OVG Mecklenburg-Vorpommern

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Zitieren als:
OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.03.2006 - 3 L 176/01 - asyl.net: M9275
https://www.asyl.net/rsdb/M9275
Leitsatz:
Schlagwörter: Aserbaidschan, Armenier, Staatsangehörigkeit, Ausbürgerung, Verfolgungssicherheit, Staatenlose, Staatenlosenübereinkommen, Berg-Karabach, interne Fluchtalternative, Erreichbarkeit, Armenien (A), Existenzminimum, Versorgungslage, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Kinder, alleinstehende Personen, alleinstehende Minderjährige, soziale Bindungen, medizinische Versorgung
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 27; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

2. Die zulässige Berufung ist auch begründet.

(a) Ein Anspruch der Klägerin zu 1) auf Anerkennung als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG scheidet nicht schon deshalb aus, weil sie bereits in Georgien Schutz vor politischer Verfolgung gefunden hatte und weiterhin erlangen kann. Zwar vermittelt die Genfer Flüchtlingskonvention ebenso wie das Asylrecht - unbeschadet des in jedem Fall zu beachtenden Verbots der Abschiebung in den Verfolgerstaat - kein Recht auf freie Wahl des Zufluchtlandes, insbesondere eines Zweit- oder Drittzufluchtlandes. Eine Flüchtlingsanerkennung kann in einem solchen Fall allerdings nur versagt werden, wenn der Betroffene in dem sonstigen Drittstaat bereits tatsächlich vor Verfolgung sicher war und voraussichtlich auch sicher bleiben wird und wenn seine Rückführung oder Rückkehr in diesen Staat möglich ist (BVerwG, U. v. 08.02.2005 - 1 C 29/03 -, BVerwGE 122, 376 = NVwZ 2005, 1087). Dabei muss das vorrangige Zufluchtsland auch zu einer Rücknahme der Kläger bereit sein (BVerwG, U. v. 12.04.2005 - 1 C 3/04 -, NVwZ 2005, 1328; BVerwG, U. v. 12.07.2005 - 1 C 22/04 -, NVwZ 2006, 99).

Davon ausgehend ist ein Ausschluss von Abschiebungsschutz nach § 27 AsylVfG hier schon deshalb zu verneinen, weil der Klägerin zu 1) hinsichtlich Georgien rechtskräftig Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 AufenthG) zuerkannt worden ist. Zudem spricht nach der aktuellen Auskunftslage Überwiegendes dafür, dass Georgien Staatenlose und/oder aserbaidschanische Staatsangehörige nicht aufnimmt (vgl. Transkaukasus-Institut, Gutachten vom 18.10.2005 an OVG Greifswald, S. 25; Dr. Tessa Savvidis, Stellungnahme vom 14.12 2005 an das OVG Greifswald, S. 28).

Vorliegend ist der Senat unter Würdigung der aktuellen Auskunftslage und der besonderen Einzelfallumstände zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin zu 1) nicht aserbaidschanische Staatsangehörige ist und die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschan daher nicht in Betracht kommt.

Die maßgeblichen Regelungen über Erwerb und Verlust der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit enthält das Staatsangehörigkeitsgesetz der Aserbaidschanischen Republik vom 30.09.1998 (in deutscher Übersetzung vom Auswärtigen Amt als Anlage zur Auskunft vom 15.12.1999 an das Verwaltungsgericht, Bl. 263 ff. GA beigefügt). Nach Art. 5 Abs. 1 dieses Gesetzes sind Staatsbürger der Aserbaidschanischen Republik Personen, die zum Zeitpunkt des Inkraftretens dieses Gesetzes die aserbaidschanische Staatsbürgerschaft besaßen (Grundlage: Registrierung der betreffenden Person an ihrem Wohnort in der Aserbaidschanischen Republik zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes).

Zwar ist auch nach der aktuellen Auskunftslage - soweit ersichtlich - noch nicht abschließend geklärt, ob die aserbaidschanische Praxis bei der Anwendung dieser Rechtsvorschrift nur darauf abstellt, ob die Betreffenden einen angemeldeten Wohnsitz im aserbaidschanischen Staatsgebiet haben oder ob es auch auf den tatsächlichen Aufenthalt an diesem Wohnsitz ankommt.

Denn jedenfalls im vorliegenden Einzelfall sind weitere Ermittlungen nicht veranlasst, weil die Klägerin zu 1) die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit zur Überzeugung des Senats mit Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 in beiden denkbaren Alternativen nicht erworben bzw. behalten hat. Die Alternative "tatsächlicher Wohnsitz" erfüllt die Klägerin zu 1) offensichtlich nicht, weil sie sich schon seit 1982/83 nicht mehr auf dein Gebiet von Aserbaidschan aufhält. Der Senat geht überdies davon aus, dass auch die Alternative "amtliche Anmeldung" im Falle der Klägerin zu 1) nicht einschlägig ist.

Der Nichterwerb bzw. Fortbestand der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit in der Person der Klägerin zu 1) bei Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 ist auch nicht auf eine asylerhebliche Maßnahme zurückzuführen. Zwar kann auch eine (faktische) Ausbürgerung eine Maßnahme politischer Verfolgung darstellen. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn die Maßnahme die von ihr Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen soll. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, ist an Hand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen (BVerfG, U. v. 02.07.1993, InfAuslR 1993, 345; BVerwG, U. v. 24.10.1995 - 9 C 75/95 -, NVwZ-RR 1996, 471). Die Ausbürgerung muss also auf die Rasse, die Religion, die Nationalität, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder auf die politische Überzeugung des Asylbewerbers zielen (vgl. dazu BVerwG, B. v. 01.08.2002 - 1 B 6/02 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 263; BVerwG, U. v. 18.02.1992 - 9 C 59/91 -, Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1; vgl. BVerwG, U. v. 22.02.2005 - 1 C 17/03 -, E 123, 18 = NVwZ 2005, 1191). Dies läßt sich im vorliegenden Einzelfall nicht feststellen.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass es vor Erlass des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 offenbar zu Zwangsabmeldungen armenischer Volkszugehöriger gekommen ist.

Im vorliegenden Einzelfall ist aber ein Ursachenzusammenhang zwischen der fehlenden Registrierung und dem Verlust bzw. Nichterwerb der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit nicht erkennbar. Es ist wie oben ausgeführt schon nicht ersichtlich, dass die Klägerin zu 1) überhaupt, geschweige denn als armenische Volkszugehörige registriert war.

Dass die Klägerin zu 1) die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit spätestens mit dem Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 aus im asylrechtlichen Sinne nichtpolitischen Gründen verloren bzw. nicht erworben hat, bewirkt, dass nunmehr die Bundesrepublik Deutschland das Land ihres gewöhnlichen Aufenthalts ist und die Frage, ob ihr in Aserbaidschan politische Verfolgung droht, unter asylrechtlichen Gesichtspunkten ebenso wie im Hinblick auf § 60 Abs. 7 AufenthG gegenstandslos geworden ist (vgl. BVerwG, U. v. 11.02.2005 - 1 C 17/03 -, BVerwGE 123, 18 ff., NVwZ 2005, 1191; BVerwG, U. v. 24.10.1995 - 9 C 3/95 -, DVBl. 1996, 205 = NVwZ-RR 1996, 602).

Sollte die Klägerin zu 1) nunmehr staatenlos sein, weil sie nach den in erster Instanz eingeholten Auskünften auch nicht über eine armenische und georgische Staatsangehörigkeit verfügt, unterfiele sie dem Gesetz zu dem Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 12.04.1976 (BGBl. 1976 II S. 473/1977 II S. 235). Dabei hängt der Status der Staatenlosigkeit nicht von der Art seiner Entstehung ab. Er tritt auch bei freiwilligem Verzicht auf die Staatsangehörigkeit ein. Auch aus der Tatsache, dass der Staatenlose rechtlich und tatsächlich die Möglichkeit hat, seine frühere Staatsangehörigkeit wieder zu erwerben, folgt nicht, dass das Abkommen auf ihn nicht anwendbar wäre. Ein Staatenloser, der seine Staatenlosigkeit zumutbarer Weise beseitigen kann, ist nach dem Staatenlosenübereinkommen hierzu nicht verpflichtet. Ihn trifft auch keine entsprechende Obliegenheit (BVerwG, U. v. 16.07.1996 - 1 C 30.93 -, E 101, 295 ff.).

Es muss daher offen bleiben, ob - sofern der sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzuwenden wäre (vgl. dazu etwa OVG Schleswig, U. v. 12.12.2002 - 1 L 239/01 - unter Hinweis auf BVerwG, U. v. 09.09.1997 - 9 C 43/96 -, E 105, 204 ff.; BVerwG, U. v. 30.04.1996 - 9 C 171/95 -, E 101, 134 ff.: BVerwG, U. v. 18.02.1997 - 9 C 9/96 -, E 104, 97 ff.) - armenische Volkszugehörige heute in Aserbaidschan vor politischer Verfolgung hinreichend sicher wären. Dahinstehen kann insbesondere, ob - da es nach der aktuellen Auskunftslage wohl nicht mehr zu körperlichen Übergriffen und Gewalt gegen armenische Volkszugehörige kommt - Rechtsgutbeeinträchtigungen von asylrechtlich erheblicher Intensität zu befürchten wären.

Gleiches gilt für die Frage, ob der Klägerin zu 1) Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG jedenfalls deshalb hätte versagt werden müssen, weil ihnen in Berg-Karabach eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung gestanden hätte.

Davon ausgehend mag immerhin fraglich erscheinen, ob Berg-Karabach allein wegen der völkerrechtlich formal noch fortbestehenden Zugehörigkeit zu Aserbaidschan noch als Inland zu qualifizieren ist, obwohl aserbaidschanische Behörden faktisch keine Kontrolle über dieses Gebiet und keinen Zugang besitzen, sondern die sog. "Republik Berg-Karabach" sich als eigenständiger Staat versteht und über ein selbsternanntes Parlament, eine Regierung, einen Präsidenten und eine eigene Währung verfügt (vgl. näher dazu Lagebericht Auswärtiges Amt bzgl. Armenien vom 02.02.2006, S. 26/27).

Zudem würde die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative voraussetzen, dass das verfolgungsfreie Gebiet auch tatsächlich erreichbar ist (BVerwG, U. v. 13.05.1993 - 9 C 59/92 -, Buchholz 420.25 § 1 AsylVfG Nr. 162 = NVwZ 1993, 1210 ff.; BVerwG, U. v. 16.01.2001 - 9 C 16/00 - E 111, 345 ff.). Die Prognose der Erreichbarkeit muss realitätsnah sein; eine illegale Grenzüberschreitung reicht nicht. Ob nach Maßgabe dieser Grundsätze für den Fall der Entscheidungserheblichkeit dieser Frage von einer hinreichenden Erreichbarkeit hätte ausgegangen werden können, erscheint dem Senat auf der Grundlage der derzeitigen Auskunftslage höchst zweifelhaft.

Die aktuelle Auskunftslage dürfte daher wohl eher dahingehend zu verstehen sein, dass nur armenische Staatsangehörige, anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte mit entsprechenden Papieren oder Ausländer mit einem Nationalpass und einem Visum nach Armenien einreisen bzw. nach Berg-Karabach weiterreisen können. Dass denjenigen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, angesonnen werden kann, die Verleihung der armenischen Staatsangehörigkeit oder zumindest die Flüchtlingsanerkennung zu beantragen, um so die "Einreisevoraussetzungen" zu schaffen, erscheint dem Senat aber zumindest fraglich.

Auch auf die Frage nach den wirtschaftlichen Existenzbedingungen in Berg-Karabach kommt es vorliegend entscheidungserheblich nicht mehr an.

Das Auswärtige Amt kann den Wahrheitsgehalt von Medienberichten aus Berg-Karabach, die wirtschaftliche Situation und Gesundheitsversorgung in Berg Karabach sei besser als in Aserbaidschan, laut Auskunft an das Oberverwaltungsgericht Greifswald vom 18.11.2005 nicht einschätzen, weil entsprechende Erkenntnisse bei den Mitarbeitern der Botschaft in Eriwan nicht vorhanden seien und Berg-Karabach nicht besucht werden dürfe. Das Transkaukasus-Institut hält in seiner Auskunft vom 18.10.2005 an das Oberverwaltungsgericht Greifswald eine verlässliche Einschätzung der aktuellen Entwicklung in Berg-Karabach für nicht möglich, weist aber daraufhin, dass die Angaben von Berg-Karabach zu seiner rasanten wirtschaftlichen Entwicklung weder nachvollzogen noch geglaubt werden könnten. Die wirtschaftliche Situation erscheine vielmehr in den letzten zwei Jahren und voraussichtlich auch in den nächsten drei Jahren als gleichbleibend. Die Angaben zur Arbeitslosenquote seien nicht glaubhaft. Schlicht Hilfsbedürftige erhielten keine Sozialleistungen. Die verschiedenen besonderen Sozialleistungen reichten selbst dann, wenn auf sie überhaupt tatsächlich Zugriff genommen werden könne, zum Überleben nicht aus. Bei hinzukommenden mildtätigen Gaben ermöglichten sie allenfalls ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums. Das öffentliche Gesundheitssystem in der Republik Berg-Karabach sei in einem verheerenden Zustand. Die wirtschaftliche Situation sei in Kern-Aserbaidschan insgesamt betrachtet unter jedem Gesichtspunkt weitaus besser als in Berg-Karabach (S. 21). Auch nach Auffassung von Dr. Tessa Savvidis in ihrer Stellungnahme vom 14.12.2005 an das Oberverwaltungsgericht Greifswald müssen Äußerungen von Vertretern der politischen bzw. gesellschaftlichen Elite Berg-Karabachs, wonach die Wirtschaftslage und die Gesundheitsversorgung in Berg-Karabach zwar im Vergleich zur Hauptstadt Baku schlechter, im Übrigen aber besser sei als in den aserbaidschanischen Provinzen, als subjektive und spontane Einschätzungen verstanden werden (S. 17).

2. Die Kläger zu 2) und 3) können aber die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Georgien beanspruchen.

Davon ausgehend steht den Klägern zu 2) und 3) im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände ihres Einzelfalls Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG zu. Den minderjährigen Klägern zu 2) und 3) ist es nicht zuzumuten, nach Georgien abgeschoben zu werden. Die vom Verwaltungsgericht in seinem - insoweit rechtskräftigen - Urteil vom 06.07.2001 in den Entscheidungsgründen (S. 21-24) ausführlich beschriebene, sehr schlechte Wirtschafts- und Versorgungssituation in Georgien, die zur Feststellung von Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG für die Klägerin zu 1) geführt hat, hat sich seither offenbar nicht wesentlich verbessert. Laut Auskunft von Dr. Tessa Savvidis an das Oberverwaltungsgericht Greifswald vom 14.12.2005 lebt in Georgien über die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der offiziellen Armutsgrenze (der Hohe Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana, habe sogar einen Armutsanteil von 60 % erwähnt); der Armutsanteil steigt wieder. Für eine zunehmende Anzahl von Menschen verschlechtern sich die Lebensbedingungen. Zu den besonders Betroffenen gehören Menschen im Rentenalter, Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge aus Tschetschenien (S. 33). Trotz umfangreicher Finanzhilfen der EU bleibe die Wirtschaftslage des Landes düster (S. 35). So hätten z.B. 2004 die Altersmindestrenten monatlich 20 GEL (5,28 €) und die Sozialrenten bzw. der Sozialhilfesatz monatlich 22 GEL (580 €) betragen, während die errechneten Mindestlebenshaltungskosten - der "Korb" - bei 147 GEL (38,78 €) gelegen hätten (S. 32). Die Diskrepanz zwischen auswärtigen bzw. internationalen Zuwendungen an Georgien und der anhaltenden Armut und wirtschaftlichen Unterentwicklung sei auf gravierende Verteilungs- und Managementprobleme sowie Korruption zurückzuführen (S. 35). Das System der Gesundheitsversorgung und Gesundheitseinrichtungen sei schlecht; viele Bürger seien nicht in der Lage, die vergleichsweise niedrigen Kosten für die Gesundheitsversorgung zu zahlen, zumal neben den Behandlungskosten noch "Schwarzgeld" an unterbezahlte Ärzte und Pflegepersonal gezahlt werden müsse. Für den Großteil der Bevölkerung machten die hohen Summen dieser "Schwarzgeldzahlungen" eine der Krankheit angemessene medizinische Versorgung unmöglich. Im Falle eines Unfalls sei zwar die Erstversorgung gewährleistet, eine Weiterbehandlung aber nur dann sichergestellt, wenn die zusätzlichen Kosten durch Familienangehörige oder Bekannte übernommen würden (S. 37). Auch das Auswärtige Amt beschreibt die aktuelle Wirtschaftslage in Georgien in seiner Auskunft vorn 22.08.2005 an das Oberverwaltungsgericht Greifswald als kritisch. Es gebe viele Menschen, die das Mindesteinkommen nicht erreichten. Diese überlebten dann meist im Familienverbund, im Rahmen dessen mehrere Einkommen zur Finanzierung von Kost und Logis beitrügen.

Eine solche "Überlebensmöglichkeit" scheidet für die Kläger zu 2) und 3) aus, die sich - in der Bundesrepublik Deutschland geboren und aufgewachsen - als Flüchtlinge in völlig neue Lebensumstände einfinden müssten, aus. Die Kläger zu 2) und 3) sind in Georgien weder familiär noch sonstwie sozial verwurzelt und können sich dort nicht in einen Familienverbund integrieren, der ihr Überleben sichern hilft. Angesichts des Lebensalters der Kläger zu 2) und 3) (12 und 9 Jahre) liegt überdies auf der Hand, dass sie ihr Überleben auch nicht selbst sichern könnten, sondern auf staatliche Unterstützungsleistungen für Flüchtlinge angewiesen wären, die angesichts der vorstehend geschilderten kritischen wirtschaftlichen Lage in Georgien und der zunehmenden Verarmung weiter Bevölkerungsteile für sich genommen nicht ausreichen dürften, um den Klägern zu 2) und 3) das Existenzmimimum zu sichern.