FG Niedersachsen

Merkliste
Zitieren als:
FG Niedersachsen, Beschluss vom 14.12.2005 - 16 S 33/05 - asyl.net: M7615
https://www.asyl.net/rsdb/M7615
Leitsatz:

Der Ausschluss von Kindergeld nach § 62 Abs. 2 EStG a.F. für Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis ist verfassungswidrig (im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97 u.a., BVerfGE 111, 160 (11 S., M5975) zu § 1 Abs. 3 BKGG); Klage auf rückwirkende Gewährung von Kindergeld hat daher hinreichende Aussicht auf Erfolg für die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

 

Schlagwörter: Prozesskostenhilfe, Kindergeld, Aufenthaltsbefugnis
Normen: FGO § 142; ZPO § 114; EStG § 62 Abs. 2
Auszüge:

Der Ausschluss von Kindergeld nach § 62 Abs. 2 EStG a.F. für Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis ist verfassungswidrig (im Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 6.7.2004 - 1 BvL 4/97 u.a., BVerfGE 111, 160 (11 S., M5975) zu § 1 Abs. 3 BKGG); Klage auf rückwirkende Gewährung von Kindergeld hat daher hinreichende Aussicht auf Erfolg für die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag auf Gewährung von PKH hat Erfolg.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei überschlägiger Prüfung ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin für ihre Kinder einen Anspruch auf Kindergeld ab Juni 2004 bzw. im Falle der im April 2005 geborenen Tochter ab Geburt hat.

Allerdings hat nach § 62 Abs. 2 EStG ein Ausländer nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist (Gesetzesfassung bis 31.12.2004) bzw. wenn er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis, einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit, einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25, 31, 37, 38 Aufenthaltsgesetz oder einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu einem Deutschen oder einer anderen Person ist, die über einen der vorgenannten Aufenthaltsstatus verfügt (Gesetzesfassung ab 1.1.2005 unter Anpassung an die Terminologie des Aufenthaltsgesetzes). Über einen entsprechend qualifizierten Aufenthaltsstatus verfügt die Antragstellerin nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 6. Juli 2004 - 1 BvL 4,5,6/97, BverfGE 111, 160 § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, soweit dieser den Kindergeldanspruch für Ausländer, die nicht über eine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung verfügen, ausschließt. § 1 Abs. 3 Bundeskindergeldgesetz ist gleichlautend mit § 62 Abs. 2 EStG a.F. Insofern ist anzunehmen, dass auch diese Rechtsnorm verfassungswidrig ist. Auch § 62 Abs. 2 EStG neue Fassung hat sachlich nicht zu einer Erweiterung der Kindergeldberechtigung geführt, so dass die Umformulierung nicht bewirkt, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt worden sind. Insofern ist aufgrund des verfassungswidrigen Ausschlusses des Kindergeldanspruches anzunehmen, dass der Antragstellerin für die streitbefangenen Zeiträume ein Kindergeldanspruch zusteht.