OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 11.10.2006 - 1 SO 96/06 - asyl.net: M9324
https://www.asyl.net/rsdb/M9324
Leitsatz:

Kann ein Ausländer aus Gründen des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht ohne sein Kind, das ein Asylverfahren betreibt, abgeschoben werden, so erhält er nicht deshalb nach § 25 Abs. 5 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis, weil mit einer langen Dauer des Asylverfahrens zu rechnen ist und daher der Wegfall des Ausreisehindernisses ungewiss ist. Anderenfalls würde der Rechtsgedanke des § 10 Abs. 1 AufenthG unterlaufen und der Angehörige ein stärkeres Recht als der Asylbewerber selbst erhalten.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Asylverfahren, Familienangehörige, Schutz von Ehe und Familie, Prozesskostenhilfe
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 10 Abs. 1; VwGO § 160; ZPO § 114
Auszüge:

Kann ein Ausländer aus Gründen des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht ohne sein Kind, das ein Asylverfahren betreibt, abgeschoben werden, so erhält er nicht deshalb nach § 25 Abs. 5 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis, weil mit einer langen Dauer des Asylverfahrens zu rechnen ist und daher der Wegfall des Ausreisehindernisses ungewiss ist. Anderenfalls würde der Rechtsgedanke des § 10 Abs. 1 AufenthG unterlaufen und der Angehörige ein stärkeres Recht als der Asylbewerber selbst erhalten.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen fehlender Erfolgsaussicht gemäß § 166 VwGO, § 114 ZPO abgelehnt.

Hinsichtlich der Klägerin fehlt es daran, dass das rechtliche Hindernis für ihre Ausreise, der gemäß § 55 Abs. 1 AsylVfG für die Dauer des Asylverfahrens gestattete Aufenthalt ihres am ... 2005 in Hamburg geborenen Sohnes, kein solches ist, mit dessen Wegfall nicht in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Auch wenn ein gerichtliches Asylverfahren tatsächlich einige Zeit, gelegentlich auch erhebliche Zeit bis zu ihrem Abschluss dauert, und damit die Tatbestandkomponente der längeren Zeitdauer erfüllt, fehlt es doch an der weiteren Komponente des Begriffes "in absehbarer Zeit" i.S. des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG, nämlich der der unsicheren Prognose und der daran anknüpfenden gesetzlichen Wertung in Fällen dauerhafter rechtlicher oder tatsächlicher Ausreisehindernisse, den aufenthaltsrechtlichen Status zu verfestigen. Für die Dauer der Durchführung von Asylverfahren ist, wie § 10 Abs. 1 AufenthG zeigt, auch in Fällen langwieriger, wiederholter Asylverfahren, die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen, auf die kein gesetzlicher Anspruch besteht, ausgeschlossen. Auch wenn dies nur unmittelbar für den Asylbewerber selbst gilt, ist dem doch die gesetzliche Systematik zu entnehmen, dass sich aus dem Umstand der Asylantragstellung und dem daraus abgeleiteten Bleiberecht allein kein Recht auf ein asylunabhängiges Aufenthaltsrecht entwickeln kann. Dies ist bei der Auslegung des Begriffes "in absehbarer Zeit" des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Kann der Asylbewerber selbst kein davon unabhängiges Bleiberecht, außer bei Vorliegen eines gesetzlichen Anspruches, erhalten, gilt dies erst recht für seine Angehörigen, wenn diese sich im Rahmen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG auf das anhängige Asylverfahren des Asylbewerbers und dessen daraus abgeleitete Aufenthaltsgestattung als rechtliches Ausreisehindernis berufen. Anderenfalls würde der Rechtsgedanke § 10 Abs. 1 AufenthG, vor Abschluss eines Asylverfahrens, auch wenn es sich um einen Folgeantrag handelt, kein davon unabhängiges Aufenthaltsrecht zu ermöglichen, unterlaufen und den Angehörigen ein stärkeres Recht eingeräumt als dem Asylbewerber selbst.