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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 25.07.2000 - 9 C 42.99 - asyl.net: R9430
https://www.asyl.net/rsdb/R9430
Leitsatz:

1. Die Androhung der Abschiebung in den noch ungeklärten Herkunftsstaat enthält keine ordnungsgemäße Zielstaatsbezeichnung im Sinne des § 50 Abs. 2 AuslG, sondern lediglich einen unverbindlichen Hinweis.

2. Ist der Herkunftsstaat ungeklärt, darf in der Abschiebungsandrohung von der Angabe eines Zielstaates nach § 50 Abs. 2 AuslG abgesehen werden.

3. Wird der Herkunftsstaat später geklärt, muss dieser dem Ausländer jedenfalls so rechtzeitig vor der Abschiebung mitgeteilt werden, dass er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. (amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Staatsangehörigkeit ungeklärt, Abschiebungsandrohung, Zielstaatsbezeichnung, Herkunftsstaat
Normen: AuslG § 50 Abs. 2; AsylVfG § 34
Auszüge:

1. Die Androhung der Abschiebung in den noch ungeklärten Herkunftsstaat enthält keine ordnungsgemäße Zielstaatsbezeichnung im Sinne des § 50 Abs. 2 AuslG, sondern lediglich einen unverbindlichen Hinweis.

2. Ist der Herkunftsstaat ungeklärt, darf in der Abschiebungsandrohung von der Angabe eines Zielstaates nach § 50 Abs. 2 AuslG abgesehen werden.

3. Wird der Herkunftsstaat später geklärt, muss dieser dem Ausländer jedenfalls so rechtzeitig vor der Abschiebung mitgeteilt werden, dass er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. (amtliche Leitsätze)

Die Abschiebungsandrohung ist auch nicht teilweise insoweit aufzuheben als das Bundesamt als vorrangiges Abschiebeziel den - noch ungeklärten - "Herkunftsstaat" des Klägers benannt hat. Denn diese Angabe hat, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, anders als die Bezeichnung eines konkreten Zielstaats keinen Regelungscharakter; sie stellt lediglich einen vorläufigen unverbindlichen Hinweis dar. Aus ihr ergeben sich keine Rechtsfolgen. Insbesondere ist der Ausländer nicht schlechter gestellt als bei einer ohne Angaben zum Abschiebeziel erlassenen Abschiebungsandrohung. In beiden Fällen muss ihm vor der Abschiebung der Zielstaat bekannt gegeben und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ermöglicht werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16. November 1999 - BVerwG 9 C 4.99 - BVerwGE 110, 74 80 f.>). Der Kläger ist aufgrund des Hinweises auf den Herkunftsstaat in der Abschiebungsandrohung auch nicht nach § 70 Abs. 3 AuslG gehindert, im Verwaltungsverfahren Abschiebungshindernisse hinsichtlich des später konkretisierten Zielstaats geltend zu machen. Auch kann ihm in diesem Fall nicht unter Berufung auf die Bestandskraft der Abschiebungsandrohung entgegengehalten werden, er hätte seine zielstaatsbezogenen Einwendungen schon im Verfahren gegen die Abschiebungsandrohung geltend machen können und müssen. Denn sowohl die (formelle) Präklusion nach § 70 Abs. 3 AuslG als auch der allgemein aus der Bestandskraft eines Verwaltungsakts folgende Ausschluss von Einwendungen setzt eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Bezeichnung eines konkreten Zielstaates in der Abschiebungsandrohung voraus. Die positive oder negative Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse kann nämlich grundsätzlich nur in Ansehung der tatsächlichen Verhältnisse eines konkreten Staates getroffen und gerichtlich überprüft werden. Mit der Androhung der Abschiebung in den "Herkunftsstaat" kann deshalb nicht mehr erreicht werden als mit dem allgemeinen Hinweis auf andere aufnahmebereite Staaten nach § 50 Abs. 2 AuslG. Dieser Hinweis soll dem Ausländer lediglich klar machen, dass er ohne erneute Abschiebungsandrohung in einen später noch zu benennenden (anderen) Staat abgeschoben werden kann. Ob für die nachträgliche Konkretisierung des Zielstaates in Fällen wie dem vorliegenden das Bundesamt oder die Ausländerbehörde zuständig ist und in welcher Weise beide Behörden dabei gegebenenfalls angesichts der nach wie vor bestehenden Zuständigkeit des Bundesamtes für Entscheidungen über Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (vgl. § 24 Abs. 2 AsylVfG) zusammenwirken müssen, bedarf hier keiner Klärung.

Ob ferner im Falle des Klägers wegen der bestandskräftig gewordenen negativen Feststellung des Bundesamts zu § 53 AuslG Abschiebungshindernisse gegenüber einer späteren Konkretisierung des Herkunftsstaates als Zielstaat nur noch beschränkt geltend gemacht werden können, etwa in der Weise, dass diese nur nach Maßgabe des § 51 VwVfG zu prüfen sind, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.