Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Unionsrechtskonformität des Konzepts von Zweitanträgen im Sinne von § 71a AsylG:
"(...) Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu folgenden Fragen:
1. Ist eine nationale Regelung, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässiger Folgeantrag abgelehnt werden kann, mit Art 33 Abs. 2 Buchst d und Art 2 Buchst. q RL 2013/32/EU vereinbar, wenn das erfolglose erste Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat der EU durchgeführt wurde?
2. Wenn die erste Frage bejaht wird: Ist eine nationale Regelung, nach der ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässiger Folgeantrag abgelehnt werden kann, mit Art 33 Abs. 2 Buchst. d und Art 2 Buchst q RL 2013/32/EU auch dann vereinbar, wenn das erfolglose erste Asylverfahren in Dänemark durchgeführt wurde?
3. Wenn die zweite Frage verneint wird: Ist eine nationale Regelung, nach der ein Asylantrag im Falle eines Folgeantrages unzulässig ist und die dabei nicht zwischen Flüchtlingseigenschaft und subsidiärem Schutzstatus unterscheidet, mit Art 33 Abs. 2 Buchst. d RL 2013/32/EU vereinbar?"
(Amtliche Leitsätze)
[...]
20 2.2. Das nationale Asylrecht regelt in § 71 AsylG den Folgeantrag und in § 71a AsylG den Zweitantrag und die damit verbundene verfahrensrechtliche Behandlung im Unterschied zum Erstantragsverfahren. Der Folgeantrag nach § 71 AsylG ist ein weiterer Asylantrag, nachdem bereits ein Antrag in der Bundesrepublik Deutschland erfolglos war. Der Zweitantrag nach § 71a AsylG ist ein weiterer Asylantrag, nachdem bereits ein Antrag in einem sicheren Drittstaat im Sinne des § 26a AsylG – dies sind die Mitgliedstaaten der EU sowie Norwegen und die Schweiz – erfolglos war. Sinn und Zweck des § 71a AsylG ist es, den Zweitantrag dem Folgeantrag und damit die asylrechtliche Entscheidung des Drittstaats einer asylrechtlichen Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland gleichzustellen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C 4.16 – BVerwGE 157, 18, Rn. 30 [ECLI:DE: BVerwG:2016: 141216U1C4.16.0]; BT-Drs. 12/4450, S. 27).
21 2.3. Die Vorlagefrage dient der Klärung, ob ein Folgeantrag im Sinne der Asylverfahrensrichtlinie auch dann vorliegen kann, wenn der Folgeantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt worden ist, das erfolglose Erstverfahren aber in einem anderen Mitgliedstaat abgeschlossen worden ist.
22 2.3.1. Der Asylverfahrensrichtlinie ist der Begriff des Zweitantrages nicht bekannt. In Art. 33 Abs. 2 lit. d), Art. 2 lit. q) und Art. 40 bis 42 RL 2013/32/EU ist allein der Folgeantrag geregelt.
23 Daraus könnte zu folgern sein, dass der Vortrag neuer Umstände oder Erkenntnisse im Sinne des Art. 33 Abs. 2 lit. d) RL 2013/32/EU gemäß Art. 40 Abs. 1 RL 2013/32/EU nur eine durch besondere Zulässigkeitsbeschränkungen eingeschränkte Prüfung ermöglicht, wenn der neue Vortrag und somit der darauf gestützte Folgeantrag in demselben Mitgliedstaat gestellt wurden, in dem bereits das Erstverfahren erfolglos durchgeführt worden ist. Dafür könnte sprechen, dass die Kommission vorgeschlagen hat, dass jeder weitere Antrag in irgendeinem Mitgliedstaat als nachfolgender Antrag durch den zuständigen Mitgliedstaat behandelt werden soll (Art. 42 Abs. 1 des Vorschlages für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32/EU, 13.07.2016 – COM (2016) 467 final).
24 Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 14.12.2016 die Frage "offengelassen, ob gegen die mitgliedstaatsübergreifende Anwendung des unionsrechtlich ermöglichten Folgeantragskonzepts (vgl. Art. 32 bis 34 Asylverfahrensrichtlinie a. F. bzw. Art. 40 bis 42 Asylverfahrensrichtlinie n. F.) grundsätzliche Bedenken bestehen" (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.12.2016 – 1 C 4.16 – BVerwGE 157, 18, Rn. 26). Seitdem äußert die deutsche verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung keine Zweifel an der grundsätzlichen Unionsrechtskonformität (Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.07.2020 – 5 A 638/19.A – Rn. 12 ff. "acte clair" [ECLI:DE:OVGSN:2020:0727.5A638.19.A.00]; Verwaltungsgericht Cottbus, Urteil vom 14.05.2020 – 8 K 1895/18.A – Rn. 22 ff. [ECLI:DE:VGCOTTB: 2020:0514.8K1895.18.A.00]; Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 09.12.2019 – 10 K 995/18.A – Rn. 33 ff. [ECLI:DE:VGMI:2019:1209.10K995.18A.00]; Verwaltungsgericht Schwerin, Urteil vom 13.09.2019 – 15 A 4496/17 As SN – Rn. 21 ff. [ECLI:DE:VGSCHWE:2019:0913.15A4496.17.00]; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 13.03.2019 – A 1 K 3235/16 – Rn. 25 ff. [ECLI:DE:VGKARLS:2019: 0313.1K3235.16.00]; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.10.2018 – OVG 12 N 70.17 – Rn. 7 "acte clair" [ECLI:DE:OVGBEBB:2018:1022.OVG12N70.17.00]; Verwaltungsgericht Osnabrück, Urteil vom 27.02.2018 – 5 A 79/17 – Rn. 39 [ECLI:DE:VGOSNAB:2018:0227.5A79.17.0A]; Verwaltungsgericht Minden, Beschluss vom 31.07.2017 – 10 L 109/17.A – Rn. 17 ff. [ECLI:DE:VGMI:2017:0731.10L109.17A.00]; Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 10.02.2016 – 5 K 3875/15.TR – Rn. 41 ff. [ECLI:DE:VGTRIER:2016:0210.5K3875.15.TR.0A]).
25 2.3.2. Das vorlegende Gericht neigt der Auffassung zu, dass ein Folgeantrag im Sinne der Asylverfahrensrichtlinie auch vorliegen kann, wenn das erfolglose Erstverfahren in einem anderen Mitgliedstaat abgeschlossen wurde. 26 Zunächst sind die Anwendungsbereiche der Art. 33 Abs. 2 lit. d) und Art. 2 lit. q) RL 2013/32/EU ihrem Wortlaut nach anders als Art. 40 Abs. 1 und Art. 41 Abs. 1 Satz lit. b) RL 2013/32/EU nicht auf Folgeanträge "in demselben Mitgliedstaat" beschränkt.
27 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts dürfte insbesondere der Begriff des Folgeantrages im Sinne des Art. 40 Abs. 1 RL 2013/32/EU, der voraussetzt, dass "in demselben Mitgliedstaat" weitere Angaben vorgebracht werden oder ein Folgeantrag gestellt wird, ein anderer sein als der Begriff des Folgeantrages im Sinne des Art. 2 lit. q) RL 2013/32/EU. Der Begriff des Folgeantrages im Sinne des Art. 2 lit. q) RL 2013/32/EU erfordert eine bestandskräftige Entscheidung im Sinne des Art. 2 lit. e) RL 2013/32/EU. Damit ist die Rechtsfolge des Art. 40 Abs. 1 RL 2013/32/EU unvereinbar. Eine Berücksichtigung der Elemente des Folgeantrags im Rahmen der Prüfung des früheren Antrags oder der Prüfung der Entscheidung, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt wurde, ist wegen der Bestandskraft der Entscheidung nicht möglich.
28 Weiter enthält Art. 40 Abs. 7 RL 2013/32/EU die Bestimmung, dass ein nach ergangener Überstellungsentscheidung gestellter Folgeantrag durch den nach der Dublin III-VO zuständigen Staat zu entscheiden ist. Diese Konstellation ist nur bei Folgeanträgen vorstellbar, die nicht in demselben Staat gestellt werden, in dem das vorangegangene Verfahren abgeschlossen wurde.
29 Insoweit dürfte Art. 42 i. V. m. Art. 4 Abs. 2 lit. i) des Verordnungsvorschlages der Kommission (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32/EU, 13.07.2016 – COM(2016)467 final) lediglich klarstellend sein. Auch Art. 3 Abs. 2 des Vorschlages der Kommission für eine Verordnung, der den Mitgliedstaat des Erstantrages für zuständig erklärt, wenn andere Zuständigkeitsbestimmungen nicht greifen, macht deutlich, dass der Erstantrag immer auch in einem anderen Mitgliedstaat gestellt worden sein können muss (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zu ständig ist (Neufassung), 04.05.2016 – COM(2016)270 final). Es würde der Asylverfahrensrichtlinie zuwiderlaufen, wenn die Möglichkeit zum Vortrag von Asylgründen im Rahmen eines Folgeantrages davon abhängen würde, ob das frühere, bereits abgeschlossene Asylverfahren im selben oder vielmehr in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführt worden ist. Aus Art. 33 Abs. 1 RL 2013/32/EU (identisch mit dem Vorgänger Art. 25 Abs. 1 RL 2005/85/EG) dürfte lediglich im Umkehrschuss folgen, dass die Zuerkennung des erstrebten Rechtsstatus in einem Mitgliedstaat nicht die Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig in einem anderen Mitgliedstaat rechtfertige, nicht aber, dass eine eingeschränkte Prüfung eines Folgeantrages in einem anderen Mitgliedstaat ausgeschlossen ist (vgl. Verwaltungsgericht München, Urteil vom 07.02.2013 – M 11 K 12.30661 – Rn. 21 [ECLI:DE:VGMUENC:2013:0207.M11K12.30661.0A]). In diesem Sinne trifft auch der Erwägungsgrund Nr. 36 der RL 2013/32/EU keine eindeutige Aussage, sodass er einer Auslegung des Art. 33 Abs. 2 lit. d) RL 2013/32/EU nicht entgegensteht.
30 Sinn und Zweck des Gemeinsamen Europäischen Asylverfahrens ist es, dass nach einem erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens in einem Mitgliedstaat ein anderer Mitgliedstaat gerade nicht verpflichtet sein soll, noch einmal ein vollständiges Asylverfahren durchzuführen. Dieser Grundgedanke lässt sich insbesondere auch dem Erwägungsgrund Nr. 36 der RL 2013/32/EU entnehmen (vgl. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 06.06.2013 – C-648/11 – Rn. 64 [ECLI:EU:C:2013:367] zu Art. 25 RL 2005/85/EG). Daran ändert auch der im Erwägungsgrund Nr. 15 RL 2005/85/EG (noch) fehlende Hinweis auf "res iudicata", der in den Erwägungsgrund Nr. 36 RL 2013/32/EU eingefügt worden ist, nichts, da damit lediglich die Befugnisse der Mitgliedstaaten konkretisiert worden sind ohne aber auszuschließen, dass ein Folgeantrag im Sinne der Asylverfahrensrichtlinie auch vorliegen kann, wenn das erfolglose Erstverfahren in einem anderen Mitgliedstaat abgeschlossen wurde. Rechtskräftige Entscheidungen sollen über das Prinzip "res iudicata" mitgliedstaatsübergreifend Tatbestandswirkung erhalten, um weitere Auseinandersetzungen zu vermeiden (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.07.2020 – 5 A 638/19.A – Rn. 17 [ECLI:DE:OVGSN:2020:0727.5A638.19.A.00]). [...]
34 3.2.1. Das vorlegende Gericht stellt zunächst fest, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 20.05.2021 – C-8/20 – Rn. 37 [ECLI:EU:C:2021:404]) ein Folgeantrag im Sinne der Art. 33 Abs. 2 lit. d), Art. 2 lit. q) RL 2013/32/EU nicht vorliegt, wenn das vorausgehende erfolglose Asylverfahren in einem Drittstaat durchgeführt wurde.
35 Die Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 2 lit. d) RL 2013/32/EU setzt zunächst voraus, dass ein Folgeantrag vorliegt. Nach Art. 2 lit. q) RL 2013/32/EU bezeichnet "Folgeantrag" "einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, der nach Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung über einen früheren Antrag gestellt wird, auch in Fällen, in denen der Antragsteller seinen Antrag ausdrücklich zurückgenommen hat oder die Asylbehörde den Antrag nach der stillschweigenden Rücknahme durch den Antragsteller gemäß Artikel 28 Absatz 1 abgelehnt hat".
36 Zum einen kann der frühere Antrag nur ein Antrag im Sinne des Art. 2 lit. b) RL 2013/32/EU sein und setzt damit ein Ersuchen eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen um Schutz "durch einen Mitgliedstaat" voraus. Zum anderen ist die "bestandskräftige Entscheidung" (Art. 2 lit. e) RL 2013/32/EU) eine Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gemäß der RL 2011/95/EU die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist. Dies impliziert eine Bindung an die RL 2011/95/EU, die naturgemäß nur bei Mitgliedstaaten bestehen kann. Zudem enthält Art. 2 lit. e) RL 2013/32/EU eine explizite Bezugnahme auf den Aufenthalt in dem betreffenden Mitgliedstaat.
37 Dänemark ist zwar ein Mitgliedstaat der EU. Ausweislich des Erwägungsgrundes Nr. 51 RL 2011/95/EU bzw. des Erwägungsgrundes Nr. 59 RL 2013/32/EU ist Dänemark aber nicht an der Annahme dieser Richtlinien beteiligt und ist weder durch sie gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.
38 In Dänemark kommen – soweit ersichtlich – die Vorschriften der Richtlinien auch nicht durch einen sonstigen Rechtsakt zur Anwendung. Das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Staates, der für die Prüfung eines in Dänemark oder in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, sowie über "Eurodac" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (ABl. L 66 vom 08.03.2006, S. 38) erfasst weder die Asylverfahrensrichtlinie noch die Qualifikationsrichtlinie.
39 Insbesondere Art. 1 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Staates, der für die Prüfung eines in Dänemark oder in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, sowie über "Eurodac" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens führt nur zu einer begrenzten Gleichstellung mit den übrigen Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Dublinund die Eurodac-Verordnung.
40 3.2.2. Das vorlegende Gericht neigt der Auffassung zu, dass allein die Mitgliedschaft eines Staates in der Europäischen Union ohne eine Bindung an die maßgeblichen asylrechtlichen Regelungen der Europäischen Union, namentlich die Asylverfahrens- und die Qualifikationsrichtlinie, nicht ausreicht, um einen weiteren Asylantrag in einem anderen Mitgliedstaat als unzulässigen Folgeantrag abzulehnen.
41 Dänemark nimmt gerade nicht aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union am Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, sondern lediglich aufgrund des oben genannten Abkommens am Dublin-Zuständigkeitssystem (nunmehr unter der Dublin-III-VO, 604/2013, vgl. § 29a Abs. 2 dänisches Ausländergesetz, Udlændingeloven, LBK Nr. 1513 vom 22.10.2020) sowie dem Eurodac-Verfahren teil. An die Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU), die Asylverfahrensrichtlinie und die Qualifikationsrichtlinie ist Dänemark nicht gebunden. Die fortbestehende Einbeziehung Dänemarks in das Dublin-Zuständigkeitssystem beruht allerdings auf der Annahme, dass das dänische Asylsystem in seinem materiellen Schutzgehalt und in seiner verfahrensrechtlichen Ausgestaltung den unionsrechtlichen Vorgaben äquivalent ist und dass dies ausreichend ist.
42 In seinem Urteil zu der Frage, ob ein weiterer Asylantrag als unzulässiger Folgeantrag abgelehnt werden darf, wenn der erste Antrag in Norwegen gestellt worden ist, hat der Europäische Gerichtshof primär darauf abgestellt, dass Norwegen – anders als vorliegend Dänemark – kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist (Urteil vom 20.05.2021 – C-8/20 – Rn. 39 [ECLI:EU:C:2021:404]). Er hat weiter ausgeführt, dass aus dem Übereinkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Kriterien und Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in Island oder Norwegen gestellten Asylantrags nichts anderes folge, da dieses keine Bestimmungen der Asylverfahrens- oder der Qualifikationsrichtlinie umsetze (ebenda, Rn. 42, 45).
43 Vor diesem Hintergrund neigt das vorlegende Gericht der Auffassung zu, dass der Begriff "Mitgliedstaat" im Sinne der Asylverfahrensrichtlinie einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass er lediglich Mitgliedstaaten, die am Gemeinsamen Europäischen Asylsystem durch ihre Bindung an die genannten Richtlinien teilnehmen, erfasst.
44 3.2.3. Die Ablehnung eines Asylantrages als unzulässig nach Art. 33 Abs. 2 lit. d) RL 2013/32/EU und damit nach § 71a Abs. 1 AsylG setzt neben einem Folgeantrag insbesondere auch ein vorhergehendes erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren im Sinne einer bestandskräftigen Entscheidung voraus. Eine bestandskräftige Entscheidung ist nach Art. 2 lit. e) RL 2013/32/EU eine unanfechtbare Entscheidung darüber, ob einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gemäß der RL 2011/95/EU die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen ist. Die Flüchtlingseigenschaft ist nach Art. 2 lit. j) RL 2013/32/EU die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtling durch einen Mitgliedstaat. Ein Flüchtling ist nach Art. 2 lit. g) RL 2013/32/EU ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der die Vorausaussetzungen des Art. 2 lit. d) RL 2011/95/EU erfüllt. Der subsidiäre Schutzstatus ist nach Art. 2 lit. k) RL 2013/32/EU die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz durch einen Mitgliedstaat. Eine Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz ist nach Art. 2 lit. h) RL 2013/32/EU ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der die Voraussetzungen des Art. 2 lit. f) RL 2011/95/EU erfüllt.
45 Das dänische Ausländergesetz gewährt in § 7 ein Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951 (Abs. 1), für diejenigen, denen in ihrem Heimatland die Todesstrafe, Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe droht (Abs. 2), und (seit einer Gesetzesänderung im Februar 2015) für diejenigen, denen eine Gefahr nach Abs. 2 aufgrund einer besonders schwerwiegenden Situation im Heimatland droht, die durch willkürliche Gewalt und Angriffe gegen Zivilisten geprägt ist (Abs. 3). Dies ähnelt zumindest den entsprechenden europäischen Vorschriften zur Flüchtlingseigenschaft in Art. 2 lit. g) RL 2013/32/EU i. V. m. Art. 2 lit. d) RL 2011/95/EU und zum subsidiären Schutz in Art. 15 RL 2011/95/EU.
46 Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Norwegen, wonach es auf eine Gleichwertigkeit des Schutzniveaus nicht ankomme, da anderenfalls die Rechtssicherheit beeinträchtigt wäre (Urteil vom 20.05.2021 – C-8/20 – Rn. 46-47 [ECLI:EU:C:2021:404]), neigt das vorlegende Gericht der Auffassung zu, dass das Fehlen einer direkten Bindung an die Qualifikationsrichtlinie und damit an die Definitionen von Flüchtlingseigenschaft und subsidiärem Schutz der Annahme eines erfolglos abgeschlossenen Asylverfahrens im Sinne einer bestandskräftigen Entscheidung entgegensteht. [...]