VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Urteil vom 20.11.2006 - 11 A 2234/05 - asyl.net: M9710
https://www.asyl.net/rsdb/M9710
Leitsatz:

Einem aus Syrien stammenden Kurden, der nachgewiesen hat, kein syrischer Staatsangehöriger zu sein, ist es regelmäßig nicht möglich nachzuweisen, dass er nicht eine andere in Betracht kommende Staatsangehörigkeit (zumeist die türkische oder irakische) besitzt. Anders verhält es sich nur dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte in seiner Person für eine dieser anderen Staatsangehörigkeiten gibt.

 

Schlagwörter: D (A), Staatenlose, Syrien, Türkei, Kurden, Staatenlosenübereinkommen, Reiseausweis, Beweislast, Staatsangehörigkeit, Verfahrensrecht, Untätigkeitsklage, örtliche Zuständigkeit, Zuständigkeitswechsel
Normen: StlÜbk Art. 28 S. 1; VwGO § 75; VwVfG § 3 Abs. 3
Auszüge:

Einem aus Syrien stammenden Kurden, der nachgewiesen hat, kein syrischer Staatsangehöriger zu sein, ist es regelmäßig nicht möglich nachzuweisen, dass er nicht eine andere in Betracht kommende Staatsangehörigkeit (zumeist die türkische oder irakische) besitzt. Anders verhält es sich nur dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte in seiner Person für eine dieser anderen Staatsangehörigkeiten gibt.

(Amtliche Leitsätze)

 

Die Klage ist im Übrigen zulässig und begründet.

Nach Art. 28 Satz 1 StlÜbk stellen die Vertragsstaaten den Staatenlosen, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, Reiseausweise aus, die ihnen Reisen außerhalb dieses Hoheitsgebiets gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe des Staatssicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Bei dieser Entscheidung handelt sich es sich um eine gebundene Entscheidung, bei der der zuständigen Behörde kein Ermessen eingeräumt ist. Der Kläger hält sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, da der Beklagte ihm am 12. Dezember 2005 eine bis zum 11. Dezember 2007 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt hat. Der Kläger ist zur Überzeugung des Gerichts auch als staatenlos einzustufen. Der Kläger muss die von ihm behauptete Staatenlosigkeit darlegen und gegebenenfalls auch beweisen. Zu berücksichtigen ist allerdings ggf. eine Beweisnot des Ausländers (BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.94 - BVerwGE 71, 180 <181>; Urteil vom 17. März 2004 - 1 C 1.03 - NVwZ 2004, 1250 <1252>). Eine solche ist jedoch erst dann anzunehmen, wenn er trotz eines schlüssigen und im Wesentlichen widerspruchsfreien Vortrags und bei Beachtung der ihm nach § 82 AufenthG obliegenden Mitwirkungspflichten nicht in der Lage ist, das Fehlen der syrischen oder einer anderen in Betracht kommenden Staatsangehörigkeit zu belegen. Die von dem Kläger vorgelegten Dokumente genügen den Anforderungen für den Nachweis der Staatenlosigkeit. Weitere Nachweise wird der Kläger nicht beibringen können.

Der Kläger gehört zu den in Syrien ansässigen Kurden, die in dem genannten Land als Ausländer angesehen werden und im Falle einer unerlaubten Ausreise in aller Regel nicht dorthin zurückkehren können (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. März 2006, S. 14; OVG Lüneburg, Urteil vom 22. Juni 2004 - 2 L 6130/96 - <S. 17 f.>).

Die Kammer hat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine türkische Staatsangehörigkeit des Klägers. Gestützt wird diese Einschätzung auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. März 2006 (S. 13). Dort ist diesbezüglich ausgeführt:

"Zahlreiche Angehörige dieser Gruppe hatten sich vor der Unabhängigkeit Syriens in einem der Nachbarstaaten (Türkei, Irak) aufgehalten. Es ist nicht auszuschließen, dass einige von ihnen die Staatsangehörigkeit einer dieser Staaten erlangt haben; in vielen Fällen wurde ihnen jedoch die Anerkennung der Staatsangehörigkeit während dieser Zeit von den genannten Staaten verweigert. Jedenfalls dürften die meisten von ihnen nie entsprechende Staatsangehörigkeitsdokumente erhalten haben. Der Nachweis einer dieser Staatsangehörigkeiten dürfte jedoch kaum möglich sein."

Anders liegt es nach Ansicht des Gerichts danach nur, wenn - wegen des Vortrages der Betroffenen oder sonstiger Umstände - ausnahmsweise konkrete Anhaltspunkte für eine abweichende Betrachtung vorliegen. Dies ist hier aber nicht der Fall. Hinsichtlich des Klägers ist festzustellen, dass seine Eltern bereits in Syrien geboren sind. Allenfalls die Großeltern könnten als türkische Staatsangehörige registriert gewesen sein. Angesichts der fehlenden Ausweisdokumente - die Auszüge aus dem Ausländerregister werden nicht als Abstammungsnachweis anerkannt - besteht kein Anhaltspunkt, dass die Türkei den Kläger als ihren Staatsbürger akzeptieren würde.