OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.03.2000 - 7 A 10030/00.OVG - asyl.net: R6365
https://www.asyl.net/rsdb/R6365
Leitsatz:

Heilungsmöglichkeit eines anfänglich rechtswidrigen Bescheides durch Wiederruf; zum Ablauf der Klagefrist beim Einwurf- Einschreiben. (Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Irak, Kurden, Abschiebungsschutz, Widerruf, Rücknahme, Umdeutung, Ermessen, Illegale Ausreise, Antragstellung als Asylgrund, Änderung der Sachlage, Nordirak, Gebietsgewalt, Interne Fluchtalternative, D (A), Verfahrensrecht, Klagefrist, Fristversäumnis, Zustellung, Einschreiben
Normen: AuslG § 51 Abs. 1; AsylVfG § 73 Abs. 1 S. 1; VwVfG § 48; VwVfG § 47 Abs. 3
Auszüge:

Setzt § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG voraus, dass eine nachträgliche Änderung der asylrelevanten Umstände eingetreten ist, ist der Widerruf vorliegend zu Unrecht erfolgt.

Weder hinsichtlich der asylrelevanten Lage im Irak noch hinsichtlich der für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 AuslG maßgeblichen Umstände in der Person des Klägers hat sich nämlich in der Zeit zwischen dem Erlass des ursprünglichen Bescheides vom 13. Februar 1996 bis zum Erlass des Widerrufsbescheides vom 3. Februar 1999 eine Veränderung ergeben. Es ist, wie bei allen Lebenssachverhalten und insbesondere bei politischen Abläufen, eine Entwicklung festzustellen.

Die asylrechtlichen "Eckdaten" im Irak, insbesondere die Situation der Kurden im Nordirak, ist aber seit Ende 1991 im Wesentlichen unverändert geblieben. Grund für den Widerruf war vorliegend in Wahrheit eine unzutreffende Beurteilung der Rechtslage durch die Beklagte bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 51 AuslG. Wie sich aus den Gründen des Bescheides vom 13. Februar 1996 ergibt, hatte sich die Beklagte nämlich darauf beschränkt, eine Gefährdung des Klägers im Irak wegen der Asylantragstellung festzustellen, ohne auf die auch seinerzeit schon bestehende Möglichkeit einer ungefährdeten Rückkehr in den Nordirak einzugehen. Mit dem Widerruf hat die Beklagte somit nicht einer nachträglichen Veränderung der asylerheblichen Umstände Rechnung getragen, sondern die anfängliche Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13. Februar 1996 geheilt. Der mit Bescheid vom 3. Februar 1999 ausgesprochene, auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Widerruf kann auch nicht etwa in eine Rücknahme ex nunc gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG umgedeutet werden. Aus der Sicht des Senats spricht bereits viel dafür, dass mit den Vorschriften der §§ 72 f. AsylVfG eine abschließende Regelung für die Aufhebung bestandskräftiger Feststellungen gemäß § 51 Abs. 1 AuslG getroffen werden sollte. Wie bereits oben angesprochen waren dem Gesetzgeber bei Erlass dieser Vorschriften die allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes über die Aufhebung bestandskräftiger Verwaltungsakte bekannt. Der Gesetzgeber hat aber im Zusammenhang mit dem §§ 72 ff. AsylVfG auf die §§ 48 f. VwVfG in keiner Weise Bezug genommen, sondern eine eigenständige, von den §§ 48 f. VwVfG in vielfacher Hinsicht abweichende Regelung getroffen. So sieht § 72 aufgrund bestimmter Verhaltensweisen des begünstigten Ausländers sogar ein Erlöschen des ihn begünstigenden Verwaltungsaktes unmittelbar aufgrund des Gesetzes vor. § 73 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG entspricht zwar in seinen Voraussetzungen dem § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, räumt aber anders als das Verwaltungsverfahrensgesetz der Behörde bei dem Widerruf kein Ermessen ein. Gleiches gilt für die in § 73 Abs. 2 AsylVfG normierte Rücknahme aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben. Diese Struktur der §§ 72 ff. AsylVfG lässt darauf schließen, dass ein einmal eingeräumter Status nur aufgrund der Spezialbestimmungen der §§ 72 f. AsylVfG wieder entzogen werden soll.

Selbst wenn man aber eine nachrangige Heranziehung der §§ 48, 49 VwVfG für grundsätzlich möglich halten wollte, muss berücksichtigt werden, dass die von der Beklagten als Rechtsgrundlage herangezogene Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur eine gebundene Entscheidung ermöglicht, während der Behörde gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG für den Widerruf rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte ein Ermessen eingeräumt ist. Ein fehlerhafter Verwaltungsakt, der nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann aber gemäß § 47 Abs. 3 VwVfG nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.