OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.11.2005 - 17 B 1485/05 - asyl.net: M7604
https://www.asyl.net/rsdb/M7604
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Duldung, Erwerbstätigkeit, Ermessen, Einreise, um Sozialhilfe zu erlangen, Asylantrag, Serbien und Montenegro, Kosovo
Normen: BeschVerfV § 10; BeschVerfV § 11
Auszüge:

Der Senat lässt dahinstehen, ob die vom Antragsteller begehrte Beschäftigungserlaubnis gemäß § 11 Satz 1 Hs. 1 BeschVerfV zu versagen ist, weil er sich - wie das Verwaltungsgericht annimmt - in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen. Dies würde voraussetzen, dass der Zweck des Leistungsbezuges für den Einreiseentschluss von prägender Bedeutung war (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1992 - 5 C 22.87 -, BVerwGE 90, 212 zu dem entsprechend formulierten Ausschlusstatbestand in § 120 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BSHG in der seinerzeit gültigen Fassung).

Für eine in diesem Sinne prägende Bedeutung des Zwecks, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, könnte zunächst sprechen, dass es für den aus dem Kosovo geflohenen Antragsteller und seine Familienangehörigen geographisch und kulturell näherliegende Zufluchtsmöglichkeiten als die Bundesrepublik Deutschland gegeben hätte. In dieselbe Richtung deutet ferner der Umstand, dass sie noch am Tag ihrer Einreise mit anwaltlicher Hilfe beantragt haben, ihnen "eine Wohnung zuzuweisen und Hilfe zum Lebensunterhalt zu zahlen", was darauf hindeutet, dass sie schon vor ihrer Einreise über das hiesige Sozialleistungssystem informiert waren. Demgegenüber wird man dem ausdrücklichen Absehen von einer Asylantragstellung keine indizielle Relevanz beimessen können, da Asylgründe offenbar nicht vorlagen und von dem Antragsteller nicht erwartet werden konnte, einen von vornherein aussichtslosen Asylantrag zu stellen.

Die Frage, ob der Versagungsgrund des § 11 Satz 1 Hs. 1 BeschVerfV eingreift, bedarf indes keiner Entscheidung. Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass die Versagungsentscheidung des Antragsgegners auch auf Ermessenserwägungen gestützt ist, die rechtlich nicht zu beanstanden sind.

Die vom Antragsteller vertretene Auffassung, der Antragsgegner dürfe die begehrte Beschäftigungserlaubnis nicht aus einwanderungspolitischen Ermessenserwägungen versagen, teilt der Senat nicht. Der Antragsteller bezieht sich zur Begründung seiner Rechtsauffassung auf eine Äußerung in der Literatur, derzufolge der Verordnungsgeber mit den Regelungen in §§ 10 f. BeschVerfV abschießend die Fälle geregelt habe, in denen aus einwanderungspolitischen Erwägungen geduldeten Ausländern die Aufnahme einer Beschäftigung untersagt werden dürfe (vgl. Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Auflage 2005, § 3 Rdn. 43 (S. 217)).

Dem vermag der Senat nicht zu folgen:

Die Auslegung findet im Inhalt und in der Systematik der genannten Vorschriften keine Stütze. Nach § 10 BeschVerfV kann geduldeten Ausländern unter den dort genannten Voraussetzungen die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden. Die Entscheidung hierüber steht im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde. Es besteht kein Anhalt dafür, dass im Rahmen der Ermessensausübung einwanderungspolitische Erwägungen nur unter den Voraussetzungen des § 11 BeschVerfV berücksichtigt werden dürften. Eine dahingehende Sichtweise ist schon deshalb nicht plausibel, weil bei Vorliegen der in § 11 BeschVerfV genannten Umstände eine Beschäftigungserlaubnis nicht erteilt werden darf und somit ein Entscheidungsermessen gar nicht erst eröffnet ist.

Auch der Entstehungsgeschichte des § 11 BeschVerfV ist nicht zu entnehmen, dass der Verordnungsgeber den Umfang zulässiger Ermessenserwägungen hätte einschränken wollen. Nach der Verordnungsbegründung wird mit § 11 BeschVerfV die Regelung des § 5 Nr. 5 ArGV fortgeführt und somit an die überkommene Rechtslage angeknüpft (vgl. den Text der Verordnungsbegründung unter www.aufenthaltstitel.de/beschverfvinfos.html).

Unter dieser war anerkannt, dass das behördliche Anliegen, einer tatsächlichen Verfestigung des Aufenthalts eines geduldeten Ausländers entgegenzuwirken, es rechtfertigt, ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu untersagen (vgl. etwa VGH BW, Beschluss vom 25. September 2003 - 11 S 1795/03 -, InfAuslR 2004, 70 = EZAR 025 Nr. 27).