VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Urteil vom 23.11.2006 - 2 K 477/06 - asyl.net: M9431
https://www.asyl.net/rsdb/M9431
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Niederlassungserlaubnis, unbefristete Aufenthaltserlaubnis, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Aufenthaltsbefugnis, Aufenthaltsgestattung, Asylverfahren, Aufenthaltsdauer, Anrechnung, Folgeantrag, rechtmäßiger Aufenthalt
Normen: AufenthG § 104 Abs. 1 S. 1; AuslG § 35 Abs. 1; AufenthG § 101 Abs. 1; AufenthG § 9 Abs. 2 S. 1; AufenthG § 101 Abs. 2; AufenthG § 26 Abs. 3; AufenthG § 26 Abs. 4
Auszüge:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Über Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die vor dem 1. Januar 2005 gestellt wurden, ist nach dem Recht zu entschieden, das zu diesem Zeitpunkt galt (§ 104 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach diesem Recht vor, wird eine Niederlassungserlaubnis erteilt (§ 104 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 101 Abs. 1 AufenthG in entsprechender Anwendung).

b) Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AuslG für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen sind ebenfalls nicht erfüllt.

Die erforderliche legale Aufenthaltszeit von acht Jahren ergibt sich auch nicht unter Anrechnung von Zeiten während des Asylverfahrens oder geduldetem Aufenthalt. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 AuslG wird die Aufenthaltszeit des Asylverfahrens, das der Erteilung der Aufenthaltsbefugnis vorangegangen ist, abweichend von § 55 Abs. 3 AsylVfG auf die acht Jahre angerechnet.

Auch ein Asylverfahren, das durch einen Folgeantrag eingeleitet wird, ist grundsätzlich anrechenbar. Als Asylverfahren ist aber nur dasjenige Verfahren anzusehen, das zu einer inhaltlichen Prüfung des Asylantrags geführt hat. Nicht asylverfahrensrelevante Folgeanträge, d.h. Asylfolgeanträge, auf die gemäß § 71 AsylVfG und § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist (vgl. dazu Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG § 71 Rn. 95), bleiben außer Betracht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 13.10.1995, - 13 S 698/95 -, AuAS 1996, 39-41; Urt. v. 18.01.1996, - 11 S 2211/95 -, AuAS 1996, 74, 75; ebenso Hailbronner, Kommentar AufenthG § 26 Rn. 16). Wenn während eines Klageverfahrens neue Tatsachen geltend gemacht oder neue Beweismittel vorgelegt werden, welche die Durchführung eines neuen Asylverfahrens rechtfertigen, haben die Verwaltungsgerichte dies bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen, auch wenn der Asylfolgeantrag ursprünglich nicht relevant war (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 20.10.2004, - 1 C 15/03 -, BVerwGE 122, 103-109 m.w.N.) sind die Verwaltungsgerichte ferner gehalten, nach Möglichkeit selbst die Spruchreife herstellen und "durchentscheiden", und nicht das Bundesamt zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zu verpflichten, das dann anzurechnen wäre. Daraus folgt für das Gericht, dass die Zeiten ab Stellung eines nicht asylverfahrensrelevanten Folgeantrags nicht als einheitliches Asylverfahren angerechnet werden können, wenn die Tatsachen oder Beweismittel, welche die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens rechtfertigen und nach inhaltlicher Prüfung letztlich zur Anerkennung führen, erst im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden.

Nach diesen Grundsätzen kann entgegen der Ansicht des Klägers nicht die gesamte Aufenthaltszeit seit Stellung des letzten Asylfolgeantrages am 14.08.1998 berücksichtigt werden. Aus den vorliegenden Gerichtsakten ist erkennbar, dass das Bundesamt erst nach Vorliegen eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachtens über den Kläger vom 07.08.2001 in eine Sachprüfung eingetreten ist und daraufhin schließlich mit Bescheiden vom 31.08.2001 und vom 12.09.2001 positiv festgestellt hat, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, und die bisherige negative Feststellung aufgehoben hat. Ein Asylverfahren im Sinne des § 35 AuslG mit einer inhaltlichen Prüfung des Asylbegehrens hat nach der Überzeugung des Gerichts erst zu diesem Zeitpunkt stattgefunden.

2. Auch bei Anwendung des seit 01.01.2005 geltenden Aufenthaltsgesetzes ergibt sich kein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.

a) Die Übergangsregelung in § 101 Abs. 1 AufenthG schließt die Anwendung des neuen Aufenthaltsrechts hier nicht aus. Sie soll lediglich sicherstellen, dass Ausländer, die schon vor Inkrafttreten des neuen Aufenthaltsrechts einen Aufenthaltstitel beantragt hatten, durch die zusätzlichen Anforderungen, etwa an Integration und Deutschkenntnisse, keine Rechtsnachteile erleiden. Soweit das neue Recht dagegen geringere Anforderungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis stellt, wie bei Inhabern einer Aufenthaltsbefugnis nach § 26 Abs. 3 und 4 AufenthG, und diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann die Niederlassungserlaubnis auch nach neuem Recht erteilt werden (vgl. Fehrenbacher, HTK-AuslR § 104 AufenthG / Zu Abs. 1 10/2004 Nr.1).

d) Schließlich sind auch die Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG nicht erfüllt.

Der Kläger ist aber noch keine sieben Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Die Zeiten seit der erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis am 23.11.2001 können zwar ohne weiteres auf die Frist angerechnet werden. Ein Asylverfahren im Sinne des § 26 Abs. 4 AufenthG wurde aber erst durchgeführt und kann erst ab dem Zeitpunkt angerechnet werden, in dem das Bundesamt in eine inhaltliche Überprüfung des Asylfolgeantrags des Klägers eingetreten ist (vgl. Hailbronner, Kommentar AufenthG § 26 Rn. 16 m.w.N.).