BlueSky

OVG Sachsen-Anhalt

Merkliste
Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.08.2006 - 2 M 260/06 - asyl.net: M9058
https://www.asyl.net/rsdb/M9058
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, eigenständiges Aufenthaltsrecht, Ehegattennachzug, Ehescheidung, Getrenntleben, Ehebestandszeit, Versöhnungsversuch, Darlegungslast, Beweislast, besondere Härte, Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei, Assoziationsberechtigte, Türken, Arbeitnehmer, Verlust, selbstständige Erwerbstätigkeit
Normen: AufenthG § 31 Abs. 1; AufenthG § 31 Abs. 2; ARB Nr. 1/80 Art. 6 Abs. 1
Auszüge:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Antragstellers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs.1 AufenthG nicht besteht.

Die für die Frage der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft maßgebliche Trennung der Ehegatten liegt vor, wenn nach dem Willen beider Ehepartner oder auch nur eines Ehegatten die eheliche Gemeinschaft endgültig nicht fortgesetzt werden soll (GK AuslR § 19 Rd. 28 f; § 18 Rd. 55 m. w. N.); eine nur vorübergehende Trennung schadet nicht, solange sichergestellt ist, dass die Ehe in einem überschaubaren Zeitraum wiederhergestellt werden soll (BVerfG, a. a. O.). Von einer dauerhaften Trennung ist regelmäßig auszugehen, wenn ein Ehegatte zuvor die gemeinsame Ehewohnung verlassen hat, das Scheidungsverfahren eingeleitet wurde (GK AuslR § 18 Rdnr. 55 m.w.N.) oder auch dann, wenn eine Trennung i. S. d § 1566 Abs. 1 BGB vorliegt. In diesen Fällen besteht die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr (BVerwG, Beschl. v. 30.09.1998, a. a. O.), ohne dass es aber umgekehrt auf das bürgerlich-rechtliche Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ehescheidung, insbesondere auf den Ablauf des Trennungsjahres, stets ankommt (BVerwG, Beschl. v. 12.06.1992 - 1 B 48/92 - InfAuslR 1992, 305).

Ob die eheliche Lebensgemeinschaft von der Aufnahme der ehelichen Lebensbeziehung bis zur Trennung über einen Zeitraum von zwei Jahren hindurch bestanden hat, ist in erster Linie anhand objektiver Kriterien zu entscheiden, wie z. B. des melderechtlich bestätigten Einzugs in bzw. Auszugs aus der gemeinsamen Wohnung. Fehlt es an solchen verlässlichen Kriterien, kann auf die Aussagen von Zeugen oder auch die Angaben der Eheleute im Scheidungsverfahren zurückgegriffen werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Aussagen der Eheleute hier differieren können und dass die Bekundungen im ausländerrechtlichen Verfahren von anderen Interessen geleitet sein können. Macht der betroffene Ausländer insoweit unterschiedliche Aussagen, gehen etwaige Unklarheiten aufgrund der ihm obliegenden Darlegungslast hinsichtlich der ehelichen Bestandszeit zu seinen Lasten (GK AuslR, § 19 Rd. 37 m.w.N.)

Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit der deutschen Staatsangehörigen A. D. spätestens im August 2004 beendet war; zu diesem Zeitpunkt ist der Antragsteller aus der ehelichen Wohnung ausgezogen.

Den familiengerichtlichen Unterlagen lässt sich zwar entnehmen, dass es in der Zeit zwischen Juli und Dezember 2004 einen Versöhnungsversuch zwischen den Eheleuten gegeben hat. Dieser Versöhnungsversuch hat nach den glaubhaften Angaben der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers nur von Ende September 2004 bis zum 20. Dezember 2004 angedauert. Ein solcher Versöhnungsversuch hat nicht die Qualität der Fortsetzung einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Ein derartig kurzzeitiger, gescheiterter Versöhnungsversuch führt jedenfalls nicht dazu, dass dem Antragsteller der Zeitraum vom Anfang Juli bis Ende Dezember 2004 bei der Berechnung der Frist des § 31 Abs. 1 AufenthG als Bestandszeit einer Lebensgemeinschaft zugerechnet werden kann.

2. Es ist auch nicht gemäß § 31 Abs. 2 S. 2 AufenthG zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich, dem Antragsteller den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Eine besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift liegt insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht. Diese Voraussetzungen vermag die Beschwerdeschrift nicht glaubhaft zu machen.

Nach der Gesetzesbegründung zum AuslG 1990 (BT-Drs. 14/2368 S. 4) - insoweit enthält das seit dem 01.01.2005 geltende Aufenthaltsgesetz keine anderweitige Regelung ("§ 31 AufenthG orientiert sich an der bereits bisher geltenden Regelung des § 19 AuslG" [BT-Drs.15/480 S. 82]) - liegt eine besondere Härte insbesondere vor, wenn dem Ehegatten im Herkunftsland etwa aufgrund gesellschaftlicher Diskriminierungen die Führung eines eigenständigen Lebens nicht möglich wäre, dem Ehegatten dort eine Zwangsabtreibung droht, das Wohl eines in der Ehe lebenden Kindes, etwa wegen einer Behinderung oder der Umstände im Herkunftsland einen weiteren Aufenthalt in Deutschland erfordert oder die Gefahr besteht, dass dem Ehegatten im Ausland der Kontakt zu dem Kind oder den Kindern willkürlich untersagt wird. Diese Aufzählung ist zwar nicht abschließend, sämtliche Beispiele stehen jedoch in einem Zusammenhang mit der aufgelösten ehelichen bzw. familiären Lebensgemeinschaft. Die Gründe für das Vorliegen einer besonderen Härte gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 AuslG müssen daher einen Bezug zur aufgelösten ehelichen Lebensgemeinschaft aufweisen (vgl. BayVGH vom 24.11.2004 Az. 24 CS 04.2739, nach juris). Einen derartigen Zusammenhang weisen die vom Antragsteller vorgetragenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Probleme im Falle seiner Rückkehr in die Türkei nicht auf.

Eine besondere Härte ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil der Antragsteller durch die Ausreisepflicht nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft ungleich härter getroffen würde als andere Ausländer in vergleichbarer Situation. Abzustellen ist auf die besonderen Schwierigkeiten und Nachteile, denen ein zurückkehrender Ausländer im Vergleich zur "Normalsituation" eines geschieden oder getrennt lebenden Ausländers ausgesetzt ist, so z.B., wenn die Führung eines eigenständigen Lebens unmöglich gemacht wird oder wenn im Hinblick auf die Vorgänge, die zur Auflösung der Ehe geführt haben, fortwirkende Schikanen und Diskriminierungen durch die Familie zu befürchten sind (vgl. Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, RdNr. 15 zu § 19 AuslG). Der Antragsgegner hat zu Recht derartige Umstände nicht zu erkennen vermocht.

3. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis auch nicht aus Art. 6 Abs.1, 1. Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei ARB 1/80 - herleiten könne.

In Anlehnung an eine Entscheidung des Hess. VGH (Beschl. v. 09.02.2004 12 TG 3548/03 DÖV 2004, 539) hat das Verwaltungsgericht hier zutreffend entschieden, dass die Aufgabe einer Beschäftigung als Arbeitnehmer zu Gunsten einer Tätigkeit als selbstständiger zum Verlust der Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 führt; denn Art. 6 Abs. 1, 1.Spiegelstrich gewährt nur einen Anspruch auf Beschäftigung bei dem gleichen Arbeitgeber (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.03.2003 1 C 2/02 nach juris).