Niedersächsische Weisung: Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 8 der EMRK
(Geänderte Fassung des Erlasses vom 27.04.2015 zur Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG und Verlängerung bis zum 31.12.2022)
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Das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Artikel 8 Abs. 1 EMRK umfasst die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. 2. 2011, 2 BvR 1392/10). Je länger der Aufenthalt andauert, desto bedeutender werden regelmäßig die Beziehungen und Bindungen für die Entfaltung der
Persönlichkeit eines Menschen, d. h. desto verfestigter ist die Integration vorangeschritten. Bei langjährig Geduldeten ist deshalb von der Eröffnung des Schutzbereichs des Artikels 8 Abs. 1 EMRK regelmäßig auszugehen, wenn nicht aufgrund konkreter Anhaltspunkte Zweifel bestehen, dass die oder der Betroffene über intensive persönliche, gesellschaftliche bzw. wirtschaftliche Bindungen zum Bundesgebiet verfügt. Liegen solche konkreten Anhaltspunkte vor, ist zu prüfen, ob die Zweifel gerechtfertigt sind. Das Fehlen einzelner Indikatoren führt nicht zwingend zu der Nichteröffnung des Schutzbereichs. So darf innerhalb dieses Prüfungsschrittes nicht einseitig auf fehlende wirtschaftliche Bindungen bzw. eine misslungene berufliche Integration oder auch die Begehung einer einzelnen Straftat abgestellt werden. Eine Bewertung der Umstände erfolgt vielmehr im Rahmen der Abwägung bei der Prüfung nach Artikel 8 Abs. 2 EMRK. [...]