VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Urteil vom 17.12.1999 - 8 B 99.31038 - asyl.net: R5331
https://www.asyl.net/rsdb/R5331
Leitsatz:
Schlagwörter: Nepal, Maobadi-Partei, Mitglieder, Flugblätter, Haft, Gefangenenbefreiung, Haftbefehl, Vorverfolgung, Zukunftsprognose, Folter, Verschwindenlassen
Normen: AuslG § 51 Abs. 1
Auszüge:

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 1999 muss der Kläger als vorverfolgt angesehen werden. Nach seinen nicht widerlegten Angaben ist der Kläger - wie übrigens auch seine Eltern - Mitglied der Maobadi-Partei. Vor seiner Verhaftung in Rolpa am 18. März 1997 hat er sich in der Partei über einen Zeitraum von etwa drei Monaten aktiv, allerdings nicht terroristisch betätigt. Namentlich ist er als Spendensammler für die Maobadi-Partei, als Verteiler von Flugblättern und als Parteiredner gegenüber der Landbevölkerung aufgetreten. Ferner hat er mit Farbe Parolen an Mauerwände gesprüht wie "Nieder mit der Monarchie, es lebe der Maoismus, es lebe die Volksdemokratie"; dabei ist er dann auch von der Polizei festgenommen worden. Die Teilnahme an bewaffneten Aktionen oder Überfällen hat er allerdings verneint. Jedoch war er nach seinen Angaben zwei Mal an mehr oder minder gewalttätigen Aktionen beteiligt, bei denen Kandidaten anderer Parteien von Anhängern der Maobadi-Partei vorübergehend "in Gewahrsam" genommen wurden, um zu verhindern, dass sie an den Parlamentswahlen teilnehmen; seinen Angaben nach sollten diese dabei "überzeugt werden, von einer Teilnahme an den Parlamentswahlen abzusehen". Da all diese politischen Aktivitäten über eine rein passive Mitgliedschaft in der Maobadi-Partei hinausgehen, kann seinen Darlegungen, dass er von der Polizei nach seiner Festnahme inhaftiert worden ist, eine gewisse Plausibilität nicht abgesprochen werden, zumal vor allem die Polizei nach den oben 1. genannten Quellenangaben als Träger des Kampfes gegen die Maoisten in Erscheinung tritt.

Im Hinblick auf die Verfolgung kommt es für die Beurteilung einer Verfolgungsgefahr i.S.d. § 51 Abs. 1 AuslG lediglich darauf an, ob es mehr als überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Kläger im Falle der Rückkehr nach Nepal vor Verfolgungsmaßnahmen sicher ist; d.h. es gilt nicht der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, sondern der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. BVerwGE 104, 97/99). Nach den oben 1. genannten Erkenntnisquellen ist eine politische Verfolgung aktiver Mitglieder der Maobadi-Partei im Gefolge von Polizeiaktionen gegen "maoistisch Aufständische" nicht auszuschließen, mögen diese auch hauptsächlich auf bestimmte Distrikte in der Mittelwestregion Nepals beschränkt sein. In Bezug auf den Kläger ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass er auf Grund seiner Flucht aus dem Gefängnis bzw. der Polizeihaft im Rückkehrfalle mit erneuter Verhaftung rechnen müsste. Auch wenn eine solche Verhaftung im Ansatz einer nicht zu beanstandenen Verfolgung begangener Straftaten zuzuordnen sein sollte, berichten die oben 1. genannten Erkenntnisquellen übereinstimmend, dass gegen von der Polizei in Haft genommene Anhänger von maoistischen Organisationen wie der Maobadi-Partei unter Umständen mit Folter, extralegalen Hinrichtungen und "Verschwindenlassen" vorgegangen wird.