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VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29.03.2005 - 16 B 67/04 - asyl.net: M7295
https://www.asyl.net/rsdb/M7295
Leitsatz:
Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Ausreisehindernis, Kosovo, Albaner, Krankheit, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Suizidgefahr, Psychische Erkrankung, Posttraumatische Belastungsstörung, fachärztliche Stellungnahmen, Vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; AufenthG § 25 Abs. 5; GG Art. 2 Abs. 2 S. 1
Auszüge:

Ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis kann einen Duldungsgrund nach § 60a Abs.2 (früher § 55 Abs. 2 AuslG) u. § 25 Abs. 5 AufenthaltsG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen (so GK-AuslR Rn 23 f zu § 55 AuslR) oder (so Renner Rn 7 zu § 55 AuslR bei Suizidabsichten) tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung in Gestalt eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses darstellen und damit einer Abschiebung entgegenstehen, wenn bereits die Durchführung der Abschiebung als solche bei dem von der Zwangsmaßnahme betroffenen Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einem Gesundheitsschaden führt oder einen vorhandenen Gesundheitsschaden weiter verfestigt.

Es ist davon auszugehen, dass die Abschiebung der Antragstellerin zu 1 iSv § 60a Abs.2 u. § 25 Abs.5 AufenthaltsG aus tatsächlichen Gründen, nämlich wegen der mit ihrer PTBS-Erkrankung verbundenen akuten Suizidgefahr im Falle der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, unmöglich ist und iSv § 25 Abs.5 AufenthaltsG mit einem Wegfall dieses Abschiebungs- bzw. Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist.

Soweit der Antragsgegner demgegenüber unter Berufung auf die Entscheidung des OVG Münster vom 16.12.2004 und die dortigen Ausführungen einwendet, vorgetragene Suizidgefahren würden einer Abschiebung in Form einer begleiteten Rückführung nicht entgegenstehen, vermag dies hier keine andere Entscheidung zu rechtfertigen.

Vorliegend geht es angesichts der eindeutigen Einschätzungen des Amtsarztes und des von der Antragstellerin zu 1 herangezogenen Facharztes für psychotherapeutische Medizin Dr. ... nicht um bloß von der Antragstellerin zu 1 behauptete Suizidabsichten, sondern um die akute Gefahr, dass die Antragstellerin zu 1 sich bereits bei der konkret bevorstehenden Abschiebung das Leben nimmt, ohne dass dies durch die Anordnung einer ärztliche Begleitung während der Rückführung, die naturgemäß erst später einsetzen würde, verhindert werden könnte. Der vom Antragsgegner erhobene Einwand, die Antragstellerin zu 1 habe "Aussagen zur Suizidalität nur aufgrund großer Beharrlichkeit bei den Nachfragen gemacht", begründet gerade keine Zweifel an den getroffenen Feststellungen zur drohenden Suizidgefahr. Vielmehr hat der Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. ... nicht etwa durch Nachfragen eine eigentlich nicht oder nicht akut bestehende Suizidgefahr festgestellt, sondern - wie auf Seite 16 des Gutachtens überzeugend dargestellt - aufgrund der Persönlichkeit und dem Krankheitsbild der Antragstellerin zu 1, die in ihrem Verhalten "nicht demonstrativ" ist, erst durch seine Beharrlichkeit eine vorhandene akute Suizidgefahr ermittelt, die gerade, weil die Antragstellerin zu 1 ihre Suizidabsichten nicht von sich aus "demonstrativ" offenbart, befürchten lässt, dass ein Suizidversuch "erfolgreich" wäre.

Die weitergehenden Einschätzung der Ärzte zu den Auswirkungen einer Abschiebung im Heimatland der Antragstellerin zu 1 stehen ebenfalls der Feststellung des Bestehens eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses nicht entgegen. Weder der Amtsarzt noch der Facharzt für psychotherapeutische Medizin Dr. ... haben mit ihren Einschätzung insoweit begründet, dass "nur" ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis besteht, sondern haben zusätzlich, über das schon inlandsbezogenen Abschiebungshindernis hinausgehend auch noch auf ein - ihres Erachtens bestehendes - zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis hingewiesen.