Rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Flüchtlingsanerkennung:
Es besteht ein schutzwürdiges Interesse an einer rückwirkenden Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 S. 2 i.V.m. S. 3 AufenthG. Denn der eindeutige Wortlaut des § 26 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AufenthG, in dem die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis für GFK-Flüchtlinge geregelt ist, stellt hinsichtlich der benötigten Voraufenthaltszeiten ausdrücklich auf den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ab. Es kommt nicht darauf an, dass ebenfalls geregelt ist, dass auch die Zeiten des vorangehenden Asylverfahrens auf die Voraufenthaltszeit anrechenbar sind.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
a) Ohne Erfolg wendet sich der Zulassungsantrag gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch für den in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2010 – 1 C 19.09 – juris Rn. 13).
Der Beklagte macht geltend, die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei für eine spätere Verfestigung des Aufenthalts des Klägers nicht von Bedeutung, da der Aufenthalt eines Ausländers, dem, wie dem Kläger, die Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) zuerkannt wurde, nach § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG als erlaubt gelte und die Zeit dieser Fiktionswirkung auf die für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderliche Dauer des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 1. Alt. AufenthG (vgl. § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) anzurechnen sei.
Dagegen spricht, dass der eindeutige Gesetzeswortlaut des § 26 Abs. 3 AufenthG für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis den entweder fünf- (§ 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) oder dreijährigen (§ 26 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 AufenthG) Besitz einer Aufenthaltserlaubnis voraussetzt und daneben allein die Dauer des vorangegangenen Asylverfahrens für anrechenbar erklärt. § 25 Abs. 1 Satz 3 AufenthG fingiert aber allein die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, nicht jedoch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Mehrere Stimmen in der Literatur verneinen deshalb eine Anrechnung des fiktiv erlaubten Aufenthalts (vgl. Huber/Göbel-Zimmermann, Ausl- u. AsylR, 2. Aufl. 2008, Rn. 562; Maaßen/Kluth in: BeckOK AuslR, Stand: 1.1.2021, § 26 Rn. 18.1; Hailbronner, AuslR, Stand Mai 2021, § 26 Rn. 23).
Ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Vergangenheit lässt sich auch nicht mit dem von der Gegenmeinung (vgl. Fränkel in: Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 26 Rn. 15) u.a. zugrunde gelegten Argument verneinen, der Kläger könne im späteren Verfahren auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis geltend machen, ihm habe ein solcher Anspruch bereits ab der Antragstellung zugestanden. Selbst wenn – was hier nicht entschieden werden muss – im Rahmen der späteren Entscheidung über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG ein bestehender Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 1 1. Alt. AufenthG dem Besitz eines solchen Aufenthaltstitels gleichzustellen und der Ausländer so zu behandeln wäre, als habe er die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 1 1. Alt. AufenthG bereits ab Antragstellung besessen (so Hailbronner, AuslR, Stand Mai 2021, § 26 Rn. 23; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausl- u. AsylR, 2. Aufl. 2008, Rn. 562), steht dies einem schutzwürdigen Interesse des Klägers daran, bereits im vorliegenden Verfahren eine verbindliche Entscheidung hierüber herbeizuführen, nicht entgegen. [...]