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OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Urteil vom 14.12.2017 - 8 LC 99/17 - asyl.net: M25892
https://www.asyl.net/rsdb/m25892
Leitsatz:

[Abschiebungsandrohung in "das Palästinensische Autonomiegebiet" rechtmäßig:]

Zielstaat der Abschiebung i.S.d. § 59 Abs. 2 AufenthG können neben Staaten im völkerrechtlichen Sinne auch teilautonome Hoheitsträger sein, die über Einreise und Aufenthalt in dem von ihnen beherrschten Gebiet bestimmen können.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Palästinensische Gebiete, Palästinenser, Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung, Zielstaatsbestimmung, souveräner Staat, Teilautonomie, Ausweisung,
Normen: AufenthG § 59, AufenthG § 59 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Welche staatsrechtliche Qualität das Ziel der Abschiebung haben muss, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur geht dahin, dass Zielstaat einer Abschiebungsandrohung i. S. d. § 59 Abs. 2 AufenthG ein Staat im völkerrechtlichen Sinne sein müsse (Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 21.4.2004 - 11 LA 61/04 -, NVwZ-RR 2004, 535, juris Rn. 5; für den Fall der völkerrechtlichen Sezession der Republik Kosovo von der Bundesrepublik Jugoslawien: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 22.7.2008 - 11 S 1771/08 -, InfAuslR 2008, 420, juris Rn. 6 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 8.5.2003 - 1 C 4/02 -, InfAuslR 2004, 40, juris Rn. 20 für Serbien und Montenegro; zum Status von Berg-Karabach: Bayerischer VGH, Urt. v. 18.8.2006 - 9 B 04.30794 -, juris Rn. 19 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, § 59 Rn. 31 (Feb. 2016); Funke-Kaiser, in: GKAufenthG, § 59 Rn. 77 f. (Dez. 2016)). Um einen Staat im völkerrechtlichen Sinne handelt es sich, wenn sich ein auf einem bestimmten Gebiet sesshaftes Volk unter einer selbstgesetzten, von keinem Staat abgeleiteten, effektiv wirksamen und dauerhaften Ordnung organisiert hat (vgl. Bayerischer VGH, Urt. v. 18.8.2006 - 9 B 04.30794 -, NVwZ-RR 2004, 788, juris Rn. 20 m.w.N.).

34 Hierunter fallen die aus dem Gaza-Streifen und dem Westjordanland bestehenden Palästinensischen Autonomiegebiete, deren genaue Abgrenzung hier dahinstehen kann, nicht. Diese werden nicht als unabhängiger Staat, sondern lediglich als autonome politische Einheit mit der Palästinensischen Autonomiebehörde als Vertretung angesehen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 21.4.2004 - 11 LA 61/04 -, NVwZ-RR 2004, 788, juris Rn. 9; Urt. v. 26.1.2012 - 11 LB 97/11 -, InfAuslR 2012, 149, juris Rn. 31 ff. m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.2.1989 - 18 A 858/87 -, NVwZ 1989, 790, juris Rn. 47; VG Augsburg, Urt. v. 6.9.2016, Au 6 K 16.30973 -, juris Rn. 32). [...]

37 § 59 Abs. 2 AufenthG erfasst neben Staaten im völkerrechtlichen Sinne auch teilautonome Hoheitsträger, die über Einreise und Aufenthalt in dem von ihnen beherrschten Gebiet bestimmen können. Dieses Verständnis trägt dem Umstand Rechnung, dass Ziel der Abschiebung insbesondere ein Herkunftsland ist und dass dieser Begriff europarechtlich geprägt ist.

38-41 Gemäß Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (im Folgenden: Rückführungsrichtlinie) ist "Rückkehr" die Rückreise von Drittstaatsangehörigen - in freiwilliger Erfüllung einer Rückkehrverpflichtung oder erzwungener Rückführung - in

- deren Herkunftsland oder

- ein Transitland gemäß gemeinschaftlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder

- ein anderes Drittland, in das der betreffende Drittstaatsangehörige freiwillig zurückkehren will und in dem er aufgenommen wird. [...]