Rechtswidrigkeit eines fortdauernden Ausreisegewahrsams wegen Corona-Erkrankung:
Nach Wegfall der Voraussetzungen eines Ausreisegewahrsams kann eine fortdauernde Inhaftierung nicht mehr auf die ursprüngliche Anordnung des Ausreisegewahrsams gestützt werden. Dies gilt auch dann, wenn die betroffene Person an Covid-19 erkrankt ist und die Ausländerbehörde vor der Haftentlassung die Entscheidung des zuständigen Gesundheitsamts abwarten möchte.
(Leitsätze der Redaktion)
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Der Antrag des Betroffenen auf Feststellung einer Rechtsverletzung durch den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 13. November 2020 in Gestalt des Teilabhilfebeschlusses des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 7. Mai 2021 ist auch teilweise begründet. Denn die Anordnung von Ausreisegewahrsam war rechtswidrig, soweit damit Ausreisegewahrsam über den 16. November 2020, 12:00 Uhr hinaus angeordnet wurde und hat den Betroffenen daher diesbezüglich in seinen Rechten verletzt. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet. [...]
Jedoch ist die angeordnete Dauer der Abschiebungshaft, sofern sie über den 16. November 2021, 12:00 Uhr hinausgeht, rechtswidrig und verletzt den Betroffenen in seinen Rechten.
Zwar bewegt sich die angeordnete Dauer grundsätzlich innerhalb des gesetzlichen Rahmens gemäß § 62b Abs. 1 AufenthG, da die Dauer von 10 Tagen nicht überschritten wird. Jedoch stand für die Antragstellerin bereits am Morgen des 16. November 2020 fest, dass der Betroffene nicht am 17. November 2021 abgeschoben werden konnte, da die pakistanischen Behörden kurzfristig die Einreisemodalitäten geändert hatten. Dies wurde der Antragstellerin auf offiziellem Weg zwar erst am 17. November 2021 (Bl. 286 d. AA) mitgeteilt. Gleichwohl ergibt sich aus dem aus der Ausländerakte ersichtlichen E-Mail-Verkehr (Bl. 287 ff. d. AA), dass die Antragstellerin bereits am Morgen des 16. November 2020 von der Nicht-Durchführbarkeit der Abschiebung Kenntnis hatte. Entsprechend bereitete sie auch die Entlassung des Betroffenen vor. Nachdem für diesen jedoch am 16. November 2020 die Information über einen positiven Corona-Test vorlag, brach die Antragstellerin die Entlassung des Betroffenen ab und nahm diesen in Quarantäne, um die Entscheidung des Gesundheitsamts abzuwarten. Ob und wann diese erfolgte, erschließt sich der Kammer aus der vorgelegten Ausländerakte nicht. Vielmehr wurde der Betroffene erst am 17. November 2020 aus dem Ausreisegewahrsam entlassen. Zwar ist nachvollziehbar, dass die Antragstellerin den Betroffenen aufgrund der bestehenden Covid-Diagnose nicht schlicht entlassen wollte, ohne dessen Quarantäne sicherzustellen. Der den Ausreisegewahrsam anordnenden Beschluss des Amtsgerichts Trier konnte dafür jedoch keine Rechtsgrundlage mehr sein, da die Voraussetzungen des § 62b Abs. 1 AufenthG jedenfalls ab dem Vormittag des 16. November 2020 nicht mehr vorlagen.
Der angeordnete Ausreisegewahrsam war daher bis zum 16. November 2020, 12:00 Uhr verhältnismäßig, darüber hinaus jedoch - jedenfalls im Hinblick auf die geplante und letztlich nicht mehr durchführbare Abschiebung - nicht erforderlich und damit nicht verhältnismäßig.
Nach alledem war die Anordnung des Ausreisegewahrsams gegen den Betroffenen über den 16. November 2020, 12:00 Uhr hinaus rechtswidrig und hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. Im Übrigen war der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 13. November 2020 in Gestalt des Teilabhilfebeschlusses des Amtsgerichts Bingen am Rhein vom 7. Mai 2021 der Erfolg zu versagen. [...]