Die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers mit dem Ziel, die Beklagte zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu verpflichten, ist begründet.
Die Frage, ob die vom Kläger geltend gemachte Verschlimmerung der Niereninsuffizienz sowie die in Armenien nicht gegebenen Möglichkeit einer Nierentransplantation die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG erfüllen, ist an Hand der von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze zu beantworten (vgl. zuletzt BVerwG Urteil vom 17.10.2006 - 1 C 18/05 - juris - m.z.N.; zu § 53 Abs. 6 AuslG: BVerwG Urteil vom 9.9.1997 - 9 C 48196; InfAuslR 1998, 125).
Es ist nichts darüber bekannt, dass in Armenien der Anteil der an terminaler Niereninsuffizienz Erkrankten an der Gesamtbevölkerung so groß wäre, dass dies die Annahme einer Gefährdungssituation für eine ganze Bevölkerungsgruppe im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen könnte. Da die individuelle Erkrankung des Klägers somit zu einer singulären Gefährdungssituation führt, ist eine ausländerrechtliche Leitentscheidung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht zu treffen.
Wegen seiner terminalen Niereninsuffizienz drohen dem Kläger bei Rückkehr nach Armenien erhebliche konkrete Gefahren für Leib und Leben im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Finanzielle Beschränkungen des Zugangs zu erforderlichen Behandlungen, auch wenn diese im Zielstaat der Abschiebung grundsätzlich möglich sind, sind ein Umstand, der einen ursächlichen Entstehungsgrund für eine konkrete, erhebliche Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellt (vgl. BVerwG Urteil vom 29.10.2002 - 1 C 1/02 = DVBl 2003, 463). Der arbeitsunfähig erkrankte Kläger hat im Bundesgebiet weder Einkünfte erzielt noch sich Ersparnisse geschaffen, so dass es ihm - zumal ohne verwandtschaftliche Beziehungen im Herkunftsland - nicht möglich ist, auch nur einen Teil der für die regelmäßige Dialysebehandlung anfallenden Kosten aus eigenem Vermögen aufzubringen. Dass er sich mit Erfolg um eine Berechtigung für ein kostenlose Therapie bemühen oder Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen erhalten könnte, erscheint angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles weder möglich noch zumutbar. Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist aus fiskalischen Gründen beschränkt; sie wird regelmäßig nach dem Regierungsbeschluss Nr. 318 - N, Anlage 2 Pkt. 2 "Organisation und Finanzierung der staatlich abgesicherten kostenlosen medizinischen Betreuung" auch unter Berücksichtigung des Bedarfs neu ermittelt. Dialysebehandlungen sollen in Armenien entsprechend dem sog. staatlichen Auftrag nach dem Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung in der Republik Armenien unabhängig vom Alter der an Niereninsuffizienz erkrankten Patienten grundsätzlich kostenlos durchgeführt werden. Es besteht ein Rechtsanspruch auf die nach diesem Gesetz festgeschriebenen Leistungen, der auch einklagbar ist. Dafür muss jedoch zunächst die "Invalidität" des Patienten vor Ort durch die für den Wohnsitz zuständige Ärztekommission festgestellt werden. Fällt der Dialysepatient in eine der drei in Armenien bekannte Invaliditätsgruppen, so ist die gesamte medizinische Betreuung, Versorgung und Behandlung kostenlos. Der Kläger würde in Anbetracht seines, den vorliegenden ärztlichen Attesten zufolge schon derzeit kritischen Gesundheitszustands die Zeit, bis er sich im Herkunftsstaat einen kostenlosen Zugang zu einer Dialysebehandlung erstritten haben könnte, kaum überleben, da er nicht über die finanziellen Mittel zur Überbrückung dieses Zeitraums verfügt. Nach Überzeugung des Senats ist für den Fall der Rückkehr des Klägers nach Armenien vielmehr anzunehmen, dass er aller Voraussicht nach nicht in der Lage sein wird, die für ihn lebensnotwendige mehrmalige Dialysebehandlung pro Woche rechtzeitig zu erhalten, und er daher Gefahr läuft, entweder körperlich schwer geschädigt zu werden oder nicht zu überleben. Diese Gefahr würde bereits alsbald nach der Rückkehr des Klägers nach Armenien eintreten.
Die für ihn lebensnotwendige Dialysebehandlung wäre bei Rückkehr nach Armenien für den Kläger aber nicht nur nicht finanzierbar, sondern würde zur Überzeugung des Gerichts für ihn schwerste Gesundheitsgefahren nach sich ziehen, die ein Abschiebeverbot i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen.
Das Auswärtige Amt hat unter dem 26. Juni 2005 gegenüber dem Verwaltungsgericht bekundet, es sei nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen der Dialysebehandlung ein Filter für mehrere Patienten benutzt werde, allerdings stelle dies nicht den Regelfall dar. Auch HIV-Infizierte oder an Hepatitis erkrankte Personen erhielten nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes Dialysebehandlungen.
Der Kläger hat dem Verwaltungsgericht Regensburg eine in die englische Sprache übersetzte Auskunft des Deputy Minister (Stellvertretenden Ministers) des Gesundheitsministeriums der Republik Armenien, Tatul Hakobyan, vom 14. Januar 2005 vorgelegt. Dass es sich bei Tatul Hakobyan tatsächlich um einen Deputy Minister des armenischen Gesundheitsministeriums handelt, ergibt sich u.a. aus der offiziellen Website der Republik Armenien (http:/www.gov.am/enversion/ministry_5/ministr/-1.htm). Der Auskunft von Tatul Hakobyan lässt sich entnehmen, dass in Armenien in fünf Gesundheitseinrichtungen Dialyse vorgenommen wird. Die Dialysegeräte seien veraltet und ihre Qualität entspreche nicht den Standardanforderungen. In sämtlichen Dialyseeinrichtungen fehle es an Filtern und aufgrund einer Kürzung der finanziellen Mittel werde jeder Filter im Durchschnitt viermal benutzt. Im Jahre 2004 seien 944 Fälle von Hepatitis registriert worden, davon 798 Hepatitis A, 106 Hepatitis B und 47 Hepatitis C. Aufgrund einer Verbesserung der Diagnosemöglichkeiten werde eine steigende Tendenz der Fälle von Hepatitis C beobachtet. Möglicherweise würden Hepatitis C und andere Infektionen in Ermangelung diagnostischer Untersuchungen auch durch Spenderblut übertragen. Es seien 288 Fälle von AIDS und 60 Fälle von HIV-Infektionen in Armenien registriert. Die Dialyse bei an HIV/AIDS bzw. Hepatitis B und C erkrankten Patienten werde, soweit erforderlich, nicht unter speziellen Bedingungen durchgeführt.
In einem dem Verwaltungsgericht ebenfalls vorgelegten Dokument des stv. Gesundheitsministers Tatul Hakobyan vom 19. August 2005 bestätigt dieser, dass es sich bei seiner Auskunft vom 14. Januar 2005 um eine offizielle Äußerung des Gesundheitsministeriums handle.
Der Kläger selbst hat vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt, dass die Vorlage dieser Dokumente auf seine Initiative zurückgeht. Die Bescheinigung des Tatul Hakobyan über den beruflichen Werdegang des Klägers im armenische Gesundheitssystem hat sich nach Überprüfung durch das Auswärtige Amt als zutreffend erwiesen (Auskunft vom 26.7.2005 an das Verwaltungsgericht Regensburg).
Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht die Auskünfte des stellvertretenden Gesundheitsministers als glaubhaft an. Dass der Kläger sie aufgrund seiner persönlichen Beziehungen erlangt haben mag, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies ergibt sich insbesondere aus der Überlegung, dass der Gesundheitsminister bei Erteilung seiner Auskunft damit rechnen musste, dass seine Bekundungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt werden könnten. Dass er unter diesen Umständen das Gesundheitssystem, für das er selbst steht, ohne Veranlassung in einem übertrieben schlechten Licht darstellen würde, ist nicht anzunehmen. Auch geht das Gericht nicht davon aus, dass es sich bei den Äußerungen des stellvertretenden Gesundheitsministers um eine "Gefälligkeitsbescheinigung" handelt.
Die bei einer Rückkehr nach Armenien zu erwartende gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands wird durch den Umstand akzentuiert, dass der Kläger im Bundesgebiet nunmehr die begründete Aussicht auf eine erfolgreiche Nierentransplantation und damit auf eine durchgreifende Besserung seines derzeit lebensbedrohlichen Zustandes hat.
Angesichts des Umstandes, dass es weit weniger Spender gibt, als Menschen, die eine fremde Niere benötigen und angesichts der Tatsache, dass eine Kompatibilität hinsichtlich verschiedenster medizinischer Parameter zwischen Spender und Empfänger gegeben sein muss, kann es nur als großes Glück bezeichnet werden, dass der Kläger einen passenden Spender in Deutschland gefunden hat. Unabhängig von der Frage, ob, auf welcher rechtlichen Grundlage und aufgrund welcher organisatorischen Regelungen in Armenien Nierentransplantationen durchführbar sind und tatsächlich vorgenommen werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass für den Kläger in überschaubarer Zeit eine gleichwertige Möglichkeit zu einer Nierentransplantation in Armenien besteht.
Auf die Gewährung eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts zur Durchführung der Transplantation kann der Kläger nicht verwiesen werden. Zum einen können ein solches, vom Asylbegehren unabhängiges Aufenthaltsrecht nur die zuständigen Ausländerbehörden des Freistaates Bayern gewähren. Dieser ist jedoch nicht am vorliegenden Verfahren beteiligt. Zum anderen, gesetzt den Fall, die nunmehr konkret geplante Nierentransplantation in Deutschland würde glücken, würde dies die konkrete Gefahr eines gravierenden Gesundheitsschadens oder gar des baldigen Todes bei einer Rückkehr des Klägers nach Armenien nicht beheben. Eine Nierentransplantation hat nicht die uneingeschränkte Heilung des Betroffenen zur Folge, sondern erfordert lebenslang die Gabe spezieller, die Immunabwehr und damit Abstoßungsreaktionen unterdrückender Medikamente (Immunsuppressiva) sowie kontinuierliche ärztliche Überwachung und begleitende Behandlung. Diese werden für den Kläger im Herkunftsstaat nicht in dem erforderlichen Umfang erreichbar sein.