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OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2018 - OVG 3 S 47.18, OVG 3 M 52.18 (Asylmagazin 12/2018, S. 449) - asyl.net: M26617
https://www.asyl.net/rsdb/M26617
Leitsatz:

Recht auf Elternnachzug auch bei zwischenzeitlich eingetretener Volljährigkeit des Kindes:

1. Keine Notwendigkeit für einstweiligen Rechtsschutz bei bevorstehender Volljährigkeit des Kindes beim Elternnachzug, da der Nachzugsanspruch laut Rechtsprechung des EuGH bei Volljährigkeitseintritt nicht vereitelt wird (Urteil vom 12.04.2018 - C-550/16 A. und S. gg. Niederlande - Asylmagazin 5/2018, S. 176 ff. - asyl.net: M26143).

2. Die vom EuGH aufgestellte Frist zur Beantragung des Elternnachzugs innerhalb von drei Monaten nach Schutzzuerkennung greift nicht, wenn diese und auch der Nachzugsantrag noch vor Eintritt der Volljährigkeit des Kindes erfolgt ist.

(Leitsätze der Redaktion; siehe asyl.net Meldung vom 12.10.2018)

Anmerkung:

 

Schlagwörter: Familienzusammenführung, Familiennachzug, Elternnachzug, unbegleitete Minderjährige, Volljährigkeit, Beurteilungszeitpunkt, EuGH, minderjährig, Flüchtlingsanerkennung, Minderjährigkeit, Familienzusammenführungsrichtlinie, Asylverfahren, Frist, A. und S., A und S, Visum,
Normen: AufenthG § 36 Abs. 1, RL 2003/86/EG Art. 2 Bst. f, RL 2003/86/EG Art. 10 Abs. 3 Bst. a,
Auszüge:

[...]

6 Ein Anordnungsgrund folgt nicht aus der bevorstehenden Volljährigkeit der Tochter des Antragstellers. Zwar erlischt der Anspruch auf Nachzug der Eltern zum unbegleiteten minderjährigen Flüchtling nach § 36 Abs. 1 AufenthG der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zufolge (BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9/12 – juris Rn. 17) stets in dem Zeitpunkt, in dem das Kind volljährig wird. Hierin hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 18. April 2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22) einen den Erlass einer einstweiligen Anordnung begründenden Umstand gesehen, wenn ein Anspruch nach § 36 Abs. 1 AufenthG glaubhaft sei, seine Durchsetzung aber bei Erreichen der Volljährigkeit des Kindes im Verlauf des Hauptsacheverfahrens vereitelt würde. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. April 2018 – C-550/16 – (juris Rn. 64) ist Art. 2 Buchst. f in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. EU L 251/12 vom 3. Oktober 2003) aber dahin auszulegen, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und der Stellung seines Asylantrags in diesem Staat unter 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als "Minderjähriger" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist. Hiernach besteht die Notwendigkeit einer einstweiligen Regelung unter dem Gesichtspunkt der drohenden Vereitelung des Anspruchs auf Nachzug der Eltern aus § 36 Abs. 1 AufenthG, der seine Grundlage in Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG hat (vgl. BT-Drucksache 16/5065), bei bevorstehendem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes nicht. Soweit der Antragsteller den auf Familienzusammenführung gerichteten Visumantrag erst mehr als fünf Monate, nachdem seiner Tochter die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war, gestellt hat, greift die vom Gerichtshof der Europäischen Union (Urteil vom 12. April 2018 – C-550/16 – juris Rn. 61) gemachte Einschränkung, dass der Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb einer angemessenen Frist von grundsätzlich drei Monaten ab dem Tag der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu stellen sei, nicht. Diese Frist soll lediglich verhindern, dass sich ein Flüchtling, der zum Zeitpunkt seines Asylantrags unbegleiteter Minderjährigen war, aber während des Verfahrens volljährig geworden ist, ohne jede zeitliche Begrenzung auf Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 berufen könnte, um eine Familienzusammenführung zu erwirken. Einer derartigen zeitlichen Begrenzung bedarf es jedoch nicht, wenn dem Minderjährigen noch vor Erreichen der Volljährigkeit die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist und seine sorgeberechtigten Eltern ebenfalls vor Eintritt der Volljährigkeit des Kindes einen Antrag auf Familienzusammenführung nach § 36 Abs. 1 AufenthG gestellt haben. In einem solchen Fall besteht der Anspruch auf Familienzusammenführung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bis zur gerichtlichen Entscheidung fort und erlischt nicht mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes. [...]