeit nach § 14 Abs. 3 AsylG für diese juristische Sekunde nicht (mehr) vor und der Asylantrag bewirkt daher die Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG mit der Folge, dass weitere Haft nicht mehr angeordnet werden kann.
Zudem wäre die Haftfortdauer in diesem Fall unverhältnismäßig. [...]