VG Weimar

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Zitieren als:
VG Weimar, Urteil vom 30.06.2005 - 2 K 20643/04 We - asyl.net: M7111
https://www.asyl.net/rsdb/M7111
Leitsatz:

Exponierte Anhänger der PKK oder vergleichbarer Organisationen sind in der Türkei nach wie vor mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von Folter bedroht.

 

Schlagwörter: Türkei, Kurden, offensichtlich unbegründet, nichtpolitisches Verbrechen, menschenrechtswidrige Behandlung, Haftbefehl, Sicherheitskräfte, PKK, Folter
Normen: AufenthG § 60 Abs. 8; AsylVfG § 30 Abs. 4; AufenthG § 60 Abs. 5; EMRK Art. 3
Auszüge:

Exponierte Anhänger der PKK oder vergleichbarer Organisationen sind in der Türkei nach wie vor mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von Folter bedroht.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Entgegen dem Bescheid hält das Gericht jedoch die Voraussetzung für eine Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 der Europäischen Menschrechtskonvention ­- EMRK -­ für gegeben.

Zur Überzeugung des Gerichts ist hinsichtlich der Person des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass er im Falle seiner Rückkehr in die Türkei seitens der Polizei Misshandlungen ausgesetzt sein wird. Denn es ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund des gegen ihn bestehenden Haftbefehls in der Türkei landesweit gesucht wird und dementsprechend bei einer Rückkehr in die Türkei festgenommen wird. Aufgrund des Umstandes, dass die Staatsanwaltschaft den Kläger verdächtigt, nicht lediglich ein ­- nicht politisches -­ Verbrechen begangen zu haben, sondern ihn auch wegen konkreter Taten für die PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisationen sucht, ist er in besonderer Weise in das Blickfeld der türkischen Sicherheitsbehörden geraten.

Dabei kann dahinstehen, ob dem Kläger allein aufgrund der Tatsache, dass er dieser Tat verdächtigt wird, bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Misshandlungen ausgesetzt sein wird. Denn es ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Polizeibehörden jedenfalls den Kläger zur Ermittlung der Mittäter bzw. ggf. der Hintermänner der PKK vernehmen werden.

Wenn aber nach diesen weiteren zwei Personen seitens der Staatsanwaltschaft gefahndet wird und die Staatsanwaltschaft darüber hinaus davon ausgeht, dass diese beiden Personen der PKK bzw. ihrer Nachfolgeorganisation angehört haben, ist davon auszugehen, dass auch der Kläger bei der Fahndung nach diesen Personen Misshandlungen ausgesetzt sein wird. Denn eine solche Wahrscheinlichkeit besteht besonders dann, wenn der Betroffene aus Sicht der türkischen Behörden separatistischer Betätigung verdächtigt wird und deswegen landesweit gesucht wird, das heißt, das staatliche Verfolgungsinteresse durch einen beabsichtigten Zugriff auf die Person offenbar geworden ist (vgl. hierzu ThürOVG Urteil vom 18.12.2003 ­ 3 KO 275/01 -).

Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass sich seit den entsprechenden gesetzlichen Änderungen in der Türkei die Lage in der Praxis bereits so verbessert hat, dass generell Misshandlungen und Folter nicht mehr als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden können (so auch OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29.11.2004, Asylmagazin 1-2/2005 Seite 32, 33 m.w.N.). Vielmehr ist es nach wie vor davon überzeugt, dass zum Erhalt von Ermittlungsergebnissen und Geständnissen entsprechend exponierte Anhänger von PKK und anderen vergleichbaren Organisationen nach wie vor mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verhaftungen und Vernehmungen unter Anwendung von Folter eingesetzt werden.