Keine drohende Verfolgung aufgrund exilpolitischer Betätigung für die PDSC in Deutschland.
(Leitsatz der Redaktion)
Der Kläger zu 1) - die Kläger zu 2) bis 5) leiten ihre Asylansprüche im Wesentlichen aus dem geltend gemachten Verfolgungsschicksal des Klägers zu 1) ab - ist nicht als vorverfolgt anzusehen, weil schon der die Herabstufung des Prognosemaßstabes rechtfertigende innere Zusammenhang zwischen behaupteter Vorverfolgung, und befürchteter Rückkehrverfolgung nach dem Sturz des Regimes Mobutu nicht (mehr) besteht. Darüber hinaus hat der Kläger zu 1) nicht glaubhaft gemacht, dass er vor der Ausreise politisch verfolgt wurde.
Die somit unverfolgt ausgereisten Kläger zu 1) bis 5) und der Kläger zu 6) können ihre Anerkennung als Asylberechtigte nicht aufgrund eines im Sinne des § 28 AsylVfG beachtlichen Nachfluchtgrundes verlangen. Ein unverfolgt ausgereister Asylbewerber, der nach Verlassen des Heimatlandes subjektive Nachfluchtgründe aus eigenem Entschluß schafft, wird selbst bei im Rückkehrfalle mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohender politischer Verfolgung in der Regel nur dann als Asylberechtigter anerkannt, wenn der Entschluß hierzu einer festen und im Herkunftsstaat bereits erkennbar betätigten Überzeugung entspricht oder der Betreffende sich bei der Ausreise zumindest in einer latenten Gefährdungslage befunden hat. Nach diesen Maßstäben sind die Kläger bei Rückkehr in ihr Heimatland nicht von politischer Verfolgung im Sinne des Art. 16 a GG bedroht.
Die von dem Kläger zu 1) vorgetragenen exilpolitischen Aktivitäten für die PDSC in Deutschland beruhen nicht auf einer festen und in der Demokratischen Republik Kongo bereits betätigten Überzeugung. Aber selbst einmal unterstellt, der erforderliche Bezug der geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgründe zu den Ereignissen im Heimatland wäre gegeben, könnten sich die Kläger wegen der Tätigkeit des Klägers zu 1) für eine exilpolitische Organisation im Bundesgebiet oder wegen ihrer Asylantragstellung nicht auf asylrechtlich erhebliche subjektive Nachfluchtgründe berufen. Wegen der geltend gemachten exilpolitischen Betätigung des Klägers zu 1) gegen das Kabila-Regime besteht keine beachtliche Rückkehrgefahr.
Das Auswärtige Amt geht in seinem Lagebericht vom 7. Mai 1999 davon aus, dass allein die Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei in der Regel keine von der Regierung Kabila veranlassten Repressionsmaßnahmen auslöse. Es belegt seine Einschätzung damit, dass es Menschenrechtsorganisationen zufolge nicht zur systematischen Verfolgung von Mitgliedern der Oppositionsparteien komme. Das AA führt unter Nennung zahlreicher Beispiele weiter aus, dass nach wie vor Führungspersönlichkeiten der Opposition sowie andere Mitglieder oppositioneller Parteien aus den unterschiedlichsten Gründen (etwa öffentlich geäußerte Kritik an der Regierung Kabila bzw. der Verdacht, mit den Rebellenbewegungen RCD oder MCL in Verbindung zu stehen) eingeschüchtert oder vorübergehend verhaftet würden. Eine generelle Einschätzung zur Rückkehrgefährdung von Personen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt hätten, sei derzeit nicht möglich. Das Amt stützt sich dabei auf übereinstimmende Erklärungen namhafter Menschenrechtsorganisationen, wonach in jedem Einzelfall zu prüfen sei, ob eventuelle exilpolitische Aktivitäten des Asylantragstellers bzw. bestehende Kontakte des Antragstellers zu den Rebellenbewegungen RCD und MLC den kongolesischen Sicherheitsbehörden bekannt geworden seien und als ernstzunehmender Versuch gewertet würden, das aktuelle Regime unter Präsident Kabila in der Öffentlichkeit zu diskreditieren bzw. zu schwächen. Den Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisationen zufolge sei es jedoch im Falle einfacher Mitgliedschaft beispielsweise in einem Regionalverband der UDPS in Deutschland sowie im Falle der bloßen Teilnahme an gegen die Regierung gerichteten Kundgebungen in deutschen Großstädten eher unwahrscheinlich, dass die betreffende Person allein schon deshalb ins Blickfeld der für Staatsicherheit zuständigen kongolesischen Behörden gerate. Dieser Einschätzung der Menschenrechtsorganisationen schließt sich das AA an. In seinem ad-hoc-Bericht zur aktuellen Lageentwicklung in der Demokratischen Republik Kongo vom 12. August 1999 führt das AA ergänzend aus, dass hinsichtlich der Rückkehrgefährdung von Personen, die mit den Rebellenbewegungen RCD und MLC in Verbindung gebracht werden könnten, anzzmerken sei, dass nach Bekanntmachung des kongolesischen Präsidialamtes vom 13. Juli 1999 im staatlichen Fernsehn Präsident Kabila die Entscheidung getroffen habe, alle Landsleute, die auf Seiten der Rebellion zu den Waffen gegriffen hätten, amnestieren zu wollen.
Amnesty international legt in seiner Auskunft vom 22. April 1999 an das VG München dar, dass das Parteiendekret vom 29.1.1999 nichts an der Verfolgung von tatsächlichen oder vermeintlichen Regimegegnern geändert habe. Personen, die sich in der Opposition gegenüber Präsident Kabila und seinem Regime engagierten oder auch nur eines solchen Engagements verdächtigt würden, seien ständig in Gefahr, Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen zu werden. Dasselbe gelte für Personen, die ihre politischen Aktivitäten im Ausland entfalteten. Die im Rahmen der Menschenrechtsarbeit der Organisation zur Demokratischen Republik Kongo gewonnenen Erkenntnisse ließen den Schluß zu, dass zumindest Personen, die sich im Exil - beispielsweise in Deutschland - politisch gegen die Staatsführung unter Präsident Kabila betätigt hätten, bei ihrer Rückkehr mit Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit rechnen müssten ( Auskunft vom 19.7.1999 an das VG Sigmaringen). Über gezielte Beobachtungs- und Ausforschungstätigkeiten durch Staatsorgane der Demokratischen Republik Kongo in der Bundesrepublik Deutschland lägen amnesty international keine eigenen verläßlichen Informationen vor.
Dem Institut für Afrika-Kunde (Auskunft vom 13.1.1999 an VG Düsseldorf) liegen keine verwertbaren Informationen darüber vor, wie die Kabila-Regierung mit Rückkehrern verfahre, die sich exilpolitisch betätigt hätten. Es sei allerdings davon auszugehen, dass das "Standbein" der Regierung im Ausland, d.h. Botschaften und verdeckt agierende Geheimdienstler, "Auslandsaufklärung" betreibe und verfolgungsrelevante staatliche Stellen im Heimatland mit Informationen versorge, die die Verfolgung exilpolitischer Aktivisten nach Rückkehr ermöglichten.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat auf entsprechende Anfrage des Senats unter dem 5. März 1999 mitgeteilt, dass über die Nachrichtendienste der Demokratischen Republik Kongo und eventuell von ihnen ausgehende Aktivitäten auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland keine Erkenntnisse vorlägen. Ebenfalls keine Erkenntnisse lägen über Informationssammlungen und deren evtl. Weitergabe an die kongolesischen Sicherheitsdienste durch die Auslandsvertretung (Botschaft) in Bonn vor. Das Bundesministerium des Innern hat sich dieser Stellungnahme unter dem 17. März 1999 angeschlossen.
Nach dem vorliegend wiedergegebenen Stand der Erkenntnisquellen vermag der Senat nicht festzustellen, dass dem Kläger zu 1) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung bei Rückkehr in sein Heimatland wegen der in der Bundesrepublik Deutschöand ausgeübten und gegen die Regierung Kabila gerichteten Aktivitäten droht. Der Senat geht bei seiner Würdigung der vorhandenen Erkenntnismittel zunächst davon aus, dass die Auslandsaktivitäten des Klägers zu 1) den maßgeblichen Regierungsstellen in der Demokratischen Republik Kongo nicht bekannt geworden sind.
Der Kläger zu 1) ist (...) der PDSC in der Bundesrepublik Deutschland bei der Vertretung aller PDSC-Auslandsparteien in Brüssel, einer Exilorganisation, die nach den Worten ihres Europa-Repräsentanten Mpeti anlässlich der Podiumsdiskussion während der Tagung über die aktuelle politische Lage im Heimatland des Klägers zu 1) am (...) in (...) eine Änderung der politischen Verhältnisse durch Dialog mit den neuen Machthabern des Kongo, Sensibilisierungskampagnen, Aufklärung der Bevölkerung und Handeln unter Ausnützung diplomatischer Kanäle erreichen will. In seiner Eigenschaft als (...) der Sektion (...) und später als (...) aller PDSC-Sektionen im Bundesgebiet bei der Zentrale in Europa in (...) hat der Kläger zu 1) verschiedene Veranstaltungen auf regionaler Ebene organisiert bzw. hat an ihnen teilgenommen und bei diesen Gelegenheiten das Wort ergriffen und/oder schriftliche Stellungnahmen verfasst, darüber hinaus an zwei Demonstrationen in (...) teilgenommen und weitere Aktivitäten entfaltet, die der Kläger zu 1) in seinen im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätzen ausführlich beschrieben hat.
Der Senat ist der Überzeugung, dass diese Aktivitäten des Klägers zu 1) für die PDSC im Bundesgebiet den verfolgungsrelevanten Regierungsstellen der Demokratischen Republik Kongo nicht bekannt geworden sind. Hierfür spricht zunächst einmal, dass nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht von der Funktionstüchtigkeit eines bestehenden Auslandsgeheimdienstes ausgegangen werden kann. Dazu kommt, dass keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für die Annahme besteht, der Kläger zu 1) werde wegen seiner bisherigen exilpolitischen Aktivitäten in das Blickfeld der Regierungsgewalt der Demokratischen Republik Kongo geraten. Auch der von dem Kläger zu 1) erwähnte Zeitungsartikel in der lokalen (...), die in (...) erscheint, vom (...), in dem der Kläger zu 1) namentlich als "Vertreter einer Oppositionspartei" und "Gegner des kongolesischen Regimes bezeichnet wird, belegt nicht, dass die Aktivitäten des Klägers zu 1) maßgeblichen Stellen in dessen Heimatland bekannt geworden sein könnten. Auch hierbei handelt es sich nur um eine regionale Publikation mit einer auf den Raum (...) beschränkten Öffentlichkeitswirksamkeit. Auch soweit der Kläger zu 1) an zwei Demonstrationen in (...) teilgenommen und bei diesen Gelegenheiten Flugblätter verteilt und Reden gehalten hat, liegen keine verläßlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Beteiligung den Behörden des Heimatlandes des Klägers zu 1) bekannt geworden ist.
Soweit der Kläger zu 1) als (...) der PDSC mit Datum vom (...) für die Exilorganisation eine Stellungnahme zum Parteiendekret (...) an die Botschaft seines Heimatlandes in (...) verfasst, kouvertiert und unter Zeugen in einen Briefkasten eingeworfen hat, ist nicht wahrscheinlich, dass diese Stellungnahme erfasst, ausgewertet und zum Anlass genommen wird, den Kläger zu 1) im Falle seiner Rückkehr asylrelevant zu bedrohen.
Aber selbst wenn dem Herkunftsstaat des Klägers zu 1) dessen exilpolitische Betätigung bekannt geworden sein sollte, sprechen gewichtige Umständ dagegen, dass ihm bei einer Rückkehr deshalb Verfolgungsmaßnahmen drohen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 8. Mai 1998 (1 L 1690/96) nach dem damaligen Erkenntnisstand ausgeführt, dass grundsätzlich erst öffentlichkeitswirksame Aktivitäten gegen das Regime Kabila im Inland Anlass zur Verfolgung durch den kongolesischen Staat gäben, nicht jedoch eine oppositionelle Betätigung im Ausland. Aus den Berichten über das Vorgehen der derzeitigen Machthaber gegen Führungspersönlichkeiten der Oppositionsparteien, insbesondere Tshisekedi, sowie gegen Teilnehmer an Demonstrationen oder gegen Parteiorganisationen und gegen öffentliche Parteiveranstaltungen ergäbe sich, dass es der derzeitigen Regierung in der Demokratischen Republik Kongo um den Ausschluss publikumswirksamer Aktivitäten im Inland gehe. Diese Einschätzung hat in ihrem Kern nach wie vor Gültigkeit.