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BGH

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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 31.08.2021 - XIII ZB 12/20 - asyl.net: M30043
https://www.asyl.net/rsdb/m30043
Leitsatz:

Unzulässiger Haftantrag wegen unzureichender Angaben zur Haftdauer:

Beruft sich die Behörde auf eine Auskunft der zuständigen Stelle oder eigene Erfahrungswerte, so muss der für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderliche Zeitaufwand im Haftantrag jedenfalls dann besonders begründet werden, wenn er sechs Wochen übersteigt. Im vorliegenden Verfahren war der Haftantrag somit unzureichend begründet, da eine Haftdauer von mehr als sieben Wochen beantragt wurde, ohne die Notwendigkeit der beantragten Haftdauer nachvollziehbar zu erläutern.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Überstellungshaft, Haftdauer, Haftantrag, Heilung, Begründungserfordernis,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, AufenthG § 62 Abs. 1 S. 2,
Auszüge:

[...]

9 2. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung des Amtsgerichts in seinen Rechten verletzt worden, weil es bereits an einem zulässigen Haftantrag gefehlt hat.

10 a) Ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8, vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8, und vom 14. Juli 2020 - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7).

11 b) Eine nähere Erläuterung des für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung erforderlichen Zeitaufwands ist in aller Regel zwar dann nicht geboten, wenn sich die Behörde auf eine Auskunft der zuständigen Stelle oder entsprechende eigene Erfahrungswerte beruft, wonach dieser Zeitraum bis zu sechs Wochen beträgt. Ist ein längerer Zeitraum für die Organisation der Rückführung des Betroffenen erforderlich, bedarf es aber einer auf den konkreten Fall bezogenen Begründung, die dies nachvollziehbar erklärt (etwa durch Angaben zur Art des Fluges, zur Buchungslage der in Betracht kommenden Luftverkehrsunternehmen, zur Anzahl der Begleitpersonen und zur Personalsituation; st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 11, und vom 14. Juli 2020 - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7). Schlägt eine Abschiebung mit Sicherheitsbegleitung fehl, gelten grundsätzlich dieselben Grundsätze auch für einen Antrag auf Verlängerung der Haft (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2020 - XIII ZB 85/19, juris Rn. 24).

12 c) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen zur erforderlichen Dauer der Haft in dem Antrag der beteiligten Behörde nicht.

13 aa) Der lediglich eine Seite umfassende Haftantrag vom 2. Dezember 2019 enthält keine Erläuterung der Notwendigkeit der beantragten Haftdauer von sieben Wochen und drei Tagen. Es heißt lediglich, die Verlängerung der Sicherungshaft bis zum 24. Januar 2020 werde beantragt, um eine Entlassung des Betroffenen aus der Abschiebehaft am 3. Dezember 2019 zu verhindern und eine spätere Abschiebung planen und durchführen zu können. Der im Haftantrag erwähnte Umstand, bei dem Betroffenen handele es sich um einen Intensivstraftäter und "Task-Force-Fall" des Landesamtes für Asyl und Rückführungen, für den weiterhin von einer überdurchschnittlichen Fluchtgefahr ausgegangen werde, wird im Haftantrag lediglich als Motiv dafür angeführt, an einer Abschiebung und Abschiebehaft festzuhalten. Soweit schließlich der ursprüngliche Haftbeschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 24. Oktober 2019 im Einleitungssatz des Haftantrags erwähnt wird und darin eine Verweisung auf diesen Beschluss gesehen werden könnte, ergibt sich auch daraus nichts für die beantragte Dauer der Verlängerungshaft. In dem Beschluss vom 24. Oktober 2019 wird ausgeführt, die Dauer der Sicherungshaft werde mit dem Zeitbedarf für die Organisation der Abschiebung begründet. Weiter heißt es ohne jede nähere Erläuterung lediglich, die beteiligte Behörde habe ihre Bemühungen um eine beschleunigte Abschiebung ausreichend dargelegt.

14 bb) Es ist damit bereits nicht unzweifelhaft, ob die beteiligte Behörde im Haftantrag vom 2. Dezember 2019 überhaupt die Notwendigkeit einer Sicherheitsbegleitung für die Abschiebung geltend gemacht hat, zumal sie sich auch nicht auf eine Auskunft der zuständigen Stelle oder entsprechende eigene Erfahrungen berufen hat, wonach der erforderliche Zeitraum für die Buchung eines Fluges mit Sicherheitsbegleitung die beantragte Haftdauer rechtfertige.

15 Jedenfalls fehlt aber die erforderliche Begründung dafür, warum einerseits für den Verlängerungsantrag mit sieben Wochen und drei Arbeitstagen ein längerer Zeitraum als sechs Wochen für die erneute Organisation der Abschiebung des Betroffenen erforderlich sein sollte, andererseits aber innerhalb dieser Frist die Abschiebung durchführbar sein sollte. Denn wenn der nach den Feststellungen als Passersatzpapier erforderliche, offenbar von den gambischen Behörden ausgestellte "Heimreiseschein" nicht auffindbar und daran die für den 2. Dezember 2019 organisierte Abschiebung gescheitert war, bedurfte es einer Darlegung, aufgrund welcher Umstände zu erwarten war, dass für die Abschiebung der beantragte Haftzeitraum voraussichtlich erforderlich, aber auch ausreichend sein werde. [...]