VG Hamburg

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VG Hamburg, Beschluss vom 08.09.2006 - 17 E 2495/06 - asyl.net: M9224
https://www.asyl.net/rsdb/M9224
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Fortgeltungsfiktion, Ausreisehindernis, Ausreisepflicht, Vollziehbarkeit, außergewöhnliche Härte, Schutz von Ehe und Familie, Geschwister, Minderjährige, Familienzusammenführung, Ermessen, Kindeswohl, Privatleben, Integration, Aufenthaltsdauer, Staatsangehörigkeit, Staatsangehörigkeit ungeklärt, Aserbaidschan, Armenien, Russland, gemischt-ethnische Abstammung, Ausbildung, Bundesagentur für Arbeit, Zustimmung, Erwerbstätigkeit, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, illegale Einreise, abgelehnte Asylbewerber, Verbrauch, Passpflicht, Passlosigkeit, atypischer Ausnahmefall, Mitwirkungspflichten, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 25 Abs. 4 S. 2; AufenthG § 8 Abs. 1; AufenthG § 36 S. 1; AufenthG § 29 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1; EMRK Art. 8; AufenthG § 17 S. 1; AufenthG § 5 Abs. 1; AufenthG § 82
Auszüge:

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die sofort vollziehbare Ablehnung der Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis vom 19.12.2005 anzuordnen, ist im Wesentlichen erfolgreich.

2. Die von der Antragstellerin am 7.9.2004 beantragte Aufenthaltserlaubnis wird allerdings nicht auf § 25 Abs. 5 AufenthG gestützt werden können. Die Antragstellerin ist aber nicht nach § 58 Abs. 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, da sie sich aufgrund der ihr am 15.9.2003 für ein Jahr erteilten Aufenthaltsbefugnis im rechtmäßigen Aufenthalt befand und dieser aufgrund des rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags nach § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend gilt.

3. Insoweit die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid einen Anspruch auf Verlängerung nach § 25 Abs. 4 AufenthG unter Hinweis darauf abgelehnt hat, dass nach dieser Vorschrift nur ein vorübergehender Aufenthalt erlaubt werden könne, befindet sie sich - teilweise - im Rechtsirrtum. Diese Einschränkung gilt nach dem Wortlaut der Vorschrift nur für die Erteilung bei humanitären oder persönlichen Gründen nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, nicht aber für eine Verlängerung nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, wenn das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Sie kann auch nicht aus systematischen Gründen auf Satz 2 übertragen werden, denn § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG entspricht der früheren Möglichkeit zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 2 AuslG (BT-Drs 15/420 S. 80). Solch eine Aufenthaltsbefugnis konnte ausdrücklich unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG einen Daueraufenthalt legalisieren. Im Gegensatz zu § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ermöglicht Satz 2 daher für Ausländer, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf Dauer (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: April 2006, § 25 AufenthG Rn. 77).

4. Ob im Falle der Antragstellerin eine außergewöhnliche Härte vorliegt, wird im Widerspruchsverfahren nicht nur mit Blick auf § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zu erwägen sein. Die Antragsgegnerin hat bislang den zur Entscheidung vorliegenden Sachverhalt verkannt, indem sie eine Aufenthaltsverlängerung der Antragstellerin aus familiären Gründen nach dem 6. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes nicht in Erwägung gezogen hat.

a) Nach § 8 Abs. 1 AufenthG finden auf die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung. Obwohl sich die Antragstellerin bereits im Bundesgebiet befindet, wird daher in Betracht zu ziehen sein, ihr im Hinblick auf die Lebensgemeinschaft mit ihrer minderjährigen Schwester eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 29 Abs. 1, 36 Satz 1 AufenthG zu erteilen.

Den Begriff des Familiennachzugs - und damit zugleich den Zweck der Aufenthaltserlaubnis - definiert § 27 Abs. 1 AufenthG, als zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft dienend. Gilt als Familie i.S.d. Art 6 Abs. 1 GG klassischerweise die Gemeinschaft von Eltern und Kindern (vgl. BVerfG, Beschl.v. 18.4.1989, 2 BvR 1169/84, BVerfGE 80, 81, 90; BVerwG, Urt.v. 29.7.1993, 1 C 25/93, NVwZ 1994, 382, 385), wird dieser Begriff vor allem dann erweitert, z.B. auf die Gemeinschaft der Geschwister, wenn die Verwandschaftsbeziehung durch die Übernahme von Verantwortung ergänzt wird (vgl. Robbes in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, 4. Aufl. 1999, Art. 6 Abs. 1 Rn. 88; Badura, Staatsrecht, 2. Aufl. 1999, C 54; Coester-Waltjen in: v.Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl. 2000, Art. 6 Rn. 11). So bezieht sich der Schutz des Familienlebens in Art. 8 Abs. 1 EMRK auch auf die Geschwister, wenn dieses unter ihnen z.B. durch die Führung eines gemeinsamen Haushaltes und im gegenseitigen Beistand tatsächlich gelebt wird (vgl. Wildhaber in: Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Stand: Juli 2004, Art. 8 Rn. 389 f.; EGMR, Urt.v. 18.2.1991, 31/1989/191/291 (Moustaquim), InfAuslR 1991, 149 ff.; s. auch BVerwG aaO.).

b) Bislang hat die Antragsgegnerin diesen Aspekt des Aufenthalts der Antragstellerin nicht hinreichend gewürdigt.

Hinsichtlich des Begriffs der außergewöhnlichen Härte kann auf die gefestigte Rechtsprechung zu der Vorgängervorschrift des § 22 AuslG zurückgegriffen werden. Danach ist eine derartige Härte anzunehmen, wenn im konkreten Einzelfall gewichtige Umstände vorliegen, die unter Berücksichtigung des Schutzgebots des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und im Vergleich zu den sonst geregelten Fällen des Familiennachzugs ausnahmsweise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gebieten. Im Unterschied zu anderen Härtevorschriften, die der Vermeidung einer besonderen Härte dienen, erfordert eine außergewöhnliche Härte mehr. Die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis eintretenden Schwierigkeiten für den Erhalt der Familiengemeinschaft müssen folglich nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sein, daß im Hinblick auf den Zweck der Nachzugsvorschriften, die Herstellung und Wahrung der Familieneinheit zu schützen, die Ablehnung der Erlaubnis schlechthin unvertretbar ist. Dies setzt grundsätzlich voraus, daß der im Bundesgebiet oder der im Ausland lebende Familienangehörige allein ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung von familiärer Lebenshilfe angewiesen ist und daß diese Hilfe zumutbarerweise nur im Bundesgebiet erbracht werden kann (vgl. BVerwG, Beschl.v. 25.6.1997, 1 B 236/96, Buchholz 402.240 § 22 AuslG 1990 Nr. 4 mwN).

Die minderjährige Xxx dürfte nach allem was aus der Sachakte ersichtlich ist, auf den Beistand und die Hilfe ihrer älteren Schwestern, die in die Rolle der Eltern hineingewachsen sind, noch für längere Zeit angewiesen sein.

c) Neben der weiteren Aufklärung dieser Situation wird die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren zudem das bei Feststellung einer außergewöhnlichen Härte eröffnete Ermessen, sei es bei § 25 Abs. 4 Satz 2 oder im Rahmen des § 36 Satz 1 AufenthG, auszuüben haben. Bei der in diesem Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage kann nicht festgestellt werden, dass diese Ermessensauübung notwendig zu einer Versagung der Aufenthaltserlaubnis führen würde.

aa) So dürfte das zu berücksichtigende Kindeswohl für deren Erteilung sprechen, da das Familienleben derzeit nur im Bundesgebiet gelebt werden kann. Insbesondere bei Xxx wird wohl eine derart tiefe Verwurzelung in die hiesigen Lebensverhältnisse vorliegen, dass ihr eine Ausreise nicht zugemutet werden kann, da anderenfalls ihr Recht auf Achtung des Privatlebens aus Art. 8 Abs. 1 EMRK missachtet werden würde. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kommt dieser Schutz nicht nur Ausländern der sog. zweiten Generation zu.

Das Recht auf Achtung des Privatlebens i.S.d. Art. 8 Abs. 1 EMRK ist weit zu verstehen und umfasst seinem Schutzbereich nach unter anderem das Recht auf Entwicklung der Person und das Recht darauf, Beziehungen zu anderen Personen und der Außenwelt anzuknüpfen und zu entwickeln (vgl. EGMR, Urt.v. 13.2.2003, 42326/98, NJW 2003, 2145) und damit auch die Gesamtheit der im Land des Aufenthalts gewachsenen Bindungen. Die Vorschrift des Art. 8 Abs. 1 EMRK darf jedoch nicht so ausgelegt werden, als verbiete sie allgemein die Abschiebung eines fremden Staatsangehörigen oder vermittle diesem ein Aufenthaltsrecht allein deswegen, weil er sich eine bestimmte Zeit im Hoheitsgebiet des Vertragsstaates aufgehalten hat (vgl. EGMR, 16.9.2004, 11103/03, NVwZ 2005, 1046). Entscheidend ist vielmehr, ob der Betroffene im Aufenthaltsstaat über intensive persönliche und familiäre Bindungen verfügt (EGMR, Urt.v. 16.6.2005, 60654/00, InfAuslR 2005, 349), so daß er aufgrund seiner gesamten Entwicklung faktisch zu einem Inländer geworden ist und ihm wegen der Besonderheiten seines Falles ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit nicht zugemutet werden kann. Insoweit ist zum Einen in Rechnung zu stellen, inwieweit der Ausländer unter Berücksichtigung seines Lebensalters und seiner persönlichen Befähigung in das hiesige wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben auf Grund seiner deutschen Sprachkenntnisse, sozialen Kontakte, Wohn-, Wirtschafts- sowie Berufs- bzw. Schulverhältnisse faktisch integriert ist. Auf der anderen Seite ist zu fragen, inwieweit der Ausländer - wiederum unter Berücksichtigung seines Lebensalters und seiner persönlichen Befähigung - von dem Land seiner Staatsangehörigkeit bzw. Herkunft entwurzelt ist (vgl. VGH Mannheim, Urt.v. 18.1.2006, 13 S 2220/05, ZAR 2006, 142, 143; VGH Kassel, Beschl.v. 15.2.2006, 7 TG 106/06, InfAuslR 2006, 217, 218; OVG Koblenz, Beschl.v. 24.2.2006, 7 B 10020/06.OVG, InfAuslR 2006, 274, 275; OVG Lüneburg, Beschl.v. 11.5.2006, 12 ME 138/06, InfAuslR 2006, 329, 330; OVG Münster, Beschl.v. 1.8.2006, 18 B 1539/06).

Hiervon ausgehend, dürfte bei Xxx ein Ausreiseverlangen rechtlich unmöglich sein. Maßgebend sind insoweit, wie auch Art. 8 Abs. 1, 2 EMRK verdeutlicht (vgl. EGMR, Urt.v. 16.6.2005, 60654/00 (Sisojeva), InfAuslR 2005, 349; 16.9.2004, 11103/03 (Ghiban), NVwZ 2005, 1046; Urt.v. 19.2.1998, 15471996/773/97 (Dalia), InfAuslR 1998, 201) die Umstände des konkreten Falles, von denen Folgende hervorgehoben seien: Die minderjährige Xxx, die nicht vorbestraft ist, ist 1998 mit acht Jahren in die Bundesrepublik eingereist, lebt seitdem ununterbrochen hier und hat hier ihre Sozialisierung erfahren. Sie verfügt seit drei Jahren über eine Aufenthaltserlaubnis und wird diese aufgrund der o.g. Zusage bis zu ihrer Volljährigkeit im Jahre 2008 behalten. Sie spricht Deutsch, ist ausschließlich hier zur Schule gegangen und besucht derzeit die 10. Klasse des Gymnasiums. Setzt sie ihre bisherigen Leistungen fort, besteht die Aussicht, dass sie einen Schulabschluss erreichen und auf Dauer ihren Lebensunterhalt selbständig sicherstellen kann. Es ist nicht ersichtlich, welche wesentlichen anderen Integrationsleistungen Xxx bei ihren individuellen Fähigkeiten und ihrem Alter noch hätte erbringen können. Aufgrund ihrer dadurch zum Ausdruck kommenden Bindung an die hiesigen Verhältnisse wäre es für sie unzumutbar, in eine für sie völlig fremde Gesellschaft zurückzugehen.

Zudem stellt sich für sie, wie für ihre älteren Geschwister, aufgrund des Lebenslaufs bis zur Einreise in das Bundesgebiet die Frage, in welchen Staat sie zurückkehren sollte. Danach wurden die beiden älteren Schwestern in Aserbaidschan geboren. 1989 übersiedelte die Familie aufgrund des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan - der Vater ist armenischer Volkszugehöriger und die Mutter Aseri - nach Irkutsk in der Russischen Föderation, wo Xxx 1990 geboren wurde. Im September 1994 zog die Familie nach Krasnodar, im Juli 1996 nach Rostov und im November 1997 nach Taganrog. Aufgrund dieser Umzüge kann nicht davon ausgegangen werden, dass Xxx die Möglichkeit gehabt hat in ihren ersten Lebensjahren sich derart in die Lebensverhältnisse in der Russischen Föderation zu integrieren, dass sie nunmehr daran anknüpfen kann. Zudem ist es fraglich, ob dieser Staat ohne weiteres bereit ist, sie und ihre beiden älteren Schwestern zusammen aufzunehmen.

bb) Bei der Ermessensausübung wird ferner zu Gunsten der Antragstellerin zu berücksichtigen sein, dass das Aufenthaltsgesetz diejenigen jungen Ausländer begünstigt, die wie die Antragstellerin eine Ausbildung durchführen.

Nach § 17 Satz 1 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der betrieblichen Ausbildung erteilt werden, wenn die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit vorliegt oder aufgrund einer bestimmten Rechtsvorschrift die Ausbildung zustimmungsfrei zulässig ist. Der Antragstellerin hätte im Zeitpunkt ihres Verlängerungsantrags hiernach sogar eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden können, da von der Bundesagentur für Arbeit aufgrund von § 8 Satz 1 Nr. 2 BeschVerfV die Zustimmung zur Berufsausbildung als Einzelhandelskauffrau nach § 39 AufenthG erteilt worden wäre. Die Antragstellerin erfüllte die Voraussetzungen des § 8 Satz 1 BeschVerfV, da sie vor Vollendung ihres 18. Lebensjahres eingereist war und eine Aufenthaltsbefugnis besaß.

Es dürfte auch zu beachten sein, dass die Antragstellerin derzeit - würde sie, wie von der Antragsgegnerin verlangt, ausreisen und danach wiederkehren wollen - einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 37 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AufenthG besäße.

d) Spricht somit einiges für eine Ermessensausübung zu Gunsten der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Antragstellerin, steht dem - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - nicht entgegen, dass die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG nicht erfüllt wären.

aa) Eine unerlaubte Einreise kann der Antragstellerin nach § 5 Abs. 2 Satz 1 oder § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 55 Abs. 2 AufenthG nicht entgegen gehalten werden, da ihr in Kenntnis dessen bereits eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden und somit dieser Hinderungsgrund durch das rechtsstaatliche Verbot widersprüchlichen Verhaltens verbraucht ist. Gleiches gilt zudem für den abgelehnten Asylantrag, § 10 Abs. 3 AufenthG.

bb) Hinsichtlich der an sich geforderten Erfüllung der Passpflicht nach § 3 AufenthG und der ungeklärten Staatsangehörigkeit der Antragstellerin (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG) liegt bei ihr - ebenso wie bei ihren Schwestern - eine atypische Situation vor, die eine Abweichung von diesem Regelfall gebietet. Denn aufgrund des o.g. Lebenslaufs der Antragstellerin steht nicht ohne weiteres fest, welche Staatsangehörigkeit sie haben. Soweit eine Staatsangehörigkeit in Betracht kommt, dürfte der Antragstellerin nicht vorzuwerfen sein, diese nicht durch einen Pass oder ein sonstiges Dokument nachweisen zu können.

(3) Nach dem Staatbürgerschaftsgesetz der Russischen Föderation von 1992 sollen alle Bürger der früheren Sowjetunion, die ihren ständigen Wohnsitz beim Inkrafttreten des Gesetzes in der Russischen Föderation hatten und diese Staatsangehörigkeit nicht abgelehnt haben, russische Staatsbürger sein (vgl. Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 1.12.1999, S. 5). Legt man den von der Mutter geschilderten Lebenslauf zu Grunde, treffen diese Voraussetzungen auf die Antragstellerin zu. Diese Staatsangehörigkeit wurde aber bislang von der Russischen Föderation weder bestätigt noch eindeutig abgelehnt. Nach einer der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin für die Schwester Xxx gegebenen telefonischen Auskunft durch das Konsulat, soll diese keine Angehörige der Russischen Föderation sein. Da der Sachverhalt bei beiden Schwestern identisch ist, kann diese Auskunft auf die Antragstellerin übertragen werden.

Ist mangels einer belegbaren, eindeutigen Ablehnung bislang ungeklärt, ob die Antragstellerin russische Staatsangehörige ist, kann ihr dennoch eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, soweit sie sich selbst um eine Klärung in zumutbarer Weise bemüht. Hinsichtlich dessen, was nach § 82 Abs. 1 und 2 AufenthG von der Antragstellerin verlangt werden kann, ist für das Widerspruchsverfahren im Anschluss an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Urt.v. 23.3.2006, 24 B 05.2889) auf Folgendes hinzuweisen: ...

Hiernach hat die Antragstellerin bislang einiges unternommen, um die Frage ihrer Staatsangehörigkeit zu klären und sich einen Pass zu beschaffen. Ansatzpunkte für weitere eigene Initiativen sind derzeit nicht ersichtlich.

Genügt dies der Antragsgegnerin nicht, so steht sie in der Verpflichtung konkrete Hinweise zu geben, auf welche Weise sonst die Antragstellerin zu einem russischen Pass gelangen könnte.