VG Saarland

Merkliste
Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 30.11.2006 - 10 K 31/06 - asyl.net: M9843
https://www.asyl.net/rsdb/M9843
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, abgelehnte Asylbewerber, Ablehnungsbescheid, Bindungswirkung, Ausländerbehörde, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, EMRK, Europäische Menschenrechtskonvention, Privatleben, Kinder, Integration, Aufenthaltsdauer, in Deutschland geborene Kinder, Lebensunterhalt, Familienangehörige, Eltern, Verhältnismäßigkeit, Erwerbstätigkeit, Duldung, Verschulden, Schutz von Ehe und Familie, Volljährigkeit, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, Passpflicht, Visum nach Einreise, Untätigkeitsklage, Verpflichtungsklage, zureichender Grund, Widerspruchsverfahren
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; EMRK Art. 8; GG Art. 6; AufenthG § 5 Abs. 1; AufenthG § 5 Abs. 2; VwGO § 75; VwGO § 68; AsylVfG § 42 S. 1
Auszüge:

Die Klage ist als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) in Form der Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) zulässig.

Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten ist die Klage unabhängig davon zulässig, ob die Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung wussten oder wissen mussten, weshalb der Beklagte über ihren Antrag noch nicht entschieden hatte bzw. noch abwartete. Insoweit ist nämlich allein maßgeblich, dass die Klage erst nach Ablauf von drei Monaten nach dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben worden ist (vgl. § 75 Satz 2 VwGO) (vgl. dazu den Beschluss der Kammer vom 11.9.2006, 10 F 28/06, sowie die Kommentierung bei Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 75 Rdnr. 9), was hier offenkundig zutrifft.

Der Einwand des Beklagten, es habe ein zureichender Grund für die Verzögerung seiner Entscheidung vorgelegen, ist lediglich von Bedeutung für die Frage, ob die Untätigkeitsklage abweichend von § 68 VwGO, also ohne die Durchführung eines Vorverfahrens, zulässig ist (§ 75 Satz 1 VwGO).

Die Verpflichtungsklage ist auch zum größeren Teil begründet.

Gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.

Aus rechtlichen Gründen ist eine freiwillige Ausreise unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen (wie etwa das Fehlen erforderlicher Einreisepapiere oder sonstige Einreiseverbote in den Herkunftsstaat) oder als unzumutbar erscheinen lassen.

So kann sich der Kläger zu 3 mit Erfolg auf ein Abschiebungsverbot wegen einer weitgehenden Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland berufen. Möglich ist ein solches inlandsbezogenes Abschiebungsverbot auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 1 EMRK. Dabei umfasst das Recht auf Achtung des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK insbesondere das Recht auf Entwicklung der Person und das Recht darauf, Beziehungen zu anderen Personen und der Außenwelt anzuknüpfen und zu entwickeln, und damit auch die Gesamtheit der im Land des Aufenthalts gewachsenen Bindungen.

Eine den Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK auslösende Verbindung mit der Bundesrepublik Deutschland als Aufenthaltsstaat kommt danach insbesondere für solche Ausländer in Betracht, die aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland irreversibel in Deutschland integriert bzw. zu faktischen Inländern geworden sind, während sie mit ihrem Heimatland im Wesentlichen nur noch das formale Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 29.9.1998, 1 C 8.96, Buchholz 402.240 § 45 AuslG Nr. 16 = InfAuslR 1999, 54; OVG Lüneburg, Urteil vom 21.7.2006, 3 A 263/05, InfAuslR 2006, 407; VG Stuttgart, Urteil vom 20.7.2006, 4 K 921/06, InfAuslR 2006, 409; ferner dessen Urteile vom 24.06.2004, 11 K 4809/03, und vom 22.11.2005; 12 K 2469/04 sowie vom 11.10.2005, 11 K 5363/03, VG Braunschweig, Beschluss vom 10.1.2006, 6 B 432/05, jeweils zitiert nach juris; VG Darmstadt, Beschluss vom 21.12.2005, 8 G 2120/05(2), und Urteil vom 22.11.2005, 4 E 2800/03(1), jeweils in Asylmagazin, 1-2/2006, S. 39 und 40; a.A. z.B. VGH Kassel, Urteil vom 7.7.2006, 7 UE 509/06, zitiert nach juris).

Ob eine solche Fallkonstellation für einen in Deutschland lebenden Ausländer gegeben ist, hängt somit zum einen von seiner Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse ("Verwurzelung") und zum anderen von der Möglichkeit zur Integration bzw. Reintegration in dem Staat seiner Staatsangehörigkeit ab ("Entwurzelung"). Gesichtspunkte für die Integration des Ausländers in Deutschland sind dabei eine langjährige Dauer des Aufenthalts in Deutschland, gute deutsche Sprachkenntnisse und eine weitgehende oder gar vollständige Eingebundenheit in die hiesigen Lebensverhältnisse. Letzteres kommt im Allgemeinen dadurch zum Ausdruck, dass der betreffende Ausländer nicht (erheblich) straffällig geworden ist und über einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz, einen festen Wohnsitz sowie über ausreichende Mittel für seinen Lebensunterhalt verfügt. Ferner ist in diesem Zusammenhang die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts von Bedeutung, da ein unerlaubter Aufenthalt und die damit verbundene Unsicherheit des Aufenthaltsstatus einem schutzwürdigen Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK (zumindest) tendenziell entgegensteht (so auch das VG Stuttgart im Urteil vom 20.7.2006, 4 K 921/06, InfAuslR 2006, 409; vgl. auch das Urteil der Kammer vom 3.5.2006, 10 K 94/05).

Hiervon ausgehend weist der Fall des Klägers zu 3 Besonderheiten auf, die es rechtfertigen, ihn als faktischen Inländer im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung anzusehen und diesem Umstand derart hohe Bedeutung beizumessen, dass der bislang noch fehlenden wirtschaftlichen Integration des Klägers zu 3 bzw. dessen Eltern sowie der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus letztlich kein ausschlaggebendes Gewicht zukommt. Der Kläger zu 3 erscheint nämlich in besonders hohem Maße in die Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert. Hierfür sprechen seine offenbar guten schulischen Leistungen und seine nunmehr bereits zehnjährige sportliche Betätigung im TV 1872 A-Stadt, die mit überdurchschnittlichen sportlichen Leistungen - er gehört seit 18 Monaten zum Kader der Saarauswahl im Basketball - einhergehen, als auch der Umstand, dass er mittlerweile 15 Jahre alt ist, seit rund 14 Jahren in Deutschland lebt, aller Voraussicht nach im Sommer 2007 seinen Mittleren Bildungsabschluss erreichen wird und unstreitig die Heimatsprache seiner Eltern so gut wie nicht mehr beherrscht. Auch ist erkennbar, dass er mittlerweile offenbar zahlreiche soziale Kontakte mit Deutschen geknüpft hat, denn sonst wäre das Eintreten seiner Mitschüler für einen Verbleib des Klägers zu 3 und seiner Familie in Deutschland im Rahmen einer Unterschriftenaktion nicht verständlich. Noch deutlicher zu Tage tritt die Eigenschaft des Klägers zu 3 als so genannter faktischer Inländer, wenn man dessen Möglichkeiten eruiert, sich im Heimatland seiner Eltern auf Dauer zurechtzufinden. Insoweit lässt sich nur feststellen, dass es für den Kläger zu 3 nach dem für ihn prägenden Jahren seiner Sozialisation in Deutschland nachvollziehbar unzumutbar ist, fortan in Serbien leben zu sollen; dies käme nämlich einer sozial-kulturellen Entwurzelung gleich, die sich aller Voraussicht nach nachhaltig negativ auf seinen weiteren Lebensweg auswirken würde.

Die mangelnde wirtschaftliche Integration der Kläger zu 1 und 2 geht im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderlichen Interessenabwägung wegen der dargelegten besonderen Umstände indes nicht zu Lasten des Klägers zu 3. Vor dem Hintergrund der oben aufgezeigten Kriterien zur Feststellung, ob jemand als faktischer Inländer anzusehen ist, kann bei Kindern und Jugendlichen, die ihren Lebensunterhalt aufgrund ihres Lebensalters noch nicht selbst durch Erwerbstätigkeit sicherstellen können und dürfen, für die Verwurzelung in die Gesellschaft der Bundesrepublik unter diesem Aspekt nur die Integration in eine Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung und nicht die Innehabung eines Arbeitsplatzes verlangt werden. Im Allgemeinen wird aus diesem Grunde für die Frage nach der Verwurzelung minderjähriger Ausländer daher auch nicht entscheidend darauf abzustellen sein, ob die Familie von öffentlichen Mitteln lebt (so auch VG Braunschweig, Urteil vom 19.9.2006, 6 A 474/04, zitiert nach juris, sowie OVG Koblenz, Beschluss vom 24.2.2006, 7 B 10020/06.OVG, InfAuslR 2006, 274; a. A. z.B. grundsätzlich: VGH Kassel, Urteil vom 7.7.2006, 7 UE 509/06, zitiert nach juris, VG Stuttgart, Urteil vom 20.7.2006, 4 K 921/06, InfAuslR 2006, 409; ferner offenbar: OVG Lüneburg, Urteil vom 21.7.2006, 3 A 263/05, InfAuslR 2006, 407; VGH Mannheim, Urteil vom 18.1.2006, 13 S 2220/05, VGH München, Beschluss vom 21.2.2006, 24 CS 05.3197, jeweils zitiert nach juris).

Vielmehr handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles gegen die für einen Verbleib im Bundesgebiet sprechenden Kriterien abzuwägen ist. Danach wird der Tatsache, dass eine Familie auf öffentliche Mittel zur Sicherstellung des Lebensunterhalts angewiesen ist, jedenfalls dann keine entscheidende Bedeutung für den Schutzanspruch von faktisch zu Inländern gewordenen Kindern beizumessen sein, wenn (zumindest) ein Elternteil erhebliche Anstrengungen unternommen hat, um den Lebensunterhalt aus eigenem Erwerbseinkommen zu bestreiten, diese Bemühungen jedoch insbesondere aufgrund aufenthaltsrechtlicher Beschränkungen nicht zu einem fortdauernden Arbeitsverhältnis geführt haben und ferner die begründete Aussicht besteht, dass nach der mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels verbundenen Verfestigung des Aufenthalts eine unterhaltspflichtige Person Erwerbseinkommen erzielen wird (so auch das VG Braunschweig in seinem Urteil vom 19.9.2006, 6 A 474/04, zitiert nach juris).

Im Falle des Klägers zu 3 steht dem Schutzanspruch aus Art. 8 EMRK ferner nicht entgegen, dass sich die Kläger nur bis zum Ende ihres ersten Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben und in der Folgezeit lediglich im Besitz von Duldungen gewesen sind.

Hinzu kommt, dass es weder mit der weiten Auslegung des Begriffs des "Privatlebens" in Art. 8 Abs. 1 EMRK noch mit der im Zusammenhang damit erforderlichen Interessenabwägung vereinbar wäre, die Ausreisepflicht eines Ausländers als zwingendes Ausschlusskriterium anzusehen. Dies überzeugt auch deshalb, weil sich die Frage, ob ein Ausländer als faktischer Inländer gelten kann, an Hand tatsächlicher Gesichtspunkte zu beurteilen ist und es nicht ersichtlich ist, weshalb ein unerlaubter Aufenthalt einer faktischen Verwurzelung in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland stets entgegenstehen sollte. Im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotenen Interessenabwägung ergibt sich daher ein Schutzanspruch im Falle eines unerlaubten Aufenthalts ausnahmsweise dann, wenn der Ausländer nach den Umständen des Einzelfalles aufgrund besonders intensiver Bindungen im Bundesgebiet gleichwohl faktisch zum Inländer geworden ist und ihm damit eine andere Entscheidung als die Legitimation seines Aufenthalts nicht zumutbar wäre (so auch VG Braunschweig, Urteil vom 19.9.2006, 6 A 474/04, zitiert nach juris unter Hinweis auf u. a. das Urteil des EGMR vom 16.6.2005, InfAuslR 2005, 349).

Besteht somit im Falle des Klägers zu 3 ein auf Art. 8 EMRK gründendes Abschiebungsverbot, so können sich in dessen Folge auch die Kläger zu 1 und 2 mit Erfolg auf ein Abschiebungsverbot nach Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK berufen.

Mit dem Wegfall der dargestellten Ausreisehindernisse ist in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Hinsichtlich der Kläger zu 1 und 2 ist insoweit zwar zu bedenken, dass das festgestellte Abschiebungsverbot wegfällt, wenn der Kläger zu 3 am 27.5.2009 volljährig wird. Angesichts der humanitären Intention des § 25 Abs. 5 AufenthG sowie des Umstandes, dass mit der Schaffung dieser Vorschrift die Praxis der "Kettenduldung" beendet werden sollte (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Zuwanderungsgesetz, BT-Drucks. 15/420, S. 80 zu Abs. 6 (= Abs. 5 der endgültigen Gesetzesfassung)), rechtfertigt indes der in Frage stehende Zeitraum unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Einzelfalls die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Da die Kläger auch die Voraussetzungen nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG (Aussetzung der Abschiebung seit 18 Monaten) erfüllen, liegt der Fall vor, in dem das Gesetz bestimmt, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll.

Der in § 25 Abs. 5 Abs. 5 Satz 3 AufenthG normierte Ausschlussgrund, wonach eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden darf, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist, steht dem nicht entgegen.

Dem Beklagten verbleibt jedoch ein Restermessen mit Blick auf die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG.

In Anbetracht dessen hält die Kammer das Ermessen insoweit für auf Null reduziert, als bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Kläger von der Einhaltung des Visumverfahrens gemäß § 5 Abs. 2 AufenthG und den Voraussetzungen der Passbesitzpflicht (§ 3 AufenthG) abzusehen ist. Dabei ist hinsichtlich der Passbesitzpflicht zu berücksichtigen, dass die Kläger zu 1 und 2 im Besitz von jugoslawischen Pässen sind, wenn diese mittlerweile auch nicht mehr gültig sein mögen, und für den Kläger zu 3 eine Geburtsurkunde vorliegt. Damit dürfte zugleich feststehen, dass die Identität der Kläger und deren Nationalität als im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG geklärt angesehen werden können. Damit werden die mit der Passbesitzpflicht verfolgten gesetzgeberischen Ziele, die Feststellung der Identität, Staatsangehörigkeit und Rückkehrberechtigung des jeweiligen Ausländers von den Klägern ohnehin bereits weitgehend erfüllt (dazu allgemein: Bäuerle, a.a.O., § 5 Rdnrn. 44 ff.).

Was die Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) anbelangt, ist das Ermessen zu Gunsten des Klägers zu 3 auf Null reduziert, weil die bereits im Rahmen der Prüfung des Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgenommene Abwägung des privaten und des öffentlichen Interesses (vgl. oben) hier das Ergebnis vorgibt (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 19.9.2006, 6 A 474/04, zitiert nach juris), welches dies in einem ähnlich gelagerten Fall auch für die Eltern eines faktischen Inländers ohne weiteres annimmt Im Falle der Kläger zu 1 und 2 wären zwar die seitens des Bundesinnenministeriums formulierten Vorläufigen Anwendungshinweise zum Aufenthaltsgesetz (VAH) einschlägig; danach gilt keine Ausnahme, wenn der Betroffene sich bereits seit einem Jahr in Deutschland aufgehalten hat und geduldet war, weil dann die Möglichkeit nach § 10 der Beschäftigungsverordnung besteht, auch dem Geduldeten die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu erlauben, und für eine Verfestigung des Aufenthaltsstatus durch Erteilung eines Aufenthaltstitels die eigenständige Finanzierung des Aufenthalts verlangt werden kann (vgl. die VAH zu Ziffer 5.3.4.1).

Die Anwendung dieser ermessenslenkenden Bestimmung erscheint vorliegend indes nicht gerechtfertigt, weil insbesondere - wie bereits oben ausgeführt - der Kläger zu 1 trotz nachhaltigen ernsten Bemühens nur deshalb keine Arbeit hat aufnehmen können, weil ihm eine Beschäftigungserlaubnis versagt geblieben ist (in diesem Sinne bzgl. der Chance auf Arbeit für lediglich geduldete Ausländer auch: Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 8. Aufl. 2005, AufenthG § 5 Rdnr. 67).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht mit Blick auf § 5 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 AufenthG, wonach die Inanspruchnahme von Sozialhilfe als Grund für eine Ermessensausweisung im Allgemeinen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegensteht. Insoweit ist auf die den Beteiligten bekannte Rechtsprechung der Kammer zu den früheren Regelversagungsgründen des § 7 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 AuslG hinzuweisen. Danach war bei Bezug von Sozialhilfe eine Ausnahme anzuerkennen, die ein Abweichen vom diesbezüglichen Regelversagungsgrund rechtfertigte, wenn auf nicht absehbare Zeit ein Ausreise- und Abschiebungshindernis bestand, das der Ausländer nicht zu vertreten hatte. Es stand in diesen Fällen nämlich fest, dass der Sozialhilfebezug auch zukünftig nicht zu vermeiden war und der mit dem Versagungsgrund verfolgte Zweck nicht erreicht werden konnte. In dieser Situation kam der Grundsatz zum Tragen, dass es bereits mit Blick auf §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 2 AuslG nicht zulässig war, längerfristigen Abschiebungshindernissen durch die Erteilung einer Duldung bzw. deren wiederholte Verlängerung Rechnung zu tragen (so grundlegend: Urteil der Kammer vom 17.11.1999, 10 K 326/99; ferner: Urteile vom 22.9.2004, 10 K 36/03, und vom 10.11.2004, 10 K 205/04).

Diese Rechtsprechung lässt sich angesichts der aktuellen ausländerrechtlichen Zielsetzung, die Praxis der "Kettenduldung" abzuschaffen, ohne weiteres auf die Rechtslage nach dem Aufenthaltsgesetz übertragen (für eine grundsätzliche Anwendung der vormaligen Rechtsprechung zu den Regelversagungsgründen gem. § 7 Abs. 2 AuslG: Bäuerle, a.a.O., § 5 Rdnr. 25 ff.).