KG Berlin

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Zitieren als:
KG Berlin, Beschluss vom 19.09.2019 - 1 W 230/19 - asyl.net: M27808
https://www.asyl.net/rsdb/m27808
Leitsatz:

Anforderungen an den Identitätsnachweis für GFK-Flüchtlinge:

GFK-Flüchtlinge haben Anspruch auf eine Geburtsurkunde für ihr Kind, auch wenn sie keinen (gültigen) syrischen Reisepass vorlegen, aber ihre Identität durch andere Dokumente nachweisen können.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Geburtsurkunde, anerkannte Flüchtlinge, in Deutschland geborene Kinder, Identitätsklärung, Nachweis der Identität, fehlende Geburtsurkunde,
Normen: PStV § 48, PStV § 33
Auszüge:

[...]

Der dem Beteiligten zu 1 am 18. Februar 2019 ausgestellte neue Reiseausweis für Flüchtlinge enthält nicht mehr den Zusatz, dass die Personenangaben nur auf seinen eigenen Angaben beruhen. Ein ohne diesen Zusatz ausgestellter deutscher Reiseausweis für Flüchtlinge (ebenso wie ein solcher für Ausländer) ist ein anerkanntes Passersatzpapier, das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2017, 3152) als Beweismittel für den Nachweis der Identität des Inhabers herangezogen werden kann. Er hat zwar nicht die einem Pass des Heimatstaates entsprechende Beweiswirkung und reicht deshalb allein regelmäßig nicht als Identitätsnachweis aus (BGH a.a.O.). Bei der dem Gericht im Personenstandsverfahren obliegenden umfassenden Aufklärung kommt dem Reiseausweis jedoch Bedeutung zu, wenn die sonst ermittelten Umstände und die von dem Betroffenen in zumutbarer Weise zu beschaffenden Unterlagen für die. Richtigkeit der darin enthaltenen Personenangaben sprechen. So ist es hier.

aa) Dabei geht das Gericht wie das Amtsgericht davon aus, dass bei der Identitätsfeststellung ein Rückgriff auf einen in Deutschland ausgestellten Reiseausweis für Ausländer oder Flüchtlinge in Verbindung mit sonst ermittelten Indizien nicht in Betracht kommt, wenn die betreffende Person einen heimatstaatlichen Reisepass als das vom Gesetz primär vorgesehene Beweismittel vorlegen könnte. Der Beteiligte zu 1 hat jedoch glaubhaft vorgetragen, nicht im Besitz eines syrischen Reisepasses zu sein. Der Senat hält es auch nicht für zumutbar, von dem Beteiligten zu 1 zu verlangen, dass er bei der syrischen Botschaft einen Reisepass beantragt. Der Beteiligte zu 1 ist anerkannter Flüchtling. Gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erlischt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn der Ausländer sich freiwillig durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt. [...]

bb) Außer dem Reiseausweis für Flüchtlinge ohne einschränkenden Zusatz hat der Beteiligte zu 1 eine syrische Personalkarte mit Lichtbild, eine Geburtsurkunde, einen Auszug aus dem syrischen Personenstandsregister für Einzelpersonen, einen Eheschließungsvertrag, eine Eheurkunde, ein syrisches Familienbuch und einen Auszug aus dem syrischen Melderegister für Familien - jeweils mit Übersetzungen - vorgelegt. Sie verweisen jeweils für den Beteiligten zu 1 auf die identische Nationalnummer. Keines dieser Dokumente wäre für sich allein als Identitätsnachweis ausreichend. Insbesondere die mit einem Lichtbild versehene Personalkarte, an der bei der Untersuchung des BAMF keine Manipulationen festgestellt werden konnten, zeigt jedoch, dass die syrischen Behörden dem Beteiligten zu 1 für den innerstaatlichen Gebrauch Dokumente mit denselben Personenangaben ausstellen, die auch in dessen Reiseausweis aufgenommen wurden. Der Besitz weiterer Dokumente mit derselben Nationalnummer spricht verstärkend für die Richtigkeit. Der Umstand, dass die deutschen Übersetzungen der Dokumente jeweils unterschiedliche Schreibweisen des Namens aufweisen, führt dabei nicht zu der Annahme, dass diese auf verschiedene Identitäten verwiesen. Denn die in lateinischen Buchstaben geschriebenen Namen sind klanglich nahezu identisch. Für den Senat ist eindeutig, dass es sich nur um verschiedene Transliterationen desselben Namens handeln kann. [...]