VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11.11.2020 - 11 B 86/20 - asyl.net: M29057
https://www.asyl.net/rsdb/m29057
Leitsatz:

Duldung wegen anhängigem familiengerichtlichem Verfahren zur Durchsetzung des Umgangsrechts:

Ein Abschiebungshindernis liegt vor, wenn die Möglichkeit des Vaters, in einem familiengerichtlichen Verfahren sein Umgangsrecht durchzusetzen, durch die Abschiebung vereitelt werden würde. Besteht ein Umgangsrecht, kann dies dazu führen, dass für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abzusehen ist (hier mehrere strafrechtliche Ermittlungsverfahren und fehlende Sicherung des Lebensunterhalts).

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Umgangsrecht, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, Ausweisungsinteresse, Familienrechtsstreit, Sicherung des Lebensunterhalts, Duldung, Abschiebungshindernis,
Normen: AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, AufenthG § 60a Abs. 2
Auszüge:

[...]

27 Der Antragsteller ist Vater zweier Töchter mit deutscher Staatsangehörigkeit. Ein Sorgerecht besteht nicht. In der Vergangenheit hatte der Antragsteller Umgang mit seinen Kindern, gegenwärtig offenbar nicht. Es ist jedoch bei dem Amtsgericht ... – Familiengericht – ein Verfahren anhängig, in dem ein Umgangsrecht des Antragstellers Gegenstand ist. Aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ergibt sich eine rechtliche Schutzwirkung zugunsten eines Ausländers, der sich ernsthaft um die Erlangung eines Umgangsrechts bemüht, wenn die Ausreise des Ausländers oder eine Abschiebung den Ausgang des Verfahrens über das Umgangsrecht vorwegnimmt und / oder eine prozessual gebotene Verfahrensbeteiligung vereiteln würde (vgl. EGMR, Urteil vom 11.07.2020 – 29192/95 – juris; Haedicke, HTK-AuslR / § 60a AufenthG / zu Abs. 2 Satz 1 – familiäre Gründe, Rn. 68 m.w.N.). Eine Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers vor einem Abschluss eines laufenden familiengerichtlichen Verfahrens würde – insbesondere angesichts der erheblichen Entfernung seines Heimatstaates – die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen in diesem Verfahren nachhaltig beeinträchtigen und den Schutzbereich des Art. 6 GG und des Art. 8 EMRK verletzen. [...]