Die Kläger haben zwar keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Niederlassungserlaubnisse, aber einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), da die Ordnungsverfügungen des Beklagten vom 9. September 2005 und 2. November 2005 und die Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung E vom 29. März 2006 rechtswidrig sind und die Kläger in ihren Rechten verletzen.
Nach § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der seit sieben Jahren eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Fünften Abschnitt des Gesetzes, also aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 9 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Auf diese Frist wird die Zeit des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis oder einer Duldung vor dem 1. Januar 2005 angerechnet (§ 102 Abs. 2 AufenthG).
Die vom Beklagten vertretene Auffassung, wonach solche Duldungszeiträume nicht berücksichtigt werden könnten, in denen dem Ausländer die freiwillige Ausreise möglich und zumutbar gewesen sei, findet im Gesetz keine Stütze. Hätte der Gesetzgeber auf die Qualität bzw. den Rechtsgrund für die Duldung als maßgebliches Kriterium für die Anrechenbarkeit im Sinne von § 102 Abs. 2 AufenthG abstellen wollen, hätte er dies tun können, wie es in § 35 Abs. 1 Satz 3 AuslG der Fall war. Der Umstand, dass sich in § 102 Abs. 2 AufenthG eine solche Differenzierung nicht findet, spricht daher dafür, dass alle Duldungszeiten - ohne Rücksicht auf den Duldungsgrund - auf die Frist des § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG anzurechnen sind (vgl. Kammer, Urteil vom 18. August 2006 - 24 K 4097/05 -; Benassi, InfAuslR 2005, 357 (364)).
Auch bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist eine Erteilung der Niederlassungserlaubnis jedoch nicht die zwingende Rechtsfolge, sondern diese Erlaubnis "kann" dann erteilt werden, so dass eine Erteilung im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde steht (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: August 2006, § 102 Rn. 15).
Für die Ermessensausübung gelten die gleichen Grundsätze, wie wenn über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis auf Grund von Aufenthaltserlaubniszeiten nach In-Kraft-Treten des Aufenthaltsgesetzes zu entscheiden wäre. Ungeachtet der allgemeinen Anrechnung von Zeiten der Aufenthaltsbefugnis oder der Duldung vor In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes kann berücksichtigt werden, inwiefern der Ausländer die für die Niederlassungserlaubnis typischerweise vorausgesetzten Integrationsanforderungen erfüllt. Zu prüfen ist, inwieweit bei der Anrechnung der Siebenjahresfrist anzurechnende Duldungen in Verbindung mit den sonstigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 4 bis 7 und 9 AufenthG eine Integration in die Rechts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland erkennen lassen. Dabei kann auch berücksichtigt werden, dass der Ausländer unter der Geltung des Ausländergesetzes nur deshalb geduldet werden musste, weil er der Verpflichtung zu einer ihm zumutbaren freiwilligen Ausreise nicht nachgekommen ist (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: August 2006, § 102 Rn. 15, 19).
Letztlich ist eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls geboten.