OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 07.04.2006 - 9 ME 257/05 - asyl.net: M8182
https://www.asyl.net/rsdb/M8182
Leitsatz:

1. Eine Verlängerung der zum Zwecke des Studiums erteilten Aufenthaltserlaubnis (früher: Aufenthaltsbewilligung) kommt nicht in Betracht, wenn im Zeitpunkt des voraussichtlichen Abschlusses des Studiums die Regelstudienzeit um 7 Semester bzw. die durchschnittliche Studiendauer um 6 Semester überschritten sein würde.

2. Krankheitsbedingte Verlängerungen der Studiendauer können nur dann zugunsten des Ausländers berücksichtigt werden, wenn die Aussicht besteht, dass das Studium in absehbarer Zeit erfolgreich abgeschlossen wird.

 

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, Studium, Studenten, Aufenthaltszweck, Studiendauer, Krankheit, Prüfungsangst
Normen: AufenthG § 16 Abs. 1 S. 2
Auszüge:

1. Eine Verlängerung der zum Zwecke des Studiums erteilten Aufenthaltserlaubnis (früher: Aufenthaltsbewilligung) kommt nicht in Betracht, wenn im Zeitpunkt des voraussichtlichen Abschlusses des Studiums die Regelstudienzeit um 7 Semester bzw. die durchschnittliche Studiendauer um 6 Semester überschritten sein würde.

2. Krankheitsbedingte Verlängerungen der Studiendauer können nur dann zugunsten des Ausländers berücksichtigt werden, wenn die Aussicht besteht, dass das Studium in absehbarer Zeit erfolgreich abgeschlossen wird.

(Amtliche Leitsätze)

 

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Antragsteller von der Antragsgegnerin eine erneute Verlängerung der ihm zum Zwecke des Studiums nach § 28 Abs. 1 AuslG erteilten, letztmalig bis zum 28. Februar 2005 verlängerten Aufenthaltsbewilligung als Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG nicht erfolgreich verlangen kann, weil die Annahme der Antragsgegnerin, dass der Aufenthaltszweck nicht mehr in einem angemessenen Zeitraum erreicht werden könne, gerechtfertigt ist.

Ausländer, die für ein Studium an einer Hochschule oder einer vergleichbaren Ausbildungseinrichtung zugelassen sind, erhalten nach § 16 Abs. 1 Satz 2 AufenthG grundsätzlich eine Aufenthaltserlaubnis für eine Geltungsdauer von zwei Jahren. Die Aufenthaltserlaubnis kann um jeweils bis zu weiteren zwei Jahren verlängert werden, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann. Dieser Regelung der Verlängerungsmöglichkeit entsprach bereits die bis zum 31. Dezember 2004 maßgebliche Bestimmung der Ziff. 28.5.2.3 AuslG-VwV vom 28. Juni 2000 (GMBl 2000, 618). Nicht gesetzlich geregelt ist, was unter einem angemessenen Zeitraum zu verstehen ist. Entscheidend ist insoweit, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Normalzeitdauer für die Absolvierung des jeweiligen Studiums noch mit einem ordnungsgemäßen Abschluss gerechnet werden kann. Als Anhaltspunkt kann die durchschnittliche Studiendauer an der betreffenden Hochschule in dem jeweiligen Studiengang zu Grunde gelegt werden. Soweit diese um mehr als drei Semester überschritten ist, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein ordnungsgemäßer Abschluss nicht mehr erwartet werden kann (vgl. Ziff. 28.5.2.3 AuslG-VwV 2000; Ziff. 16.1.3.3 Vorl. Nds. VV-AufenthG vom 30.11.2005; Hailbronner, AuslR, Stand: April 2005, A 1, § 16 RdNr. 28).

Hiernach kann im Falle des Antragstellers nicht davon ausgegangen werden, dass der Aufenthaltszweck, also der Abschluss seines Studiums, noch in einem angemessenen Zeitraum erreicht werden kann. Nach der vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegten Auskunft der Fachhochschule C. vom 15. August 2005 ist bei Zugrundelegung des von ihm unter dem 10. August 2005 erstellten Studienverlaufsplans ein Abschluss des Diploms zum Wintersemester 2007/2008 möglich. Der Antragsteller würde sich dann im 15. Fachsemester befinden, hätte dann also die Regelstudienzeit in seinem Studiengang um 7 Semester und die durchschnittliche Studiendauer um 6 Semester überschritten.

Der unstreitige Umstand, dass der Antragsteller nach den zahlreichen vorgelegten ärztlichen Attesten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie D. vom 10. Februar 2005, 31. Mai 2005, 17. August 2005 und 7. Oktober 2005, des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse Dr. E. vom 17.März 2005 sowie des Leiters der Poliklinischen Psychotherapieambulanz der Universität C. - Fachbereich Humanwissenschaften - Prof. Dr. F. vom 7. Oktober 2005 und 7. Dezember 2005 - wohl bereits seit etwa fünf Jahren - an einer generalisierten Angststörung und spezifischen Phobie erkrankt ist, deshalb Prüfungssituationen - auch jener der praktischen Führerscheinprüfung - nicht gewachsen ist, diesbezüglich seit Anfang Februar 2005 in Behandlung ist und er zusätzlich regelmäßig an dem von der psychosozialen Beratungsstelle des Studentenwerks C. angebotenen Kurs "Prüfungen erfolgreich bewältigen" teilnimmt, kann an der negativen Prognose bezüglich der Erreichung des Aufenthaltszwecks innerhalb eines angemessenen Zeitraums nichts ändern. Zwar können im Rahmen der Prognose auch persönliche Belange des Ausländers, z.B. eine auf einer Krankheit beruhende längere Studiendauer berücksichtigt werden, doch muss die Aussicht bestehen, dass der Ausländer dennoch in absehbarer Zeit sein Studium erfolgreich abschließen kann (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 21.8.1998 - 17 B 2314/96 - EzAR 014 Nr. 10 = InfAuslR 1998, 493; VGH Ba-Wü., Beschl. v. 19.3.2003 - 13 S 2578/02 -; Hailbronner, a.a.O., RdNr. 31). Im Falle des Antragstellers fehlt es dafür insbesondere angesichts dessen, dass er bezüglich der für die Erlangung des Diploms abzulegenden benoteten Prüfungen und Klausuren in seinem 11. Fachsemester noch auf dem Stand eines Studienanfängers steht, an hinreichend konkreten Anhaltspunkten.