SG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
SG Frankfurt a.M., Beschluss vom 16.01.2006 - S 20 AY 1/06 ER - asyl.net: M7709
https://www.asyl.net/rsdb/M7709
Leitsatz:

Anspruch nach § 6 AsylbLG auf betreutes Wohnen für Suchtkranken, da im Einzelfall bei Abbruch der Betreuung Gesundheitsgefahren drohen.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, sonstige Leistungen, Krankheit, psychische Erkrankung, betreutes Wohnen, Suchterkrankung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AsylbLG § 6; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

Anspruch nach § 6 AsylbLG auf betreutes Wohnen für Suchtkranken, da im Einzelfall bei Abbruch der Betreuung Gesundheitsgefahren drohen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag ist zulässig und überwiegend begründet.

Ausgehend von diesen Grundsätzen war dem Antrag stattzugeben, da bei der vorgenommenen summarischen Prüfung eine Erfolgsaussicht in einem möglichen Hauptsacheverfahren gegeben ist und somit ein Anordnungsanspruch vorliegt. Nach § 6 AsylbwLG können sonstige Leistungen nur gewährt werden, wenn sie u.a. im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Mit der tatbestandlichen Formulierung "zur Sicherung der Gesundheit" werden die nach § 6 AsylbwLG in Betracht kommenden Leistungen in zweierlei Hinsicht näher bestimmt. Zum einen muss es sich um Leistungen handeln, die einen nachweisbaren inhaltlichen Bezug zum Schutze der Gesundheit des Leistungsberechtigten haben. Zum anderen müssen diese Leistungen objektiv geeignet sein, das Auftreten einer Krankheit zu verhindern bzw. die Verschlechterung einer bestehenden Krankheit zu vermeiden. Der Begriff der Gesundheit ist in einem weiten Sinne zu interpretieren. Er umfasst nicht nur die menschliche Gesundheit im biologisch-physiologischen Sinne, sondern auch das psychische Wohlbefinden, sofern es den physischen Gesundheitsstörungen in ihrer Wirkung gleichzusetzen ist (Gemeinschaftskommentar zum Asylbewerberleistungsgesetz, § 6 Rn. 129 ff). Eine engere Auslegung wäre "mit dem Verständnis des Menschen als einer Einheit von Leib, Seele und Geist und mit der Wechselwirkung zwischen psychischen und physischen Gesundheitsstörungen" unvereinbar (BVerfG, Beschluss vom 14.1.1981 - 1 BvR 612/72 - BVerfGE 56, 54 (73ff).

Vorliegend besteht die Gefahr, dass sich der Gesundheitszustand des Antragstellers in psychischer und physischer Hinsicht verschlechtert, wenn die Betreuung nicht fortgesetzt wird. Der Gewährung der Leistungen für die Betreuung steht auch nicht § 53 SGB XII und der Betreuungsvertrag entgegen. Auch wenn es sich nach dem Inhalt des Betreuungsvertrages nicht um medizinische Betreuungsleistungen sondern lediglich um Eingliederungsmaßnahmen handelt, besteht nach Auffassung des Gerichts eine erhebliche Wahrscheinlichkeit - wie dies auch der Verein Arbeits- und Erziehungshilfe e.V. in seiner Stellungnahme vom 21.11.2005 ausführt -, dass bei einem Ausscheiden aus dem Betreuten Wohnen zum derzeitigen Zeitpunkt, der Antragsteller in frühere Verhaltensmuster zurückfällt d.h. wieder zu illegalen Suchtmitteln greift. Eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes wäre somit sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht zu befürchten.