SG Potsdam

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Zitieren als:
SG Potsdam, Beschluss vom 01.03.2021 - S 20 AY 5/21 ER - asyl.net: M29508
https://www.asyl.net/rsdb/m29508
Leitsatz:

Leistungskürzung muss verhältnismäßig und daher an dem Ziel der Erfüllung der Mitwirkungspflicht orientiert sein:

Der Bescheid über die Leistungskürzung nach 3 1a AsylbLG muss erkennen lassen, warum die Behörde annimmt, mit der Sanktion der Leistungskürzung die betroffene Person dazu zu motivieren, ihren Mitwirkungspflichten nachzukommen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Sozialrecht, Leistungskürzung, Anspruchseinschränkung, Mitwirkungspflicht, Ausreisepflicht, Reisepass, Pass,
Normen: AsylbLG § 1a
Auszüge:

[...]

Allerdings hat er sich nicht zugleich dazu verhalten, ob diese Sanktion überhaupt noch geeignet ist, um das gewünschte Verhalten bzw. Ergebnis zu erreichen oder ob eine andere Maßnahme zielführender ist (vgl. Oppermann, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage, Rdnr. 19 zu § 14 AsylbLG, Stand: 24.9.2020). Denn als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch unter Berücksichtigung der bekannten Entscheidung des BVerfG zu den Sanktionen betreffend Empfänger von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende spricht einiges dafür, dass Sanktionen nicht dauerhaft und langjährig verhängt werden dürfen, wobei es das Gericht ausdrücklich offenlässt, welchen Zeitraum es dem Grunde nach als angemessen ansehen würde. Insoweit ließe sich vertreten, dass die Länge der Sanktion abhängig von der Schwere des (vorherigen) Verstoßes gegen gesetzliche Vorschriften ist, zu denen sich das Gericht betreffend die Antragstellerin im konkreten Einzelfall bereits in der Vergangenheit, insbesondere im Verfahren S 20 AY 12/20 ER positioniert hatte. Gleichwohl spricht einiges dafür, dass der Antragsgegner im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 AsylbLG schon zur Vermeidung von rechtlich zumindest problematischen befristeten Ketteneinschränkungen, die faktisch auf eine lediglich wiederholende, ungeprüfte Verlängerung hinauslaufen würden, zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufzuzeigen hat, für welchen konkreten Zeitraum - dieser soll zumindest nach in der Kommentarliteratur zu lesender Auffassung bei einer fortgesetzten Sanktion regelmäßig kürzer als auf sechs Monate festzusetzen sein - die (erneute) Anspruchseinschränkung erfolgt. Zudem ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien ebenfalls unter Bezugnahme auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass ein nicht mehr änderbares, zurückliegendes Fehlverhalten oder sogar ein bereits korrigiertes Fehlverhalten in einer Sanktion nicht unbegrenzt fortwirkt. Bei fortgesetzter Sanktion sei der Zeitraum kürzer als auf sechs Monate festzusetzen. Bei Aussichtslosigkeit der Zweckerreichung sei von der Sanktion sogar ganz abzusehen (vgl. Oppermann, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Auflage, Rdnr. 19 zu § 14 AsylbLG, Stand: 24.9.2020, so i.E. auch Leopold, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, Kommentar, 7. Auflage 2020, Rdnr. 9 zu § 14 AsylbLG). Demgemäß bedarf es ungeachtet dessen, dass nach anderer Auffassung "eine notfalls dauerhaft fortgesetzte Anspruchseinschränkung geboten sein kann, wenn die beabsichtigte Wirkung noch nicht erzielt werden konnte, weil es gegenüber anderen Leistungsberechtigten schwer erklärlich sei, dass trotz Missachtung der nach dem AsylbLG und dem Asyl- und Aufenthaltsrecht vorgesehene Pflichten nach relativ kurzer Dauer dennoch die vollen Leistungen bezogen werden könnten", wohl jedenfalls einer Differenzierung, ob ein nicht mehr korrigierbares Fehlverhalten vorliegt - dies betrifft in erster Linie Fälle einer leistungsmissbräuchlichen Einreiseabsicht - oder ob ein Fall eines änderbaren Verhaltens betroffen ist (vgl. dazu im Einzelnen Leopold, in: Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Auflage 2020, Rdnr. 10 und 11 zu § 14 AsylbLG). [...]