VG Darmstadt

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Zitieren als:
VG Darmstadt, Urteil vom 20.09.2006 - 4 E 2111/04.A(1) - asyl.net: M8988
https://www.asyl.net/rsdb/M8988
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für Zeugen Jehovas aus Eritrea.

 

Schlagwörter: Eritrea, religiös motivierte Verfolgung, Zeugen Jehovas, Registrierung, Übergriffe
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für Zeugen Jehovas aus Eritrea.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte in seiner Person das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) als Nachfolgevorschrift des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Eritreas feststellt (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

Im Falle seiner Abschiebung oder freiwilligen Rückreise dorthin wäre der Kläger im Hinblick auf seine gelebte Religiosität, seinen Glauben als Zeuge Jehovas von politischer Verfolgung im Sinn der genannten Schutzvorschrift an Leib und Leben gefährdet. Für diese Überzeugung des Gerichts sind die folgenden Gründe leitend gewesen:

Kennzeichnend für diese Erkenntnissituation ist insgesamt die starke ablehnende Haltung, die der eritreische Staat den Anhängern der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas entgegenbringt, was nicht nur durch zahlreiche Beschränkungen und Verbote deutlich wurde und wird, sondern darüber hinaus sich auch in - zum Teil gewaltsamen - Übergriffen gegenüber den Zeugen Jehovas manifestiert. Unabhängig davon, dass sich die Zeugen Jehovas, wie andere kleinere Religionsgemeinschaften (z.B. die Pfingstler) vor einer religiösen Betätigung zunächst registrieren lassen und dann eine entsprechende - staatliche - Genehmigung erlangen müssen, ist es den Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaften im gegenwärtigen Zeitpunkt, in dem das Registrierungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, nicht erlaubt, Gottesdienste zu feiern - auch nicht im privaten Rahmen. In diesem Stadium kommt es immer wieder zu Übergriffen von Regierungsseite, und es gibt Berichte, wonach Sicherheitskräfte Anhänger dieser Gemeinschaften foltern, um sie wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer dieser Religionsgemeinschaften zu bestrafen bzw. damit sie ihrem Glauben abschwören oder ihn nicht mehr praktizieren. Augenfällig werden diese Sanktionen auch durch die Verweigerung von eritreischen Nationalpässen, Ausreisevisen günstigen staatlichen Wohnungen oder Arbeitsmöglichkeiten bei den die Wirtschaft kontrollierenden Staatsfirmen (vgl. Lagebericht des AA vom 24. Mai 2006 m.w.N.).

Im Falle der Rückkehr würde den Kläger diese gefährliche Situation vor allem deswegen treffen, weil er nach Überzeugung des Gerichts nach wie vor ein den Glauben aktiv praktizierendes Mitglied der Zeugen Jehovas ist.